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Müllvermeidung
Abschied von der kostenlosen Plastiktüte

Die Bundesregierung will den enormen Verbrauch an Plastiktüten einschränken. Denn der Durchschnittsbürger in Deutschland verwendet jedes Jahr rund 70 Stück. Eine freiwillige Selbstverpflichtung des Handels soll die Tütenflut eindämmen, doch ob die wirkt, ist umstritten. Immerhin wollen viele Händler künftig Geld für Beutel nehmen.

Von Dieter Nürnberger | 31.03.2016
    Plastiktüten in verschiedenen Farben liegen auf einer grünen Wiese
    Viele Tüten landen nach dem Gebrauch in der Natur. (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    "Ja, weg mit den Dingern. Bei mir wird jede Plastiktüte mindestens zweimal gebraucht. Wenn sie aber wegfallen, ist das auch in Ordnung. Da halte ich nicht viel davon. Mehrwegtüten sind ja eigentlich die besten - aus Jute oder aus Stoff."
    Glaubt man Meinungsumfragen dann dürfte den Deutschen der Abschied von der kostenlosen Plastiktüte nicht allzu schwer fallen. Rund 80 Prozent finden es in Ordnung, wenn künftig immer mehr Geschäfte Geld für die Kunststofftaschen nehmen. Ab dem morgigen 1. April will der Einzelhandel Ernst machen - in einer freiwilligen Vereinbarung soll die Zahl der gratis angebotenen Plastiktüten deutlich reduziert werden. Was in Deutschland bislang an Supermarktkassen schon Gang und Gäbe war, soll nun beispielsweise auch auf Elektronik- und Baumärkte oder Boutiquen ausgeweitet werden. Kai Falk ist Sprecher des Handelsverbandes Deutschland HDE:
    "Die Vereinbarung sieht vor, dass wir lediglich die sogenannten Hemdchen-Beutel ausnehmen. Die gibt es vor allem in den Obst- und Gemüseabteilungen der Supermärkte. Da können auch Fleisch und Wurst oder andere Frischwaren reinkommen. Wir denken, dass allein aus hygienischen Gründen diese Verpackung notwendig ist. Alle anderen Tüten sollen kostenpflichtig werden."
    Kein flächendeckender Einführungstermin
    Den Geschäften wird es freigestellt sein, wie viel sie für eine Plastiktüte verlangen - der Betrag dürfte zwischen 10 und 50 Cent liegen. Allerdings ist der 1. April kein flächendeckender Einführungstermin, wie vom Handelsverband vor Wochen angekündigt. Denn die freiwillige Vereinbarung ist vom Bundesumweltministerium noch nicht endgültig abgesegnet worden. Hintergrund ist eine EU-Vorgabe, wonach der jährliche Pro-Kopf-Verbrauch von Kunststofftüten bis 2025 auf 40 Tüten sinken soll. Derzeit sind es rund 70 je Einwohner in Deutschland. Eine nationale Regelung ist somit notwendig, wie Umweltministerin Barbara Hendricks betont. Die Verhandlungen sollen in Kürze beendet sein.
    "Wir sind mit den Handelsverbänden auf gutem Weg. Ich habe aber zugleich auch angekündigt: Wenn wir das nicht schaffen, dann machen wir es durch eine Verordnung."
    Der Handelsverband geht davon aus, dass durch die freiwillige Vereinbarung schon bald 60 Prozent der ausgegebenen Tüten in Deutschland bezahlt werden müssen, täglich signalisierten Unternehmen, dass auch sie mitmachen wollten. Allerdings nicht alle. Die Bäckereien beispielsweise werden nicht dabei sein, so Daniel Schneider, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Bäckerhandwerks:
    "Das Ziel als solches ist auf jeden Fall unterstützenswert. Wir haben allerdings Probleme mit der nun vom HDE vorgelegten Selbstverpflichtungserklärung. Jede kleine Filiale müsste erfassen, wie viele Plastiktüten sie abgibt - und das halten wir für unsere Kleinstrukturen einfach nicht für machbar."
    Kritik von Greenpeace
    Während der Dachverband der Bäckereien vor allem eine zunehmende Bürokratie bemängelt, haben Umweltverbände ganz andere Bauchschmerzen: Greenpeace beispielsweise hält nicht viel von der angestrebten freiwilligen Vereinbarung. Man verweist auf ein Komplettverbot der Plastiktüte in Ländern wie Italien. Nur so ließen sich die rund sechs Milliarden in Deutschland jährlich ausgegebenen Plastiktüten wirklich reduzieren. Auch der Naturschutzbund Deutschland bewertet die Regelung wenig euphorisch. Grundsätzlich hätte Nabu-Abfallexpertin Katharina Istel eine gesetzliche Regelung - ob nun Verbot oder Zwangsgebühr für jede Tüte - besser gefunden:
    "Weil jetzt viele Branchen nicht dabei sind. Nämlich jene, die nach unserer Meinung auch dafür verantwortlich sind, dass zu viele Tüten in der Natur landen. Beispielsweise Kioske, Imbisse und Bäckereien. Diese To-Go-Industrie wird bei der Vereinbarung ja nicht berücksichtigt. Gleichzeitig wissen wir aber auch, dass eine gesetzliche Lösung natürlich sehr viel länger dauern würde. Deswegen stehen wir der Vereinbarung jetzt nicht grundsätzlich negativ gegenüber."
    Papiertüte als Alternative umstritten
    Zugleich warnt die Expertin des Naturschutzbundes davor, nun einfach die Plastiktüte durch eine Papiertüte zu ersetzen. Denn diese hätten keine bessere Ökobilanz. Bei der Produktion wird sehr viel Wasser und Energie verbraucht.
    Am effizientesten sei es, eine Tüte oder einen Beutel stets dabei zu haben:
    "Eigentlich ist es ganz egal, welche Tasche oder Tüte sie benutzen. Hauptsache, sie benutzen sie so oft wie es geht. Also die Ökobilanz ist von dem Produkt am besten, welches sie am meisten benutzen."