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Münchener Initiative
Kunst und Kultur gegen Rechtspopulismus

Bei der bevorstehenden Kommunalwahl in Bayern treten zahlreiche rechtsgerichtete Organisationen in Form von Bürgerinitiativen an. Mit einer Veranstaltungsreihe wollen Münchner Kunst- und Kulturinstitutionen den Rechtspopulisten das Wasser abgraben - doch einfach ist das Vorhaben der Initiative nicht.

Von Susanne Lettenbauer | 16.01.2014
    "Wer betrügt der fliegt, ja? So hat das neue Jahr begonnen. Wenn die CSU schon vor 1500 Jahren regiert hätte, dann wären die Bajuwaren gar nicht nach Bayern reingekommen."
    Willkommen im Migrantenstadl! München feiert "Mia san mia" und mitten drin feiern die Migranten. Wunschdenken? Nicht auf der Bühne des Residenztheaters. Da blödeln "Wir" und "die Anderen" gemeinsam um die Wette, saufen eine Maß auf Ex, essen echte Döner bis zum Abwinken.
    Das Thema Migration muss nicht anöden, wie viele Jugendliche heute meinen, das Thema Rassismus kann spontan Schauspieler und Publikum zusammenbringen - wie bei dieser kurzfristig Leseperformance gestern Abend. Kunst schafft Kultur schafft Respekt. Für Intendant Martin Kusej deshalb eine Selbstverständlichkeit, die neue Münchner Initiative anzuführen:
    "Wir sind ja grundsätzlich Initiatoren der Geschichte, weil wir schon vor anderthalb Jahren geplant hatten, zu den NSU-Morden eine Produktion zu machen. Das ist jetzt topaktuell geworden. Ich denke, dass wir insofern schon geahnt haben, dass es passieren wird."
    Zeit zu handeln
    Rassismus, Rechtspopulismus - das scheint in München, Bayern, Deutschland, Europa nicht dringend auf der Tagesordnung zu stehen. Nicht dringend, aber desto unterschwelliger, sagt Oberbürgermeister Christian Ude. Unter dem Deckmäntelchen von Bürgerinitiativen treten zahlreiche rechtsgerichtete Organisationen bei der bevorstehenden Kommunalwahl an. Für Ude Zeit zu handeln:
    "Derzeit treten die Rechtspopulisten in München auch nicht an mit einem wahrheitsgemäßen Programm, wie sie die Religionsfreiheit beschneiden wollen, sondern sie schüren Angst vor einer Großmoschee, die in Wahrheit überhaupt nicht geplant ist, die angeblich am Stachus geschehen soll. Da gibt es viele Bürger, die darauf reinfallen."
    "Meine Migrationsbiografie ist eine Manie, ich verfolge sie und sie verfolgt mich."
    Das beste Beispiel sei Holland, sagt der gebürtige Kammerspielchef Johan Simons. Noch in den 1980er Jahren gehörte seine Heimat zu den tolerantesten Ländern Europas. Längst ist es anders:
    "Eins auf fünf, glaube ich, in Holland wählen den PVV, die Partei von Geert Wilders, ein Rechtsextremist, ein Rechtspopulist, und wie man sieht wie in 15 Jahren sich das ganz gedreht hat, das ist eine Tendenz. Man kann nicht früh genug damit anfangen, das zu bekämpfen."
    Nicht über Migration sprechen
    Volkstheater-Intendant Christian Stückl weiß, wie genervt viele Leute auf das Thema reagieren:
    "Ich finde es einen ganz schön schwierigen Punkt. Also ich setze mich seit Langem mit Antijudaismus auseinander und merkt dann irgendwie so: Die Leute sind genervt. Ich muss es trotzdem machen. Das ist eine ganz persönliche Geschichte, dass ich sage, ich mache es trotzdem und wenn sie noch so genervt sind von dem Thema."
    Sein Ansatz: Nicht über die Migration sprechen, nicht Lesungen über Migranten organisieren, sondern den Menschen selbst eine Plattform zu geben:
    "Also ich glaub, dass es ganz wichtiger Punkt ist, dass wir erst einmal als allererstes den Menschen, die da Kunst machen wollen und so einen Hintergrund haben, dass wir denen den Platz geben, dass sie selber ihre Geschichten erzählen können."
    Einfach ist das Vorhaben der neuen Münchner Initiative nicht. Die NSU-Produktion am Münchner Residenztheater, geplante Uraufführung im April, kämpft mit dem Misstrauen der Opferfamilien. Sich als Theatergeschichte auf einer Bühne wieder zu finden - für Migranten ein zwiespältiges Thema.