Samstag, 20. April 2024

Archiv

Multikultureller Kennenlernabend
Konzert für Flüchtlinge

Seit Monaten kommen täglich Tausende Menschen nach Deutschland, die hier Schutz suchen. Einer der Ehrenamtlichen, der sich engagiert, ist der 18-jährige Gymnasiast Sebastian Sammek. Er organisierte mit seinen Mitschülern das Projekt "Refugees Welcome On Stage" und holte dafür Hobbymusiker und Künstler aus Syrien, Nigeria, Bangladesch auf die Bühne.

Von Charlotte Schulze | 22.12.2015
    Die Bühne ist in ein blaues Licht getaucht. Sie ist fast leer. Nur in der Mitte sitzen die Brüder Mahmut und Ethan Osso auf zwei Stühlen. Mahmut Osso zupft an einem Instrument, das er mit dem rechten Knie stützt. Es ist eine Saz-Baglama - ein kurdisches Zupfinstrument. Es sieht aus wie eine Gitarre mit rundem Bauch und sieben Saiten. Mahmut Osso singt ein Lied aus seiner Heimat. Eine Stadt im Nordosten Syriens. Eine Heimat, die durch die Musik in der Aula einer Kölner Schule plötzlich wieder nah ist. Ethan begleitet seinen Bruder auf der Trommel und erzählt, warum sie bei dem Projekt mitmachen.
    Ethan Osso:"Obwohl wir nicht gut Deutsch sprechen, durch die Musik können wir ihnen erzählen, wo wir herkommen und was unsere Traditionen sind. Denn manche Menschen haben Angst davor, mit uns in Kontakt zu kommen. Das sehe ich in ihren Augen. Wir wollen den Deutschen zeigen, dass wir keine schlechten Menschen sind, die aus dem Krieg kommen. Wir sind gute Menschen, haben eine Ausbildung. Wir wollen gemeinsam für die Zukunft arbeiten".
    Viele kennen Flüchtlinge nur aus dem Fernsehen
    Organisiert hat das Projekt Sebastian Sammeck. Vor drei Monaten hatte der Gymnasiast die Idee, Flüchtlinge und Deutsche einander näher zu bringen, durch Musik. Schon beim Proben sind sich Schüler und Musiker näher gekommen.
    Sebastian Sammeck: "Viele Leute kennen Flüchtlinge nur aus dem Fernsehen. Es ist einfach mal sehr hilfreich für die deutschen Leute, deren Kultur kennenzulernen, deren Art. Weil ich glaube, wenn man merkt, dass das ganz normale Menschen sind, dann nennt man die auch nicht mehr Flüchtlinge."
    Die Idee ist simpel. Aber das Vorhaben umzusetzen, war alles andere als leicht. Sebastian Sammeck musste erst einmal in Flüchtlingsunterkünften Künstler finden. Außerdem gründete er den Verein "Musikbrücke", unter dessen Dach alles stattfinden sollte – mit all dem bürokratischen Aufwand einer Vereinsgründung. Technik musste organisiert, Flyer verteilt werden. Und das alles innerhalb von drei Monaten. Ein Einsatz, der nicht ohne Folgen blieb: Der Achtzehnjährige war kurz davor, die Schule abzubrechen.
    Stress, Verzicht und Zweifel
    Sammeck: "Ich hatte auch gar keinen Kopf mehr. Also ein Problem ist die Zeit, aber ein noch größeres Problem ist der Kopf. Du kannst dich nicht vier Stunden am Tag mit so einem Projekt beschäftigen und dem helfen und mit dem telefonieren und dann plötzlich irgendwas in Sowi einen Text analysieren oder Matheaufgaben rechnen. Das ist einfach für einen Menschen, glaube ich, nicht möglich".
    Die Last, die da auf Sebastian Sammecks Schultern lastet, ist auch physisch sichtbar. Seine Augen sind müde. Eigentlich ist er groß, 185 etwa. Doch auf dem Stuhl wirkt er plötzlich 20 Zentimeter kleiner. Mittlerweile heißt es oft. "Die Helfer stoßen an ihre Grenzen". Sieht man Sebastian Sammeck, glaubt man das sofort. Es ist aber genau diese pessimistische Einstellung, die den Schüler ärgert.
    Sammeck: "Die Leute sitzen auf dem Sofa und trinken Bier und sagen, wir schaffen das nicht. Aber dann ist das auch klar, wenn niemand hilft, dann schafft man es auch nicht."
    Die Antwort auf die Frage, ob sich denn das alles gelohnt habe - der Stress, der Verzicht, die Zweifel, für dieses eine Projekt, ist eindeutig.
    Sammeck: "Ja, auf jeden Fall, man hat so viele Leute dafür gewonnen. Vielen Leute macht man auch eine Freude damit. Und damit dann die Leute dann auch noch so willkommen zu heißen und ihnen damit zu helfen, geht eigentlich nicht besser, meiner Meinung nach."
    In Syrien hat Mahmut arabische Literatur studiert, Ethan war Englischlehrer. Jetzt, hier in Deutschland, sind sie nur Flüchtlinge, sagt Ethan. Und auch deshalb hat sich das Konzert wohl gelohnt. Denn in diesem Moment auf der Bühne sind sie keine Flüchtlinge, sie sind Musiker.
    Neben den kurdischen Liedern, die sie spielen, haben sie auch deutsche Lieder für sich entdeckt. Eines von ihnen scheint besonders zu sein, meinen die Brüder. Die Deutschen würden dabei immer lächeln.