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Mordanschlag gegen Henriette Reker
Generalbundesanwalt übernimmt Ermittlungen

Der Generalbundesanwalt hat nach dem offenbar rechtsextremistisch motivierten Mordanschlag auf Kölns neue Oberbürgermeisterin Henriette Reker die Ermittlungen übernommen. Ob und wann die 58-Jährige ihr Amt antreten wird, bleibt vorerst unklar.

19.10.2015
    Ein Wahlplakat von Henriette Reker in Köln
    Ein Wahlplakat von Henriette Reker in Köln (dpa / picture-alliance / Oliver Berg)
    Der neue Generalbundesanwalt Peter Frank nimmt die Ermittlungen offensichtlich wegen der besonderen Bedeutung des Falls auf. Dazu ist die Bundesanwaltschaft berechtigt. Der Angriff habe wegen der Schwere der Tat und der angestrebten Signalwirkung eine besondere Bedeutung, teilten die Karlsruher Ermittler am Montag mit. Die 58-jährige Reker war am Samstag noch vor ihrer Wahl zur Oberbürgermeisterin mit einem Messer niedergestochen und schwer verletzt worden. Am Sonntag wurde sie zur Oberbürgermeisterin Kölns gewählt.
    Täter sitzt wegen versuchten Mordes in Haft
    Der 44 Jahre alte Täter sitzt wegen versuchten Mordes in Untersuchungshaft. Er hat laut Polizei fremdenfeindliche Motive für seine Tat genannt. Nach Angaben des nordrhein-westfälischen Verfassungsschutzes unterhielt er jahrelang Kontakte in die rechtsextreme Szene. Medienberichten zufolge soll er in den 1990er-Jahren bei der später verbotenen Neonazi-Gruppe Freiheitliche Deutsche Arbeitspartei (FAP) beteiligt gewesen sein.
    Ein psychologisches Gutachten hatte ihm bescheinigt, voll schuldfähig zu sein. In ihren Ermittlungen gegen den Mann verfolgt die Polizei nach eigenen Angaben vor allem Hinweise auf die von ihm selbst angegebene Gesinnung. Reker war als Kölner Sozialdezernentin für die Unterbringung von Flüchtlingen zuständig. Sie hatte sich im Wahlkampf wiederholt für die Integration von Asylbewerbern ausgesprochen. Neben der 58-Jährigen wurden auch eine Kölner CDU-Politikerin, eine FDP-Ratsfrau und zwei Bürger verletzt.
    Rekers Gesundheitszustand "entwickelt sich positiv"
    Der Zustand Rekers hat sich nach Angaben der Uniklinik Köln seit einer Notoperation vom Samstag "in Anbetracht der Schwere der Verletzung positiv entwickelt". Sie muss aber weiter stationär behandelt werden. "Der Heilungsverlauf nimmt bei einer Verletzung dieser Art üblicherweise eine gewisse Zeit in Anspruch." Ein Sprecher Rekers hatte am Wahlabend gesagt, die Ärzte wollten eine allmähliche Aufwachphase aus dem künstlichen Koma einleiten. Ob Reker am Montag bereits bei Bewusstsein war, wurde nicht bekanntgegeben.
    Dass sie ihr Amt antreten wird, wurde bislang nicht bestätigt - ihr Umfeld hält das allerdings für sicher. "Wer Frau Reker kennt, weiß: Sie ist eine Kämpfernatur, und sie hat einen starken Willen", sagte Stadt-Sprecherin Inge Schürmann. Auch ein Mitglied aus dem Reker-Wahlbüro ist überzeugt, dass sie ihr Amt antreten wird. Sollte sie wider Erwarten doch nicht mehr als OB zur Verfügung stehen, müsste sie ihren Verzicht explizit erklären.
    Politiker hatten die Tat verurteilt, die Gifhorner SPD-Bundestagsabgeordnete Kerstin Tack sprach von einer Nazikrise in Deutschland. "Politiker sind Objekte des Hasses geworden", sagte der ehemalige Bundestagspräsident Wolfgang Thierse im Deutschlandfunk. Der noch amtierende Kölner Oberbürgermeister Jürgen Roters rief zu einem Schulterschluss gegen Rechtsextremismus auf. Nun gehe es darum, "Flagge zu zeigen", sagte der SPD-Politiker im Deutschlandfunk.
    (nch/tj)