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Münkler-Watch
Offene Diskussion scheint kaum mehr möglich

Herfried Münkler zählt zu den bekanntesten Politologen in Deutschland. Seit einiger Zeit ist er auch Zielscheibe scharfer Kritik. Eine Gruppe von Studierenden hat Münkler in ihrem Blog ins Visier genommen und wirft ihm Rassismus vor. Inzwischen haben sich die Fronten verhärtet.

Von Susanne Arlt | 26.05.2015
    Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin.
    In der Kritik: Herfried Münkler, Professor für Politikwissenschaften an der Humboldt Universität Berlin. (imago/IPON)
    Es ist nicht das erste Mal, dass ein renommierter Professor an der Humboldt-Uni öffentlich an den Pranger gestellt wird. Im vergangenen Jahr hatten Studierende gegen Jörg Baberowski gewettert. Der Professor für osteuropäische Geschichte geriere sich als Kolonialist, fanden manche Studierende und warfen ihm darum Herrschaftsdenken vor. Damals geriet auch der Politikwissenschaftler Herfried Münkler in das Visier einiger Studierenden. Die Fronten haben sich inzwischen verhärtet. Denn durch den vor wenigen Wochen eingerichteten Internet-Blog mit dem Namen Münkler-Watch scheinen die Umgangsformen an der Humboldt-Uni eine neue Form der Debattenkultur erreicht zu haben. Ein unschöne, wie viele finden. Von Woche zu Woche bloggt eine Handvoll Studierende im Internet über seine Vorlesung "Politische Theorie und Ideengeschichte" und werfen ihm vor, er habe sich dort rassistisch, militaristisch und sexistisch geäußert. Ihre Anschuldigungen machen sie immer anonym - unter dem Hinweis, dass das Vertreten einer Meinung heutzutage leider nicht sehr karrierefördernd sei. Was Lukas, Student im zweiten Semester, der seinen vollen Namen lieber nicht nennen möchte, nachvollziehen kann.
    "Ich glaube, es ist einfach ein Versuch, diese Macht, die er hat zu brechen. Und ich kann mir vorstellen, dass diese Studierenden, die diesen Blog veröffentlichen, es auch lieber hätten, dass es irgendwie ein Kolloquium oder eine Kultur am Institut gibt, wo man sich anders damit auseinandersetzen kann. Aber ich glaube, Herr Münkler ist in so einer Position, das ist schwer ranzukommen, er steht auf einem relativ hohen Podest so."
    Herfried Münkler hatte am Anfang noch betont, er lehne Nachfragen zu seiner Vorlesung ab, dazu seien die Tutorien da. Inzwischen bot er den Bloggern an, doch direkt mit ihm in den Dialog zu treten. Das aber lehnen die anonymen Schreiber nach wie vor ab.
    HU-Präsident fordert Bereitschaft zum Dialog von beiden Seiten
    Von der Hochschulleitung wünscht sich Münkler, dass sie ihn in dieser Debatte unterstütze. Das sei auch passiert, erwidert Jan-Henrik Olbertz, Präsident an der Humboldt-Uni. Man habe interveniert, weil die Form, in denen diese Meinungsunterschiede ausgetragen würden, die guten Regeln wissenschaftlicher Praxis verletzten. Ihn aber interessiert vielmehr das Phänomen dieser Debatte. Das Austragen von Meinungsunterschieden in einer digitalen Welt scheint sich zu verändern, glaubt der Präsident und appelliert darum an beide Seiten:
    "Eigentlich muss ein Beitrag von beiden Seiten kommen. Repressionsfreiheit den Studierenden gegenüber, was die Professoren anbelangt. Auf der anderen Seite eben auch die Bereitschaft zuzuhören und anzuerkennen, dass man es mit Lehrenden zu tun hat, die in der Tat ein wesentlich höheres Wissen und Erfahrung haben. Und deswegen trifft man doch auch aufeinander an einer Universität, dass gelernt werden kann. Und dann muss die Verabredung noch lauten, selbstverständlich können auch Lehrende irren."
    Diese Selbstverständlichkeiten müsse man wieder deutlich machen, hebt er hervor. Olbertz stellt zudem eine Unerbittlichkeit und Unfähigkeit an der Hochschule fest, von der eigenen Position auch mal zurückzutreten. Man müsse sich fragen, woher diese Entwicklung kommt, sagt der HU-Präsident und wünscht sich eine wissenschaftliche Betrachtung dieses Phänomens.
    Alte Debatten in neuer Form
    Joachim Trebbe, Professor für Publizistik- und Kommunikationswissenschaft an der FU Berlin, glaubt nicht, dass diese anonyme Auseinandersetzung im Internet eine Generationenfrage sei oder eine neue Form der Debatte.
    "Im Grunde sind das Kommunikationsstrategien, die gab es schon bei den Liberalen im 19. Jahrhundert und bei den 68ern und Anfang der 70er-Jahre, dass man versucht, Kommunikationsrollen, Vorschriften zu brechen, und das fällt einem jetzt halt leichter. 68 haben die sich halt in der Masse versteckt. Die haben Sit-ins und Go-ins und Demonstrationen, Blockaden gemacht und so weiter. Das fällt jetzt leichter, weil man sich sozusagen nicht mehr in der Masse verstecken muss, sondern weil man sich digital verstecken kann.
    Und die Sache selbst, eine kommunikative Regel zu brechen oder gegen eine funktionale Institution oder gegen eine mit Reputation oder Autorität ausgestattete Institution anzugehen, das ist eigentlich das Gleiche."
    Die Kommunikationsart werde dadurch jedenfalls nicht relevant verändert, meint Trebbe. Nur würden durch diese digitale, schnelle Kommunikation die Extreme überbetont. Minderheiten bekommen leichter Gehör, weil es leichter ist, im Internet, in der digitalen Publizität zu skandalisieren, zu diffamieren und zu beleidigen. Aber eines hat das Internet eben auch gemein: So schnell wie die Dinge dort entstehen, so schnell ebben sie auch wieder ab.