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Münchener Lenbachhaus
Geschichte einer Freundschaft - Klee und Kandinsky

Paul Klee und Wassily Kandinsky zählen zu den führenden Vertretern der Klassischen Moderne und haben wichtige Künstlergruppen wie den Blauen Reiter und das Bauhaus geprägt. Darüber hinaus verband sie auch eine Freundschaft. Die Ausstellung "Klee und Kandinsky - Nachbarn, Freunde, Konkurrenten" erzählt in Bildern die Geschichte ihrer Verbindung.

Von Julian Ignatowitsch | 21.10.2015
    Es gibt dieses Foto: Paul Klee und Wassily Kandinsky - in Schwarz-weiß, leicht verwackelt. An der französischen Küste posieren sie auf einem kleinen Felsvorsprung. Kandinsky im Anzug mit Krawatte, Klee hat den Mantel wie eine Toga übergeworfen. Die linke packt die linke und die rechte die rechte Hand. Wie Goethe und Schiller, das berühmte Denkmal in Weimar, eine Künstlerfreundschaft.
    Natürlich steckt auch eine Portion Ironie in dieser Aufnahme. Viel mehr aber: Dieses Spiel aus Nähe und Distanz, beide blicken stolz in die Kamera, scheinen ihr Gegenüber nicht wahrzunehmen und doch ist der Händedruck innig, als würden sie sich nicht mehr loslassen wollen.
    "Nachbarn, Freunde, Konkurrenten" heißt der Untertitel der Ausstellung. Dieses Foto, direkt am Eingang in Großformat zu sehen, es bringt diese Aspekte gleich zum Ausdruck.
    Man muss sich erst einmal zurechtfinden in dieser opulenten Schau. Über 40 Jahre Schaffenszeit zweier Künstlergrößen des 20. Jahrhunderts, auf gut 1.400 Quadratmetern werden knapp 200 Gemälde ausgestellt. Nebenbei werden Leben und Bekanntschaft von Klee und Kandinsky erforscht. Die Einordnung ist nicht immer leicht und an manchen Stellen hätte man sich eine klarere Schwerpunktsetzung und Gegenüberstellung in Bezug auf die Bilder gewünscht.
    Besuchern seien deshalb schon mal die täglichen, kostenfreien Führungen empfohlen. Man braucht Zeit und Hintergrundwissen, dann erschließen sich die vielen Querpfade.
    Der Aufbau ist streng chronologisch. Vom Kennenlernen der beiden Künstler in München und der Zeit des Blauen Reiter über die Jahre am Bauhaus in Weimar und Dessau bis hin zur Emigration nach der NS-Machtübernahme.
    1901 sind Kandinsky und Klee Schüler in der Malerklasse Franz von Stucks, Kandinsky malt idealisierte Naturlandschaften, Klee ist bis dato nur Grafiker mit einem Hang zum Ironischen. Erst 1911 werden die beiden einander vorgestellt, schon zu dieser Zeit sind sie Nachbarn erzählt Kuratorin Annegret Hoberg.
    "In der Ainmillerstraße in Schwabing, da hat Klee in der Ainmillerstr. 32 gewohnt und Kandinsky in der Hausnummer 36. Und die Hausnummer 36 kennen wir gut durch die Fotos von Münter auf dem Balkon der Ainmillerstraße, das war beides das Rückgebäude, wo auch Mitglieder des Blauen Reiter zu sehen sind. Aber beide Häuser sind im Krieg zerstört worden."
    Während Kandinsky als Initiator des Blauen Reiter mit Farbe und Abstraktion experimentiert, entwickelt sich der 13 Jahre jüngere Klee von einem Mitarbeiter zu einem eigenständigen Mitglied der Künstlergruppe.
    Im Ersten Weltkrieg trennen sich die Wege, dann werden beide Anfang der 20er-Jahre als Lehrer ans Bauhaus in Weimar berufen. Der Jüngere hat den Älteren mittlerweile im öffentlichen Renommee eingeholt. Stilistisch trifft Klees geheimnisvolle, kindliche und kubistisch beeinflusste Malerei mehr den Nerv der Zeit als Kandinskys Formstrenge, geometrisch geglättete Bildsprache. Ende der 20er-Jahre nach dem Umzug nach Dessau sind Klee und Kandinsky dann wieder Nachbarn, der künstlerische Austausch ist jetzt so groß wie nie:
    "Diese berühmt gewordenen Meisterhäuser, diese Doppelhäuser, die Gropius, der Architekt des Bauhauses, für die Künstler gebaut hat. Da haben Kandinsky und Klee in enger Nachbarschaft gewohnt. In Dessau hatten sie das Atelier Wand an Wand und waren Meister am Bauhaus und hatten die freien Malklassen. Da ist der Austausch ganz klar zu sehen, formal und motivisch."
    Die Ausstellung zeigt die neu gewonnene Nähe anhand von nebeneinander gehängten Aquarellen, die jeweils mit der gleichen Spritztechnik gefertigt wurden. Die Parallelen bei Bildern wie "Disput", "Kreuzform", "Flug" oder "Sechs Arten" sind erstaunlich. Teilweise vermag man, die Künstler hier gar nicht voneinander zu trennen, jeder erweitert sein Werk um Facetten des anderen. Und daneben – auf einem Foto – sitzen Klee und Kandinsky teetrinkend auf der Terrasse und amüsieren sich prächtig. Dieses waren wohl die freundschaftlichsten Jahre bevor Kandinsky 1933 nach Paris und Klee ein Jahr später nach Bern emigrieren muss.
    Das Spätwerk beider - sonst viel zu selten, hier sehr umfangreich gezeigt - ist der heimliche Höhepunkt der Ausstellung. Klee mit starkem Strich und ungewohnt großen Formaten: Ein Bild wie "Vorhaben" erinnert fast schon an Street Art; Kandinsky fantasievoll, farbenfroh und vielleicht so ungezwungen wie nie zuvor.
    Einmal sind sich die beiden Künstler noch begegnet: 1937, als Kandinsky in Bern ausstellt. Klee ist zu dieser Zeit schon schwer krank. Den letzten Brief richtet er ausgerechnet an Kandinskys Frau Nina: "Ein großes Ereignis", schreibt er über die Berner Ausstellung. "Für mich und für Kandinskys Kunst."