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Morsetasten-Hersteller Scheunemann
Kurz - lang - kurz oder: Die Kraft des Signaltons

Im Zeitalter von Twitter, WhatsApp oder Instagram scheint das Morsen ein Fall fürs Technikmuseum zu sein. Aber das stimmt nicht. Auch weiterhin gibt es Unternehmen, die mit dieser Hochgeschwindigkeitstelegrafie gutes Geld verdienen - zum Beispiel die Firma Scheunemann im schwäbischen Auenwald.

Von Mirko Smiljanic | 11.09.2015
    Eine Hand an einer Morsetaste
    Die Morsetechnik ist zwar knapp 180 Jahre alt, trotz Digitaltechnik gibt es aber immer noch professionelle Nutzer. (picture alliance / dpa - Felix Kästle)
    Auenwald bei Stuttgart. In der kleinen, aber feinen Werkstatt erklärt der Morsetasten-Hersteller Uli Scheunemann: "Ich arbeite nur mit Messing, das heißt, sämtliche Bauelemente sind aus reinem Messing, MS 58 ist die fachliche Bezeichnung dafür. Das wird erst gesägt, dann werden die äußeren Seiten rechtwinklig gemacht, dann anschließend die ganzen Schächte, die da drin existieren, müssen ausgebohrt und ausgefräst werden."
    Anschließend schleift und poliert Uli Scheunemann alle Bauteile – und weiter geht es so: "Dann wird das ganze lackiert mit einem Zaponlack. Zaponlack ist ein farbloser Lack, der speziell als Metallüberzug gedacht ist, das braucht man auch unbedingt, denn wenn Sie Messing haben und langen das nur mit dem Finger an ... der Handschweiß, der greift sofort das Messing an. Und das gibt lauter Punkte dann oder lauter schwarze Flecken, deswegen muss dieser farblose Lack drüber gezogen werden. Das ist eine sehr schwierige Sache, und ich habe jahrelang dafür gebraucht, bis es so funktioniert, wie es heute funktioniert. "
    Handgefertigte Hauben und Tasten aus Plexiglas
    Zum Schluss schraubt er ebenfalls handgefertigte Hauben und Tasten aus Plexiglas auf. Umwerfend edel sehen die Morsetasten aus, fast zu schade für den täglichen Einsatz, um Nachrichten über Kontinente hinweg zu verschicken. Denn das gibt es so immer, sagt Scheunemann: "Die Morsetasten, die ich herstelle, sind ohne jegliche Elektronik, das heißt, es sind reine mechanische Schalter, die entsprechend dann die Information "Schalter offen" oder "Schalter geschlossen" in das Funkgerät reingeben, dort innen drin sitzt so eine Art Tongenerator, der also diese Piepszeichen dann herstellt."
    Scheuneman demonstriert ein Morsezeichen. Diesen Morsecode kennt fast jeder: SOS, am 3. Oktober 1906 auf der Internationalen Funkkonferenz in Berlin als maritimes Notrufzeichen festgelegt und am 10. Juni 1909 von der RMS Slavonia erstmals genutzt, als sie vor den Azoren Schiffbruch erlitt.
    Die Bedeutung "Save Our Souls ("Rettet unsere Seelen") wurde übrigens erst später hineingedichtet – "drei Mal kurz, drei Mal lang, drei Mal kurz" wählten die Funkexperten aus pragmatischen Gründen aus: Der Code ist so einprägsam, dass auch ungeübte Funker den Notruf unter Stress absetzen konnten.
    Bis zu fünf Buchstaben pro Sekunde schaffen geübten Morse-Telegrafisten
    Morsen sei eine robuste Kommunikationsmethode, weit weniger anfällig für Störungen als das Internet – so Scheunemann. Vorausgesetzt natürlich, man kann morsen.
    Ein kurzer Exkurs in die Morsetechnik. Der Funkamateur Horst Schnitzler beschreibt einen sogenannten "QRP", das sei ein "Kleine-Leistungs-Sender", der macht nur CW, also diese kontinuierliche Welle, die nur den An- oder Auszustand kennt."Eine gleichbleibende Frequenz, die eine Morsetaste in kurze und lange Einheiten aufteilt. Beim Empfänger werden diese Einheiten dann in hörbare Töne umgewandelt. Das kurze Signal heißt lautmalerisch Dit, das lange Signal Dah. Und aus "Kurz" und "Lang" setzen sich die Morsebuchstaben zusammen: Einmal kurz, einmal lang gleich A; einmal lang, drei Mal kurz gleich B und so weiter. Damit es nicht zu kompliziert wird, nutzen Funker Abkürzungen. Horst Schnitzler legt nach: "Die Zahl 73 beispielsweise bedeutet "Alles Gute", "Herzlichen Glückwunsch" und ähnliches."
    Bis zu fünf Buchstaben pro Sekunde schaffen geübten Morse-Telegraphisten, Laien hören nur einen Dit- und Dah-Brei. So schnell arbeitet der schwäbische Morsetastenproduzent Uli Scheunemann nicht, im Gegenteil. In seiner Werkstatt geht es gemächlich zu, schon deshalb, weil jede seiner Morsetasten in Handarbeit hergestellt wird, immer nur Kleinserien von 30 Stück, erklärt er: "Meistens sind es Vorbestellungen ins Ausland, das sind 10, 20 Stück. Dann bleiben noch zehn Stück vielleicht übrig."
    Die seien dann für den deutschen Markt bestimmt sind. Preiswerte Tasten kosten 150 Euro, die teuersten 270 Euro. Letztere sind fast zu schön für die tägliche Morsekommunikation, viele landen denn auch in Vitrinen oder auf Schreibtischen – aber bei weitem nicht alle. Die Morsetechnik ist zwar knapp 180 Jahre alt, trotz Digitaltechnik gibt es aber immer noch professionelle Nutzer, freut sich Scheunemann und nennt das Militär als Beispiel: "Es ist so, die Schweiz, wenn die Personal für ihre Funkanlagen ausbilden, die müssen auch morsen können, dasselbe gilt für Marokko, Spanien und ähnliche Länder."
    Erst vor wenigen Tagen hat Uli Scheunemann einem norddeutschen Schiffsausrüster das Angebot über 50 Morsetasten geschickt. Seit 1990 werden in Auenwald bei Stuttgart Morsetasten produziert, einmal hat der Besitzer gewechselt, einmal der Name. Mittlerweile ist die Firma "Scheunemann Morsetasten" Deutschlands größter Hersteller von Morsetasten. Angst vor der Zukunft hat Uli Scheunemann nicht: "Bis 70 werde ich es wohl noch machen, das sind noch sechs Jahre, da sehe ich aber nicht irgendwie Umsatzverluste oder so, im Gegenteil, ich habe eher den Eindruck, das nimmt zu!"