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Mützenich: Sanktionen gegen Iran wirken bereits

Der SPD-Politiker Rolf Mützenich hält im Atomstreit mit dem Iran Verhandlungen weiter für das Gebot der Stunde. "Es gibt Kompromisslinien, die die Weltgemeinschaft auch nutzen sollte", sagte der Bundestagsabgeordnete.

Moderation: Stefan Heinlein | 10.04.2007
    Stefan Heinlein: Zu uns ins Studio gekommen ist der SPD-Bundestagsabgeordnete Rolf Mützenich. Er ist Mitglied im Auswärtigen Ausschuss und Nahost-Experte seiner Fraktion. Guten Tag, Herr Mützenich!

    Rolf Mützenich: Guten Tag, Herr Heinlein!

    Heinlein: Im Weltsicherheitsrat stramm auf Sanktionskurs, im bilateralen Verhältnis zu Teheran, wie gehört gerade, bedacht auf die eigenen Interessen. Spielt Russland ein doppeltes Spiel in diesem Konflikt?

    Mützenich: Nun, auf jeden Fall ist es immer hin- und hergerissen zwischen der unmittelbaren Nachbarschaft zum Iran und auf der anderen Seite als ständiges Sicherheitsratsmitglied, und es ist schon ernst zu nehmen, wenn jemand, der offensichtlich auf der Liste des neuen Sicherheitsratsbeschlusses ist, sich tagelang in Russland aufhält. Auf der anderen Seite muss man natürlich sagen, auch die USA haben es gegenüber Nordkorea, die ja offensichtlich Waffen an Äthiopien trotz Sicherheitsratsresolution geliefert haben, haben auch die USA den damaligen Sicherheitsratsbeschluss nicht ernst genommen. Da sind die ständigen Mitglieder gefragt, und nicht nur im Fall Irans.

    Heinlein: Welchen Einfluss hat denn der Kreml durch diese unmittelbare Nachbarschaft zum Iran und die Zusammenarbeit gerade im atomaren Gebiet in der Vergangenheit auf die Führung in Teheran?

    Mützenich: Nun, ich glaube, es kommt natürlich insbesondere auf Russland an, auch weil sie ja das Kernkraftwerk Buschehr offensichtlich endgültig fertigstellen sollen, und natürlich verbindet auch den Iran mit Russland eine intensive Geschichte, eine sehr widersprüchliche Geschichte. Und Russland will aber auf der anderen Seite mit Sicherheit kein Iran, was über Atomraketen verfügt, weil es natürlich auch eine Drohung für Russland selbst wäre.

    Heinlein: Von russischer Seite heißt es ja jetzt, dieser Durchbruch, der vom Iran angekündigt wurde, sei gar nicht der Fall. Wer hat denn nun Recht?

    Mützenich: Na, das ist ja nicht nur eine russische Interpretation, sondern auch die Internationale Atomenergiebehörde, die hoffentlich in der nächsten Woche zu neuen Inspektionen in den Iran aufbrechen kann, sagt ja, dass zurzeit das Ausmaß der Uran-Anreicherung nicht so ist, wie offensichtlich Iran es gern hätte. Wir waren schon immer davor besorgt gewesen, dass diese 30.000 Zentrifugen in Natans irgendwann aufgebaut werden sollen. Ob sie so funktionieren, wie gestern Laridschani und auch Ahmadinedschad behauptet haben, das muss doch sehr stark bezweifelt werden.

    Heinlein: Was steckt dann hinter der Ankündigung des Präsidenten, wenn es nicht durch die Tatsachen gedeckt ist? Will er bewusst provozieren, oder was steckt dahinter?

    Mützenich: Also ich glaube, dass Ahmadinedschad durchaus ein Provokateur ist, auf jeden Fall. Aber er muss natürlich auch die nationale Linie im Iran beachten, und die besagt, dass man natürlich nicht alle internationalen Kontakte abbrechen will. Gestern war ein Freudentag aus der iranischen Sicht im Hinblick auf diese Atomfrage, weil es sich um einen so genannten Atomtag gehandelt hat. Da werden immer Ankündigungen gemacht, die waren nicht neu gewesen, wie gesagt, sie waren auch im letzten Jahr immer wieder mal in der Presse gewesen. Aber der Punkt ist schon, Ahmadinedschad möchte keinen Kompromiss in dieser Situation haben im Gegensatz zu anderen Gruppen in Iran.

    Heinlein: Kann er sich einen Kompromiss überhaupt leisten, ohne sein Gesicht zu verlieren, wenn er denn auf die Sanktionen reagieren würde durch ein Einlenken?

    Mützenich: Er persönlich nicht mehr, das glaube ich nicht. Andere Kräfte im Iran schon, aber auf der anderen Seite wird Ahmadinedschad nicht das letzte Wort haben. Das wird der religiöse Führer haben, er hat unterschiedliche Berater an dieser Stelle, und es ist wichtig, auf diese gemäßigten Kräfte weiterhin einzuwirken, und auch zum Beispiel der Verhandlungsführer Laridschani macht ja sehr widersprüchliche Angaben. Auf der einen Seite kündigt er an, möglicherweise aus dem Atomwaffensperrvertrag auszusteigen, und auf der anderen Seite beharrt er darauf, zumindest die Uran-Anreicherung zu wissenschaftlichen Zwecken fortzusetzen. Also ich denke, es gibt Kompromisslinien, die die Weltgemeinschaft auch nutzen sollte.

    Heinlein: Wir haben es gehört: Bei den Vereinten Nationen und in den USA eher besonnene Reaktionen, verhaltene Reaktionen. In Deutschland selbst gibt es aber laute Töne. Ihr CDU-Kollege Eckart von Klaeden fordert, dass jetzt ein Raketenabwehrschild aufgebaut werden müsse, weil die iranische Bedrohung so groß sei. Wie sinnvoll ist dieser Vorschlag?

    Mützenich: Also ich denke schon, man muss die iranische Ankündigung ernst nehmen, aber man darf natürlich auch die Leute nicht verrückt machen. Es geht zum jetzigen Zeitpunkt eben nicht um die iranischen Raketen, die europäisches Territorium, insbesondere Deutschland, nicht herausfordern können. Da ist vielmehr Russland letztlich in der Reichweite, aber der Punkt ist, wir sollten mäßigend eigentlich versuchen auf die Verhandlungen einzuwirken, und bisher war ja diese Einigkeit, die im Sicherheitsrat bestanden hat, durchaus ein wichtiges Druckmittel gegenüber dem Iran, und deswegen sollte man vor solch lauten Tönen, wie mein Kollege sie jetzt geäußert hat, ein bisschen Abstand nehmen. Ich glaube, die Bundesregierung und der Außenminister haben eine Menge dafür getan, dass die Einigkeit im Weltsicherheitsrat eben zustande gekommen ist.

    Heinlein: Das heißt unter dem Strich, Fortsetzung der Diplomatie mit Blick auf den Iran, aber flankiert von Sanktionen?

    Mützenich: Auf jeden Fall, und ich glaube, die Sanktionen wirken bereits, weil es geht nicht nur um die Sanktionen, die der Sicherheitsratsbeschluss gemacht hat, sondern es gibt ja auch Sanktionen, die bereits vorsorglich wirken. Viele deutsche Firmen haben sich aus dem Iran zurückgezogen, auch europäische Firmen, die ihre Büros dort abgeschlossen haben, und der Iran hat schon Schwierigkeiten auf Grund des Sicherheitsratsbeschlusses.

    Heinlein: Heute Mittag im Studio des Deutschlandfunks war der SPD-Nahostexperte Rolf Mützenich. Herr Mützenich, vieln Dank fürs Kommen.

    Mützenich: Vielen Dank für die Einladung.