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Mozarts "Betulia liberata" in Frankfurt
Straßenbahndepot mutiert zur Kirche

Bei seiner Inszenierung von Mozarts "Betulia liberata" in Frankfurt hat Regisseur Jan Philipp Gloger das Stück in ein ehemaliges Straßenbahndepot verlegt - und den Ort zur Kirche werden lassen.

Von Jörn Florian Fuchs | 22.06.2017
    Der Theater-Regisseur Jan Philipp Gloger
    Der Theater-Regisseur Jan Philipp Gloger hat für seine Frankfurter Inszenierung ein bestechendes Konzept erarbeitet. (picture alliance / dpa / Daniel Karmann)
    Diese Geschichte ist von alttestamentarischer Wucht und schreit geradezu nach der Bühne. Die israelitische Stadt Betulia wird belagert, doch dank einer mutigen Heldin ist bald Schluss damit. Judith schleicht sich ins feindliche Lager und enthauptet den Chef der Besatzer, Holofernes.
    Daraus kann man große Oper machen, allerdings schuf Mozart ein Oratorium, das in einigen Arien und Chorstücken zwar Kraft entfaltet, dank der langen und eher langweiligen Rezitative aber wenig Spannung bietet. Auch die Erzählperspektive ist problematisch, es wird nämlich brav berichtet, statt mit- oder gegeneinander agiert.
    Ein Säufer lobt den Schöpfer Alkohol
    Jan Philipp Gloger hat für seine Frankfurter Inszenierung ein bestechendes Konzept erarbeitet, gespielt wird im ehemaligen Bockenheimer Straßenbahndepot und dieser Ort mutiert zur Kirche. Dort gibt es Gottesdienst, wird Zweifelnden Mut zugesprochen, singt eine Sterbende gegen ihre Angst an. Auch Religionsunterricht findet statt, ein Säufer lobt den großen Schöpfer Alkohol. Und man erlebt wahre Dramen, wenn etwa die Mutter einer strenggläubigen Familie plötzlich ausbricht, um am Ende doch wieder in den Schoß ihrer Lieben und in den der Kirche zurückzukehren.
    Klug reiht Gloger Mini-Geschichte an Mini-Handlung, die Rezitative sind gestrichen und doch entsteht ein Fluss ohne Unterbrechungen. Neben der Gegenwartsebene erscheinen immer wieder auch historische Bilder und Sujets, Kreuzritter in blutigem Ornat etwa oder eine Fast-Hexenverbrennung. So entsteht ein manchmal feines, manchmal auch brachiales Panoptikum, das sich ganz wunderbar mit der Musik verfugt.
    Bei den Damen überzeugt Ezgi Kutlu
    Titus Engel ist eigentlich Neue-Musik-Spezialist, sein Ausflug ins Mozartfach gelingt perfekt. Kräftig, sämig, zupackend klingt alles, einmal swingt es sogar wie im Jazzclub. Engel kann sich dabei auf die exzellenten Musiker des Frankfurter Opern- und Museumsorchesters verlassen – und auf ein gut zusammen gestelltes Solistenensemble.
    Theo Lebow singt solide die ziemlich ausufernde Tenor-Partie und spielt dabei einen charakterlich sehr vielschichtigen Pfarrer, der sich auch mal mit einer Ex-Geliebten herum schlagen muss. Bei den Damen überzeugt vor allem Ezgi Kutlu mit kämpferischem Mezzo.
    Gierige Investoren erwerben die Kirche
    Am Ende kommt das gesamte Personal aus hundert Minuten und Hunderten von Jahren nochmals auf die Bühne, dann öffnet sich der Raum, Passanten schauen von draußen rein, wir gucken raus, währenddessen erwerben offenbar gierige Investoren die Kirche. Passt, schließlich sind wir ja in Frankfurt und ganz in der Nähe des Bankenviertels...
    Viel Jubel für ein intelligentes, toll umgesetztes Konzept!