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Motive und Detailausschnitte, die kein Fußballreporter zeigt

Auf Initiative von Team-Manager Oliver Bierhoff hat die Fotografin Regina Schmeken die Spieler der deutschen Fußballnationalmannschaft auf 45 Bildern festgehalten. Die kunstvollen Bilder, derzeit im Martin-Gropius-Bau in Berlin ausgestellt, zeigen die Spieler in ungewöhnlichen Perspektiven.

Von Cornelius Wüllenkemper | 16.10.2012
    Es ist mal wieder typisch: kaum hat einer der deutschen Nationalspieler den Fuß am Ball, geht das Zweifeln los. 3:0 gegen die Färörer Inseln, 2:1 gegen Österreich, 6:1 gegen die unermüdlichen Kämpfer aus Irland – diese Siege, so heißt es, seien ja wohl selbstverständlich! Der sehr oft sehr schlecht gelaunte Bayern-Präsident und Fußball Großpotentat Ulli Hoeneß fordert gar vom Bundestrainer Löw, er müsse der Mannschaft mehr Druck machen, anstatt nur noch darauf zu achten, zu welchen Formel 1 Rennen man noch fahren müsse, damit die Spieler bei Laune gehalten werden, und welche Tischtennisplatte wohin geflogen werden müsse – möglichst noch auf den Mont Blanc Kann es sein, dass die deutsche Nationalelf ein Image-Problem hat?

    "Es ist mir eigentlich egal mittlerweile, wer was über dieses Thema sagt."

    Gibt Joachim Löw zu Protokoll. Welch harten Job unsere Fußball-Jungs wirklich machen, und dass sie dabei manchmal kraftvoll-dynamisch, manchmal aber auch nicht ganz so gut aussehen, das ist ab heute, just als die Elf das WM-Qualifikationsspiel gegen die Schweden in Berlin absolviert, im Martin Gropius-Bau zu sehen. Team-Manager Oliver Bierhoff hatte Regina Schmekens Aufnahmen von Tänzern, Stabhochspringern und Fußballern in einer Münchner Galerie entdeckt und dabei prompt die Idee gehabt, die Fotografin die Spiele der deutschen Elf mit der Kamera begleiten zu lassen. Das Ergebnis?

    "Auch die Mannschaft war begeistert. Sie wären eigentlich auch gerne hier. Aber wir haben ja wie gesagt ein wichtiges Spiel morgen gegen Schweden. Das wollen wir kunstvoll gewinnen!"

    Von wegen zu wenig Druck! Auf den 45 ausgewählten Schwarz-Weiß-Fotos, die Regina Schmeken in fast zwei Jahren und bei 16 Spielen von Düsseldorf bis Kasachstan von den unterschiedlichsten Spielsituationen, Körperhaltungen, Gesichtern, Beinen, Schuhen und geradezu geometrisch anmutenden Konstellationen auf dem Rasen geschossen hat, sieht man, dass es beim Fußball um mehr geht als nur um den Fuß und den Ball.

    "Es ist natürlich keine Ausstellung über Fußball, sondern über bewegte Körper, Hochanspannung, über ein Miteinander, eine Choreografie, die sich vor den Augen des Betrachters abspielt."

    Was wir auf den großformatigen Aufnahmen im Martin Gropius Bau zu sehen bekommen, sind keine spielentscheidenden Situationen, spektakuläre Torschüsse oder gar dramatische Fouls. Dadurch, dass Schmeken ihr Objektiv auf die Motive und Detailausschnitte gerichtet hat, die kein Fußballreporter sonst einer Bemerkung würdigt, entsteht das Besondere ihrer Aufnahmen. Da umspielt im tragischen EM-Spiel Deutschland-Italien Thomas Müllers verbundenes linkes Bein tänzerisch den Ball, Sami Khedira schaut sich nach einer vertanen Torchance enttäuscht auf dem Rasen liegend seine Handinnenfläche an. Was sucht der da? Ob Nachwuchskeeper Ron Robert Zieler den Ball aus dem eigenen Netz holt, ob die Mannschaft nachdenklich Jogi Löws Ansage lauscht. Der Ball, der förmlich an der Hacke eines Spielers zu kleben scheint, Manuel Neuer beim Torabwurf - Oliver Bierhoff ist begeistert:

    "Es werden Momente gerade aufgenommen, wie bei Manuel Neuer, der ja wie so ein Engel da wirkt. Man sieht ja auch bei einigen Bildern die Gesichter verzerrt, oder die Körperhaltung nicht so optimal. Einmal fliegt der Marcel Schmelzer hin. Man hat ja gern was Heldenhaftes für sich, das ist bei einigen Bildern nicht so gegeben. Aber gerade das finde ich ja auch das Spannende, denn das Heldenhafte und das Schöne bekommen wir ja eigentlich jeden Tag in den Zeitungen zu sehen."

    Also keine Fußballbildergalerie, die unsere seit der EM etwas lädierte Nationalmannschaft hochstilisiert. Sie verstehe nichts von Fußball, sagt Regina Schmeken über ihre Bilder, und das glaubt man ihr - gern. Denn sie hebt Momente des Spiels hervor, die wir alle im Stadion oder vor dem Fernseher übersehen.

    "Ich habe natürlich immer mehr Respekt bekommen vor dieser Art der Arbeit und diesem Druck, den sie aushalten. Diese teilweise artistischen Bewegungen, die sie vollführen müssen, um dem Ball hinterherzukommen, die Schnelligkeit, die da ist. Also, dass sie immer im Training sein müssen, dass sie sich konzentrieren müssen, um Erfolg zu haben. Dass sie kommunizieren müssen vor allen Dingen."

    Und da sage noch jemand, dass die deutsche Nationalelf nicht hart genug arbeitet! Wer an Sönke Wortmanns etwas pathetischen Streifen "Deutschland. Ein Sommermärchen" denkt, kann natürlich auch bei Regina Schmekens Fotos schnell eine reine Image-Kampagne des DFB vermuten. So ganz kann sich selbst Team-Manager und Ausstellungs-Initiator Oliver Bierhoff und davon nicht freisprechen:

    "Ich hoffe natürlich, sie beeinflusst das positiv. Das wird jetzt keinen riesen Impact haben können. Das ist mal eine schöne Weise, den Fußball mal anders darzustellen. Aber natürlich müssen wir das große Image auf dem Platz schaffen, und zwar durch gute Leistung. Ohne Arbeit geht’s halt nicht, dass wir da die ganze Leistung bringen. Aber unsere Arbeit wird viel diskutiert!"
    Fußball-Nationalmannschaftsmanager Oliver Bierhoff, die Fotografin Regina Schmeken und Kulturstaatsminister Bernd Neumann bei der Eröffnung von Schmeckens Ausstellung "Unter Spielern - Die Nationalmannschaft".
    Der Manager der DFB-Elf, Oliver Bierhoff, die Fotografin Regina Schmeken und Kulturstaatsminister Bernd Neumann bei der Eröffnung der Ausstellung. (picture alliance / dpa / Ole Spata)