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MSV Duisburg
Die Sensation der Bundesliga-Premiere

Die Zebras aus Duisburg sind vor Gründung der Bundesliga keine große Nummer. Doch ausgerechnet der Meidericher Spielverein schafft es ins neu gegründete Oberhaus des deutschen Fußballs. Während deutlich gewichtigere Clubs in die Bedeutungslosigkeit abrutschen, überrascht der MSV alle.

Von Klaas Reese | 21.03.2018
    Ein Zweikampf zwischen einem Frankfurter und einem Spieler vom MSV.
    Erste Bundesliga-Saison, zweiter Spieltag - der MSV schlägt Frankfurt 3:1 (dpa)
    "Der deutsche Fußball hat sich zu einem Wagnis bekannt. Jetzt muss er das Wagnis bestehen", sagt 1963 ein TV-Reporter. Die Gründung der Bundesliga gilt in der deutschen Fußballgeschichte als wichtiger Schritt für die Erfolge von Vereins- und Ländermannschaften.
    Für das Ruhrgebiet bedeutete die Professionalisierung des Sports allerdings einen zentralen Einschnitt, denn von den zuletzt acht Oberligisten der Region, spielten nur drei Mannschaften in der neu gegründeten Liga. Borussia Dortmund, FC Schalke 04 und – etwas überraschend – der Meidericher SV.
    Peter Danzberg, genannt "Pitter" wurde zum Helden von Duisburg als er in der 90. Minute im Oberliga-Lokalderby gegen Hamborn 07 den entscheidenden Treffer erzielt: "Ungefähr aus vierzehn Metern traf ich den Ball volley. Der Ball geht in den Winkel. 90. Minute. Tor. Schlusspfiff aus. Also so etwas hab ich noch nie erlebt. 25.000 auf dem Platz. Ich bin dann in die Kabine gelaufen mit Riesenschritten. Sonst hätte man mich zerrissen. Und montags kam dann das Telegramm: Der Meidericher Spielverein, Vorortverein, Aufnahme in die Bundesliga. Ich muss ganz ehrlich sagen: das hätte keiner von uns erwartet."
    "Ein jeder weiß genau – das ist der M – S – V!"
    Ein TV-Reporter berichtet über diese Sensation: "Hier im Herzen des Ruhrgebiets wuchs der Meidericher Spielverein auf. Seine Spieler nannte man in der Oberliga West – die Zebras. Wegen ihrer quergestreiften Trikots."
    Trikot des Meidericher SV (MSV Duisburg) 1963 im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund
    Trikot des Meidericher SV (MSV Duisburg) 1963 im Deutschen Fußball-Museum in Dortmund (firo Sportphoto)
    Auch der Zebra-Twist, bis heute im Stadion zu hören, greift das auf: "Zebrastreifen weiß und blau. Zebrastreifen weiß und blau. Ein jeder weiß genau – das ist der M – S – V!"
    Und der Vorortverein geht ein Wagnis ein: er engagiert den nur 36 Jahre alten Rudi Gutendorf als Trainer. Gutendorf sagt später: "Und da habe ich natürlich von geträumt, dass ich dabei bin."
    "Meidericher Maurermeister"
    Vor allem die Abwehr nimmt sich Gutendorf vor, erkennt ein Reporter: "Duisburg Meiderich. Hier sorgt ein Mann für Schlagzeilen, der durch seine Defensivtaktik berühmt wird. Der Riegel Rudi."
    Gutendorf nimmt es gelassen: "Ich bin also der Meidericher Maurermeister über den so viel geschimpft wird: Anpfiff. Müller zieht sich sofort zurück. Lotz oder Nolte übernehmen die Aufgabe des Außenläufers. Im entscheidenden Moment, wo wir es ganz schwer haben, zieht sich auch Krämer noch zurück, um hier den Riegel zu vervollständigen. Selbst Rahn kommt zurück! Das war ja eine Weltsensation! Dass wir, dass diese Meidericher das ist ja eine Straßenmannschaft gewesen. Von der B-Jugend an. 'Eia' Krämer, der Versteeg und so weiter. Ich hab dann lediglich den Helmut Rahn noch dazu gekauft. Wir haben zu Hause überhaupt kein Spiel verloren, weil ich ein System installiert habe, das war die Sensation des ersten Bundesligajahres."
    Duisburg wird sensationell Tabellenzweiter in der Premierensaison. Ernst Huberty berichtet: "Schalke hat einen Angstgegner und das ist der Meidericher Spielverein. 25.000 Zuschauer sahen ein hartes Spiel. Hier sind die besten Szenen. Der Rest war Schweigen."
    "Dat datt nur so gekracht hat"
    Johann "Hennes" Sabath spielte damals als MSV-Verteidiger: "Nicht zu hart und nicht zu wenig, also, es war schon genau richtig." Mit einer Mannschaft, die mit "Mann und Maus verteidigt" prägen die Duisburger ein Klischee, dass dem Ruhrgebietsfußball bis heute anhaftet.
    Johann Sabath sagt: "Wir brauchten gar keinen Trainer. Die waren alle so giftig und so knallhart. Die gingen alle so zur Sache. Und fürn Mettbrötchen und ne Tasse Kaffee. Dat is datt wat ich sagen wollte, gingen die zur Sache dat datt nur so gekracht hat. Da ham die sich bald gegenseitig zerfletscht. Und der dicke Rahn hat gesagt: ‚Hab ich noch gar nicht erlebt. Dat sin ja, datt sind ja hier, hömma, als wenn Blitz und Donner einschlägt, wenn ihr da abgeht. Jaaaa, unheimlich!‘"
    Die Meidericher sind wie der VfL Bochum, die SG Wattenscheid 09 oder Rot-Weiß Oberhausen ein Beispiel für Vereine aus dem Ruhrgebiet, die es schaffen als Außenseiter, als Underdog ohne großen finanziellen Background fußballerisch erfolgreich zu sein. Sie geben in einer Zeit wirtschaftlicher Umbrüche, in der Zechen geschlossen und tausende Arbeitsplätze in der Region verloren gehen, ihren Fans den Mut und die Kraft weiter zu machen.