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Motorradfahren als abstrakte Präsenz in der Musik

"Twin Shadow", das Projekt von George Lewis Jr., veröffentlicht sein zweites Album. Eine wichtige Rolle bei der Entstehung der Songs spielte dieses Mal ein Motorrad.

Von Dennis Kastrup | 30.06.2012
    "Ich denke, das Album klingt aufrichtend, weil es selbstbewusster ist."

    Es hat sich viel getan im Leben von Goerge Lewis Jr. seit seinem Debütalbum. Als Eigenbrödler im New Yorker Heimstudio, dem Schlafzimmer, gestartet, zog es ihn danach in die weite Welt hinaus, um dort meistens vor ausverkauften Häusern zu spielen. Der Erfolg diente als Motivationsspritze für den in der Dominikanischen Republik geborenen jungen Mann. Das gewonnene Selbstbewusstsein erlaubte einen weiteren Schritt: den Umzug von New York nach Los Angeles.

    "Es war beim Schreibprozess ein großer Motivationsfaktor, nach Kalifornien zu gehen und eine Auszeit zu nehmen. Sonst habe ich in der Zeit zwischen der Pause und dem Schreiben Filme geschaut und Musik gehört. Jetzt habe ich nichts davon getan. Ich habe mich einfach auf mein Motorrad gesetzt und bin losgefahren. Das Fahren fühlt sich für mich also wie eine abstrakte Präsenz in der Musik an."

    Wenn man "Twin Shadow" auf dem Cover seines neuen Albums posieren sieht, dann merkt man ihm seine Leidenschaft für das Motorrad deutlich an: Wie ein Rocker steht er dort in Lederjacke und mit zurückgekämmten Haar ernst in die Kamera blickend. Man darf durchaus von einer großen Liebe zum motorisierten Zweirad sprechen. Doch diese wurde auf die Probe gestellt. Der Text zu dem Song "Five Seconds" ist entstanden, als er einen gefährlichen Unfall hatte. Ihm ist nichts passiert, die Blockade in seinem Kopf löste sich aber.

    "In deinem Leben fragst du dich ständig, ob du in diesem Leben bleiben willst und ob du damit weitermachen willst, weil es eben so anstrengend sein kann. Es gibt solche Momente und die, wenn ich mein Motorrad fahre und realisiere, wie schön alles ist, wie gerne ich hier bin, Musik machen will, wie glücklich ich über die Menschen bin und wie unglaublich toll die Menschen wirklich sind."

    Auf dem Vorgängeralbum verarbeitete Lewis Jr. in seinen Texten noch die eigene Kindheit. Es drehte sich hauptsächlich um eine bestimmte Person aus früheren Tagen. Das neue Album handelt von vielen unterschiedlichen Menschen, die dem Philanthropen Twin Shadow auf seinen vergangenen Reisen begegnet sind.

    "Musik ermöglicht es mir, anderen Leuten Dinge zu sagen, die ich ihnen nicht unbedingt direkt ins Gesicht sagen kann oder die ich ihnen nicht ins Gesicht sagen will. Meine Lieblingszeile stammt aus dem Song "Alone Again" von der Band "Love". In dem Stück heißt es: "Ich glaube daran, dass Menschen der größte Spaß überhaupt sind!"

    Diesen Spaß hat sich Twin Shadow selbst bereitet, und zwar durch die Zusammenarbeit mit Chris Taylor. Gemeinsam mit dem "Grizzly Bear"-Mitglied nahm er nach seinem Debüt ein Album unter dem Namen "Cant" auf.

    "Das "Cant"- Album war gut, weil es mir viel Raum ermöglichte, herumzuexperimentieren und neue Ideen zu entwickeln. Chris war sehr offen. Als wir an dieser Platte arbeiteten, haben wir einfach ausprobiert. Und am Ende passte es. Es hat mir alles dabei geholfen, Ideen für die Zukunft zu entwickeln. Viele dieser Ideen sind wohl auf dem neuen Album vertreten."

    Das bedeutet: reiferes Songwriting, die Synthesizer verstecken sich, anders als auf "Forget", eher im Hintergrund und die Gitarre übernimmt dieses Mal größtenteils die Protagonistenrolle. Er ist also ein wenig aus dem Wave-Pop herausgewachsen. Schüchterne Anleihen von R´n B schimmern durch. Eine Prise Pop von Prince erzeugt Groove. Und "Run My Heart" klingt an manchen Stellen wie ein Billy-Idol-Song.

    Der Billy Idol Vergleich stört Lewis Jr. nicht. Im Gegenteil: auch Idol war bekannt für Lederjacke und das Spiel mit seinem Image des coolen Bikers.

    "Künstler machen zwei Dinge: Sie leben ihre langweiligen Leben und machen dann ihre ausschweifende Kunst. Für mich stellt auch gute Kleidung eine Möglichkeit dar, Kunst im Leben zu integrieren und etwas Schönes zu erschaffen. Die ultimative Aufgabe aller Künstler ist es wohl, etwas Schönes zu erschaffen, damit die Welt besser wird."

    Auf dem neuen Album "Confess" bekennt sich Twin Shadow, wie der Titel schon verrät, mehr zu seiner Musik und zu seiner Person. Obwohl es einige Ansätze gibt, den Sound zu erweitern, stellt es aber keine allzu große Abkehr vom Gesamtklang des ersten Albums dar. Die musikalischen Neuheiten mischen sich eher subtil unter die weiche Stimme von Lewis Jr. Deshalb wird sich die Aufregung über "Confess" auch in Maßen halten. Das Album hat aber mehr verdient, denn es überzeugt durch versiertes Songwriting und kluge Pop-Momente.