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Morddrohungen seit Januar 2004

Elmar Hüseynov war einer der bekanntesten und umstrittensten Journalisten in Aserbaidschan. Immer wieder prangerte er die Machenschaften der Präsidenten-Familie an, wurde deswegen mehrmals zur Zahlung hoher Geldstrafen verurteilt. Im März wurde Hüseynov erschossen. Über die Drahtzieher des vermutlichen Auftragsmords kann nur spekuliert werden.

Von Tobias Mayer | 05.09.2005
    Elmar Hüseynov hat die aserbaidschanische Gesellschaft mit seiner Arbeit gleichzeitig wachgerüttelt und polarisiert. Seine Ermordung hat der Pressefreiheit in Aserbaidschan einen massiven Schlag versetzt. Elke Schäfter von "Reporter ohne Grenzen":

    "Man kann, glaube ich, schon davon ausgehen, dass die Ermordung Hüseynovs eine große Schockwirkung hatte und Journalisten Angst haben. Andere Journalisten haben uns erzählt, dass sie Drohungen erhalten haben. Sie sprechen auch davon, dass es Listen gibt, wo Oppositionelle und auch Journalisten geführt werden, die getötet werden sollen. Es gibt wohl diese Listen auch in diesem Sinne, dass Journalisten, die da drauf stehen, einfach keine Jobs bekommen."

    Schon im Januar 2004 soll Elmar Hüseynov konkrete Morddrohungen erhalten haben, wenn er weiterhin über Präsident Ilham Aliyev oder seine Frau schreiben würde, heißt es in einem Untersuchungsbericht der Organisation "Reporter ohne Grenzen". Doch immer wieder prangerte der Journalist in seinem wöchentlich erscheinenden Journal "Monitor" die Machenschaften der Familie des Präsidenten und seiner Gefolgsleute an. Bestechlichkeit war dabei sein Lieblingsthema, wird doch der Präsident selbst verdächtigt, an der Spitze eines ausgefeilten und streng hierarchisch organisierten Korruptionssystems zu stehen. Oft hat Elmar Hüseynov bei seinen Ermittlungen in staatlichen Behörden verdeckt gearbeitet.

    "Ein Freund von mir musste kürzlich einen Eisenbahnwaggon voller Zeitungspapier aus Russland beim Zoll abholen. Er bat mich, ihn zu begleiten. Wir kamen also zur Zollstation und wollten das Papier in Empfang nehmen. Der Chef der Zollbehörde hat ganz offen gesprochen: "Die Angelegenheit kostet 500 $." Die Zöllner wussten natürlich nicht, dass ich Journalist bin. Ich wollte ganz heimlich die 500 $ rüber schieben, wir brauchten ja das Papier. Da hat der Chef gesagt: "Du brauchst das nicht so verschämt zu tun. Sei ganz offen. Wir hatten doch keinen Geschlechtsverkehr mit Dir.""

    Diese Geschichte erzählte Elmar Hüseynov im Oktober 2004. Elmar saß in einem Teegarten auf dem belebten Brunnenplatz in der Bakuer Innenstadt. Auf die Frage, ob es kein Problem sei, in der Öffentlichkeit ein Interview zu führen, winkte er ab. "Man kann inzwischen frei seine Meinung äußern", sagte Elmar damals, man könne nur nichts damit bewirken.

    "Meine Verhaftung ist unwahrscheinlich, denn die europäischen Organisationen üben einen großen Druck aus und unterstützen mich. Möglich ist, dass irgendwann mein Journal liquidiert wird."

    Elmar Hüseynov hatte keine Angst, obwohl er wie schon mehrmals zuvor einem Gerichtsverfahren entgegensah. Ein Parlamentsabgeordneter hatte ihn verklagt und sich auf einen umstrittenen Artikel im aserbaidschanischen Zivilgesetzbuch berufen, wonach Beleidigungen und Verleumdungen hart bestraft werden können. Dieser Artikel wird regelmäßig zur Gängelung unliebsamer Journalisten missbraucht.

    "In Aserbaidschan ist eine Prognose für ein Gerichtsverfahren schwierig. Was von den Regierungskreisen bestellt wird, das wird im Gericht so vollzogen. Unsere Richter nehmen nicht die Gesetze als Grundlage, sondern Weisungen von ganz oben. Wenn die Regierung bei der Korruption in den Gerichten ein Auge zudrückt, dann müssen sich die Richter an die Anordnungen von oben halten."

    Elmar Hüseynov wurde für seine provokativen Artikel mehrfach zur Zahlung hoher Geldstrafen verurteilt. Der inzwischen eingestellte "Monitor" war vielleicht die einzige unabhängige Zeitschrift in Aserbaidschan, wenn auch nicht neutral und ausgewogen, sondern oft direkt und polemisch. Häufig wurde Hüseynov vorgeworfen, zu wenige Fakten zu haben und sich auf Gerüchte zu stützen. Diese kompromisslose Art des Journalismus wurde ihm wohl zum Verhängnis. Am 2. März 2005 wurde Elmar Hüseynov im Treppenhaus seiner Wohnung erschossen. Über die Drahtzieher dieses vermutlichen Auftragsmordes kann derzeit nur spekuliert werden. Elke Schäfter von "Reporter ohne Grenzen".

    "Die Familie weist in Richtung Regierung. Die Opposition tut das auch. Die Regierung hält verschiedene Täter für möglich, weist nach Georgien jetzt. Also, es lässt sich ganz schwer ein Bild machen, denn Hüseynov war ja ein sehr unabhängiger Journalist, der sehr viele Korruptionsfälle aufgegriffen hat und der nicht nur in eine Richtung kritisiert hat. Er hat auch in Richtung Opposition kritisiert. Er hat sich viele Feinde gemacht."

    Fest scheint zu stehen, dass der Mord an Elmar Hüseynov im Zusammenhang mit seinen Berichten über die grassierende Korruption in Aserbaidschan steht. Der mutmaßliche Mörder, ein Georgier mit aserbaidschanischen Wurzeln, ist inzwischen gefasst, doch Georgien lehnt bisher eine Auslieferung ab. Man benötige mehr Beweise, heißt es aus Tiflis. Doch die Behörden in Baku verweisen darauf, dass sie den Täter erst einmal befragen müssen, um sich ein besseres Bild zu verschaffen. Die Ermittlungen werden offensichtlich verschleppt. So werden die wahren Hintergründe des Mordes vielleicht nie ans Licht kommen.