Freitag, 29. März 2024

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Müller will mehr Mittel aus dem Solidaritätszuschlag für das Saarland

Der saarländische Ministerpräsident Peter Müller hat für die mit finanziellen Problemen kämpfenden Bundesländer im Westen vermehrt Mittel aus dem Solidaritätszuschlag eingefordert. Da die Einnahmen aus dem Solidaritätszuschlag in den nächsten Jahren über den Ausgaben für den Solidarpakt lägen, entstünden finanzielle Spielräume, die man nutzen müsse, sagte der CDU-Politiker. Er melde für das Saarland einen Anspruch an.

Moderation: Silvia Engels | 04.10.2007
    Silvia Engels: Es ist eine Forderung, die immer wieder rund um den Tag der Deutschen Einheit aufkommt. Sie lautet, den Solidaritätszuschlag zu reduzieren oder gar abzuschaffen. Die Diskussion kocht seit 1991, als die Abgabe eingeführt wurde, immer wieder hoch. Derzeit macht sie 5,5 Prozent Aufschlag auf die Einkommenssteuer aus. Auch in diesem Jahr folgte die Debatte dem alten Schema. Dieses Mal soll es im Vorstand der Unionsbundestagsfraktion laut einem Bericht des Handelsblattes den Plan geben, den Soli-Zuschlag in der kommenden Legislaturperiode auslaufen zu lassen. Unionsfraktionschef Kauder hat das mittlerweile dementiert. Am Telefon ist nun der Ministerpräsident des Saarlandes Peter Müller, CDU. Guten Morgen!

    Peter Müller: Schönen Guten Morgen!

    Engels: Herr Müller, das Saarland hat bekanntlich mit Strukturschwächen zu kämpfen. Haben Sie da noch Verständnis, wenn die Erträge des Solidaritätszuschlags zumindest teilweise, vor allem in Richtung Osten fließen sollen?

    Müller: Ich glaube, dass der Solidarpakt eine sehr vernünftige, eine sehr richtige Vereinbarung ist, die nicht in Frage gestellt werden sollte. Solidarität gegenüber den neuen Ländern ist ein Stück Notwendigkeit, um die Einheit wirklich voranzutreiben, um die Einheit zu einem vernünftigen Ergebnis zu bringen. Auf der anderen Seite ist es sicherlich so, dass in den kommenden Jahren die Mittel für den Solidarzuschlag höher sein werden, als dasjenige, was wir für den Solidarpakt brauchen. Da entstehen politische Spielräume. Und da sage ich, haben diejenigen Länder, die mit besonderen finanziellen Problemen zu tun haben, die unverschuldet in einer Haushaltsnotlage sind, sicherlich ihrerseits Anspruch auf Solidarität. Den melden wir an. Dadurch wird der Solidarpakt aber nicht in Frage gestellt.

    Engels: Um das noch mal klarzustellen. Der Solidarpakt eine Art verstärkter Finanzausgleich von West Richtung Ost bleibt unangetastet. Aber dieser Aufschlag auf die Einkommenssteuer, der Solidaritätszuschlag, den wollen Sie besser jetzt verteilt wissen, auch für das Saarland zum Beispiel?

    Müller: Der Solidarpakt ist ja so ausgestaltet, dass er degressiv in den nächsten Jahren sein wird. Das heißt, das Aufkommen aus dem Solidarzuschlag wird höher sein, als dasjenige, was wir brauchen, um den Solidarpakt zu finanzieren. Und ich glaube, dass dieser finanzielle Spielraum genutzt werden kann, um Ländern im Westen der Bundesrepublik Deutschland, Haushaltsnotlageländern, wie dies Bremen und das Saarland sind, zu helfen.

    Engels: Das heißt, der volle Solidaritätszuschlag bleibt, aber er soll stärker auch in die Westländer fließen?

    Müller: So ist es.

    Engels: Wird denn der Solidaritätszuschlag je abgeschafft werden?

    Müller: Das ist eine schwierige Frage, da sie sich erkennbar auf die Ewigkeit bezieht. Ich sehe jedenfalls für die Dauer des Solidarpaktes, und das ist bis zum Jahr 2019, die Abschaffung des Solidarzuschlages nicht.

    Engels: Herr Müller, kommen wir noch zu einem anderen Thema. SPD-Parteichef Kurt Beck macht sich für eine längere Bezugsdauer des Arbeitslosengeldes I für ältere Arbeitslose stark. Hat er Ihre Unterstützung?

    Müller: Die saarländische CDU hat auf dem letzten Bundesparteitag der CDU Deutschland gemeinsam mit den Freunden aus Nordrhein-Westfalen einen Antrag eingebracht, der genau dieses zum Gegenstand hat. Ich glaube, dass die Dauer der Zahlung des Arbeitslosengeld I nicht unabhängig sein sollte von der Dauer der Beitragszahlung. Wer lange Solidarität geübt hat, wer lange Beiträge eingezahlt hat, dem sollte entsprechend auch die Leistung der Solidarität dann, wenn er selbst Ansprüche geltend machen kann, über eine längere Frist, über eine längere Dauer gewährt werden. Deshalb bin ich dafür, das Arbeitslosengeld I an die Dauer der Beitragszahlung zu koppeln. Und dann, wenn langjährig eingezahlt worden ist, den Bezug des Arbeitslosengeldes I entsprechend zu verlängern.

    Engels: Sie haben es angesprochen. Es gibt diesen CDU-Parteitagsbeschluss aus dem letzten Jahr und der sieht in der Tat die Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere vor. Aber eben, wie Sie sagen, kostenneutral. Also zu Lasten der Jüngeren. Ist das der Weg?

    Müller: Wir sind ja im Moment in einer Situation, dass wir neue Handlungsspielräume gewonnen haben. Wir haben einen sehr erfreulichen Rückgang der Arbeitslosenzahlen. Wir haben eine steigende Beschäftigung. All das schafft Handlungsspielräume. Ich glaube, dass vor diesem Hintergrund natürlich im Vordergrund stehen muss die Frage der Reduzierung der Beiträge zur Arbeitslosenversicherung. Ich schließe aber nicht aus, wenn es nicht gelingt, ein verträgliches Modell eines verlängerten Bezuges des Arbeitslosengeldes I für die Älteren aufkommensneutral zu schaffen, das wir dann die Regelungen bei den Jüngeren beibehalten und dies entsprechend gegenfinanzieren durch die Handlungsspielräume, die es im Bereich der Arbeitslosenversicherung gibt.

    Engels: Das heißt, dass ALG I für die Älteren verlängern, ohne für die Jüngeren zu kürzen. Genauso wie es Herr Beck will?

    Müller: Ich halte das für eine vernünftige Diskussion, eine richtige Diskussion. Ich habe diese Position für die Union immer schon vertreten. Und ich freue mich, wenn es jetzt offensichtlich auch bei den Sozialdemokraten Überlegungen in diese Richtung gibt. Natürlich muss man das im Einzelnen sich anschauen, muss das auch im Einzelnen rechnen. Aber in der Tendenz geht die Diskussion in die richtige Richtung.

    Engels: Haben Sie denn da für die Mehrheit innerhalb Ihrer Partei, innerhalb der CDU? Denn der Parteitagsbeschluss ist ja nun fast ein Jahr alt. Von Umsetzung ist nichts zu sehen.

    Müller: Er konnte nicht umgesetzt werden, weil der Koalitionspartner nicht bereit war, über diese Fragen zu reden. Das ändert sich jetzt. Und das ist zu begrüßen. Deshalb sehe ich die Chance, dass sich da Bewegung in der Diskussion ergibt. Die Frage nach meinem Dafürhalten mit Blick auf die CDU ist allenfalls die Frage, halten wir ausnahmslos am Postulat der Aufkommensneutralität fest. Oder können wir uns auch da etwas zusätzliche Bewegung vorstellen. Das müsste in der Union noch einmal diskutiert werden.

    Engels: Doch der Wirtschaftsflügel Ihrer Partei, der CDU, hält dagegen, dass man jetzt nicht wieder erneut anfangen sollte, Gelder auszugeben, die Haushaltskonsolidierung müsse Vorrang haben.

    Müller: Natürlich ist die Haushaltskonsolidierung eine vorrangige, eine wichtige Aufgabe. Aber wir reden ja im Moment nicht über Fragen der Haushaltskonsolidierung, sondern wir reden über die Frage, wofür setzen wir das Beitragsaufkommen aus der Arbeitslosenversicherung ein. Das hat mit der Haushaltskonsolidierung nichts zu tun.

    Engels: Kurt Beck hat sich zwar gestern Abend zu den Schritten der Agenda 2010 bekannt. Dennoch will er die Hartz-Reformen in Teilen abmildern. Dieses Beispiel des Arbeitslosengeldes I ist ja bekannt. Unterstützen Sie seinen Kurs grundsätzlich?

    Müller: Ich glaube, dass wir bei der Frage, wie gehen wir mit den Hartz-IV-Reformen um, einfach mittlerweile in einer Situation sind, dass wir erste Erfahrungen haben, dass wir diese Erfahrungen auswerten sollten und dann über Nachjustierungen reden sollten. Es geht nicht um eine generelle Revision. Es geht nicht darum, dieses grundsätzlich infrage zu stellen. Sondern die Frage ist, gibt es einzelne Punkte, an denen das, was wir heute feststellen können, mit dem, was an Zielen angestrebt war, nicht vereinbar ist. Ich will ein Beispiel nennen. Wenn wir heute feststellen, dass die Hartz-IV-Reformen dazu geführt haben, dass die Ansätze im Hartz-IV-Bereich für Kinder, was das Mittagessen anbetrifft, nicht ausreichen, um Schulmittagessen zu bezahlen, dann ist das ein Missstand. Und dann muss man darüber reden, wie man den beseitigen kann.

    Engels: Das klingt alles sehr nach sozialen Themen, die sie in den Vordergrund rücken wollen. Ist das schon eine Antwort auf den möglichen Spitzenkandidaten der Linkspartei, Oskar Lafontaine, bei Ihnen im Saarland?

    Müller: Also damit hat das nun wirklich überhaupt nichts zu tun. Oskar Lafontaine hat erklärt, er wolle im Saarland Ministerpräsident werden. Das kann nur jemand glauben, der sich die Hose mit der Kneifzange zumacht. Und deshalb ist das für mich wenig relevant. Entscheidend ist die Frage, wie geben wir die richtigen Antworten auf die Herausforderungen, vor denen wir stehen. Und welche Bilanz ziehen wir mit Blick auf Hartz IV. Welchen Veränderungsbedarf sehen wir. Das ist eine sachliche Debatte und keine parteipolitische.

    Engels: Peter Müller, Ministerpräsident des Saarlandes von der CDU. Ich bedanke mich für das Gespräch!