Mittwoch, 24. April 2024

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Mumford & Sons
Bitte im Dunkeln hören

Ihr schlichter, euphorischer Folk mit Banjo und Kontrabass klang immer, als wäre er dazu gedacht, die Leute im Pub um die Ecke auf den Tischen tanzen zu lassen. Seit gestern gibt’s nun das dritte Album: "Wilder Mind". Damit ist das Londoner Quartett zur Rockband mutiert. Ob das eine gute Idee war?

Von Bernd Lechler | 02.05.2015
    Marcus Mumford während eines Mumford & Sons-Konzerts im Centennial Olympic Park in Atlanta im US-Staat Georgia
    Marcus Mumford während eines Mumford & Sons-Konzerts 2013 (Imago / icon)
    So klangen die alten Mumford & Sons: Banjo und Kontrabass, Leinenhemden und Tweedsakkos. Aber nun: Elektrische Gitarren und Schlagzeug, Lederjacken und ein Stiefel auf der Monitorbox. Aber sooo neu sei das gar nicht für die Musiker, die ja ein Vorleben haben: "Wir haben in Jazzbands, in Rockbands gespielt, alles mögliche! Diesmal lief’s halt auf diesen Sound hinaus. Wir hatten uns eine Auszeit genommen, und danach kamen alle mit E-Gitarren zurück. Wir wollten lauter spielen!"
    Banjospieler beziehungsweise jetzt E-Gitarrist Winston Marshall vermisst sein altes Instrument nicht: Elektrisch sei einfacher. "Es macht auch Spaß, weil mehr Platz für Fehler ist. Eine verzerrte Gitarre klingt gut, auch wenn du daneben haust. Ein Banjo klingt schlecht, wenn man richtig spielt! - Nein, aber da musste jeder Ton perfekt sitzen. Die neue Freiheit finde ich herrlich.“
    Her mit den Keyboards, weg mit der Bassdrum von Sänger Marcus Mumford, die er immer, Gitarre schrubbend, mit dem Fuß trat wie ein Straßenmusiker auf einer Stadionbühne. Stadiongroß klingen sie jetzt erst recht: wie U2 vielleicht, ohne die ganz große Geste, wie schmalbrüstigere Kings Of Leon - verwechselbarer. Und wo stellenweise noch der Folk durch die Gitarrenwände dringt, kann man das hymnisch finden oder aufgeblasen:
    Definitiv geprägt sind die neuen Mumford & Sons von The National, den Heiligen des Indie-Rock, in deren Brooklyn und mit deren Aaron Dessner als Co-Produzent einige der Songs entstanden sind. Für die abgründige Wucht von The National sind allerdings die Mumford-Refrains zu strahlend. Trotzdem bitte: im Dunkeln hören. "Ich kann es schlecht beschreiben, aber - wir haben viel Zeit spät abends und nachts in London und New York verbracht, viele Songs nachts geschrieben… und wenn dann etwa wegen der Covergestaltung jemand fragte: Spielt das bei Tag oder bei Nacht, sagten wir sofort: Nachts! Und Songs wie "Wilder Mind" oder "Tompkins Square Park" sind irgendwie einfach Nacht-Songs."
    "Schweigen, das Bände sprach"
    Der Tompkins Square Park liegt in Manhattan; ein anderer Titel, "Ditmas", bezieht sich auf ein Viertel in Brooklyn, aber letztlich sind die neuen Mumford-Lieder mehr oder weniger melancholische Liebeslieder. Worum genau es in "The Wolf" oder in "Monster" geht, oder was da nun nachts im "Tompkins Square Park" geschah, darüber redet die Band ausgesprochen ungern - und wenn man versuchshalber boulevardesk fragt, ob sich poppige Lovesongs schwieriger schreiben, wenn man wie Mumford nun verheiratet ist (mit Schauspielerin Carey Mulligan), weicht er aus: "Das will ich eigentlich nicht beantworten. Ich würde sagen: Wir entwickeln uns alle, wenngleich unterschiedlich, und das landet IMMER in den Texten. Wir hatten jeder ein, zwei Jahre neuer Erfahrungen, um drüber zu schreiben, und dann prägt mal der eine, mal der andere einen Song stärker. Das Album beschreibt also eher die Weltsicht der ganzen Band."
    Die Reaktionen der Kritiker waren gemischt; nun ist spannend, ob die Fans den Schwenk mitmachen. Im Freundes- und Familienkreis gab es durchaus befremdete Gesichter. "Viel Schweigen. Das Bände sprach! Aber es war klar, das es manche nicht mögen werden. Das ist okay. Wenn man was macht, was allen gefällt, hat’s wahrscheinlich weniger Kraft."
    Kraft oder nicht: mindestens die musikalische Neugier der Band muss man anerkennen. Marcus Mumford arbeitet inzwischen wohl auch noch an einem Hiphop-Album; man darf ihm also glauben, dass er nicht stillstehen und es nicht bequem haben will - und diese Haltung ist in seinen Popmillionärskreisen nicht allzu verbreitet. "Man darf seine Popularität nicht überbewerten. Sonst läuft man ihr hinterher, und das ruiniert ganz schnell die Kreativität. Bei diesem Album haben wir Entscheidungen getroffen, die waren - vielleicht nicht gleich 'mutig', aber schon frech: 'So machen wir das jetzt'. Ohne zu bedenken, wie irgendwer das findet. Als ich es dann im engeren Kreis vorspielte, denkt man schon: Au, die Stelle wird dir jetzt nicht gefallen. Ist okay! Mir und der Band gefällt’s! Wir wollten es so."