Mittwoch, 17. April 2024

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Mumien, Pyramiden und Wokenmenschen

Die Pyramide von El Brujo ist ein runder Buckel im Wüstensand. Davor überspannt eine weiße Plane, hochgezogen wie ein Segel, den uralten Zeremonialplatz der Moche. Oben auf der Pyramide schweift der Blick bis zum Meer, der endlosen Schaumkronenlinie des kalten Pazifischen Ozeans. Hier, auf dem buckligen Sandhügel an der wüstenartigen Nordküste Perus, machten die Archäologen im Jahr 2005 einen sensationellen Fund. Sie stießen auf das Grab einer Herrscherin der Moche-Kultur, eine 1700 Jahre alte Mumie in perfekt erhaltenem Zustand. Einer der Archäologen von El Brujo ist Denis Vargas:

Von Lottemi Doormann | 23.05.2010
    "Auf der obersten Plattform einer huaca, einer Pyramide, wurden nur die politischen und religiösen Herrscher bestattet. Zu unserer Verwunderung stellten wir fest, dass die Mumie eine Frau war, bestattet mit zwei großen Schlagkeulen, wie man sie normalerweise nur bei Männern findet. Sie war unverletzt und etwa 20 Jahre alt, als sie starb, vermutlich kurz nach der Geburt eines Kindes. In ihrem Grab haben wir auch eine Begleitperson gefunden, eine junge Frau mit einem Seil um den Hals, die erwürgt wurde. Solche Begleitpersonen waren bei der Bestattung von Herrschern üblich."

    Herrschaftlich waren auch die Grabbeigaben der in bestickte Gewänder eingewickelten Mumie: auf dem Gesicht eine goldene Schale, im Halsbereich große Ohrringe, Nasenringe, Zepter, Halsketten, Armbänder und Kronen aus purem Gold, verziert mit Katzenwesen, Schlangen und Skorpionen. All diese unfassbar kunstvollen Schmuckstücke, die Keramiken und Opfergefäße aus dem Grab der Señora von Cao, wie sie nun genannt wird, sind in einem großartigen neuen Museum zu Füßen der Pyramide zu bestaunen. Hier ruht diese mystisch tätowierte Herrscherin der Moche, gestorben um 300 nach Christus, hinter einer Glaswand auf schwarzem Tuch. Tatsächlich sieht man nur das reflektierte Spiegelbild der Mumie, erklärt Denis Vargas:

    "Die Señora de Cao liegt hier unten, sie wird indirekt beleuchtet und über ein Spiegelsystem nach hinten auf diese Wand reflektiert. Das geschieht erstens zum Schutz der Mumie. Zweitens sind viele Leute abergläubisch, die wollen eine Tote nicht direkt anschauen. Manche sagen auch, man solle die Vorfahren doch in Ruhe lassen."

    Das kriegerische Volk der Moche beherrschte in den ersten sieben Jahrhunderten nach Christus die Nordküste Perus, lange Zeit vor den Inka.
    Sie waren in der Lage, die extrem trockene Wüste am Pazifischen Ozean zu bewässern. Obwohl die Moche keine Schrift besaßen, "lesen" die Archäologen auf den Keramiken und Wandbildern der Pyramiden, die sie nach und nach ausgraben, wie in einem Buch über diese bei uns noch wenig bekannte Hochkultur. Und ständig machen sie neue Entdeckungen, immer im Wettlauf mit den huaqueros, den Grabräubern, die die Ausgrabungsstätten entlang der Nordküste auf der Suche nach Gold zu plündern versuchen.

    Ganz oben auf einer Plattform der Huaca de la Luna, der Mondpyramide
    zehn Kilometer südöstlich der Küstenstadt Trujillo, haben die Moche dem grausamen Berggott Aiapaec Menschen geopfert. Es war das Blut ihrer eigenen Krieger, wie man heute weiß, vergossen für den Allmächtigen bei Naturkatastrophen. Mit der flehentlichen Bitte um Wasser. Aber warum gerade Krieger?

    "Man opfert das Wichtigste, was man hat bei einer großen Katastrophe. Blut und Wasser ist für die Moche gleichbedeutend. Man veranstaltet rituelle Kämpfe zwischen den eigenen Kriegern, die mit Schlagstock und Schild ausgestattet aufeinander losgehen. Es ist ein Mann-zu-Mann-Kampf bis aufs Blut. Die Verlierer aus dem rituellen Kampf werden dann entkleidet. Man nimmt ihnen die Waffen ab. Man nimmt ihnen den Kopfschmuck, die Ohrpflöcke, den Nasenring ab und führt sie nackt, mit dem Seil um den Hals, oftmals auch die Hände auf dem Rücken gefesselt, Richtung Tempel."

    Die Übersetzerin Claudia Riess lebt seit zehn Jahren in Trujillo und ist Spezialistin für präkolumbianische Kulturen. Man habe den Kriegern im Tempel Drogen gegeben, sagt sie, gegen die Angst vor dem Tod.

    "Danach werden sie dann von den Priestern zur Plattform geführt und herabgestoßen. Weil der Abstand aber zwischen Felsen und Plattform nicht hoch genug ist, werden sie zuerst getötet, indem man ihnen den Schädel einschlägt oder die Kehle durchtrennt. Dann fallen diese Körper herab.
    Wenn sie in der Sonne liegen, werden sie von den Insekten und den Rabengeiern abgenagt. Sollte dieses Menschenopfer aber bei einem El Niño stattfinden, wie zum Beispiel um das Jahr 600 nach Christus, dann werden diese Körper gleich von Sand und Schlamm zugedeckt, der vom Berg herabwäscht."

    Man hat in der Grube Menschenknochen gefunden, etwa 70 Skelette unter Flugsand und Lehm. Erst 2004 legten die Archäologen die unterste Schicht der Stufenpyramide frei und stießen auf ein Wandrelief, das jene nackten Krieger zeigt, abgeführt in einer Reihe mit einem Strick um den Hals, gefolgt von den Siegern des rituellen Kampfes - eine Szene, wie sie genauso auch in El Brujo zu sehen ist. Im Verlauf von 500 Jahren sind die fünf übereinander liegenden Schichten der Mondpyramide aufgetürmt worden, und in jeder Schicht, die die Archäologen abtragen, kommen grandiose Wandfriese in leuchtenden Farben zum Vorschein, mit mythischen Drachen, Katzenwesen, Spinnen, Nackthunden, und immer wieder der Schreckensgott Aiapaec, Enthaupter genannt, mit riesigen Augen, Reißzähnen, umzüngelt von Schlangen. Eine 60 Meter lange Rampe führt im Zickzack zum Tempel hinauf, wo der Herrscher seinem Volk unten wie ein Gottwesen erschien:

    "Ein großer goldener Kopfschmuck gehört dazu, Nasenring, Ohrpflock als Zeichen seiner Herrscherwürde. Halsketten, Pektorale, teilweise Gold geschmückte Gewänder, silberne Sandalen an den Füßen, das Zeptermesser oder ein Kelch in der Hand, und in dem Kelch befindet sich das Blut der Menschenopfer."

    Nirgendwo sonst in Peru erlebt man derart überwältigende neue Entdeckungen einer uralten Kultur – und dazu fast allein. Noch immer streichen die viringos, Nackthunde, um die Mondpyramide herum, in der wir die einzigen Besucher sind.

    Und auch die Rabengeier sind noch da, hocken krächzend auf der Außenmauer wie einst.

    Bei einem Abstecher an den rauen Pazifischen Ozean in das Fischerdorf Huanchaco staunt man über die traditionellen caballitos de totora - wörtlich "Schilfrohrpferdchen". Mit diesen langen, schmalen Schilfbooten, die schon vor 1800 Jahren auf den Keramiken der Moche dargestellt wurden, fahren die Einheimischen noch immer zum Fischen hinaus. Wie Cowboys auf See lassen sie die Beine übers Boot baumeln, als ob sie auf den wilden Wellen reiten würden.

    "Mein Name ist Victor Ochaciche. Ich bin 53 Jahre alt. Wir bauen und benutzen das caballito so, wie es alle unsere Vorfahren gemacht haben. Ich fische schon lange mit dem Schilfboot, wie mein Großvater, mein Vater, und auch meinen Söhnen habe ich es beigebracht. Manchmal habe ich Glück und fange an einem Tag 80 bis 90 Kilo."

    Heute allerdings hat Fischer Victor noch nichts gefangen. Er ist mit den Besuchern des Mondtempels ein Stück übers Meer geritten, um ihnen seine Künste zu zeigen. Bei den Touristen hat sich auch herumgesprochen, dass man in den Uferrestaurants von Huanchaco ganz wunderbar essen kann.

    "Ich heiße Maria Dia Delang und arbeite hier seit 15 Jahren. Unsere Spezialität sind Fisch- und Meeresfrüchtegerichte, zum Beispiel Ceviche, das ist roher marinierter Fisch mit würzigen Soßen, dazu Yuca, Mais und Süßkartoffeln. Es freut mich, dass Sie Huanchaco besuchen. Danke!"

    Nur einen Katzensprung südlich von Huanchaco liegt Chan Chan, die einstige Hauptstadt der Chimú, vor 750 Jahren die größte Lehmziegelsiedlung der Welt und wohl die größte präkolumbianische Stadtanlage Amerikas. Eine Hafen- und Handelsstadt, bewohnt von 100.000 Menschen auf 24 Quadratkilometern, mit zehn Palästen und riesigen Zeremonialplätzen. Von all dem sind nur klägliche Reste geblieben. Versandet ist die gigantische Metropole, die 1475 die Inka eroberten und später die goldgierigen Spanier plünderten, zerstört von Erdbeben, Überschwemmungen und Regenstürzen. Nur der Tschudi-Palast ist restauriert worden, ein monumentaler Platz mit hohen Mauern, verziert mit endlosen geraden Linien und einem Reliefband, das mythische Meerestiere, Meeresvögel und Wasserwellen zeigt.

    "Wir können davon ausgehen, dass auf der Plattform der Herrscher mit seinem Gefolge Platz genommen hat, die Bevölkerung außen herum steht, und der Priester, der das Ritual leitet, aus seinem Raum, seiner Sakristei herauskommt, die Rampe herabschreitet – auch die Chimú verwenden keine Treppen -, und hier mit den Musikanten, den Personen, die Menschen- oder Tieropfer durchführen, dann die Sänftenträger, die die Mumie tragen, die ihn begleiten, einmal um den Platz herum."

    Aber es gibt keine Wandbilder mehr, die das erzählen. Der Palast ist ein Labyrinth aus leeren, offenen Räumen, umrandet von abgeflachten Mauern. Eine Ruinenlandschaft wie von einem fremden Stern, über die der Wüstenwind fegt.


    Nach der Stille der versunkenen Lehmstadt Chan Chan könnte der Kontrast zur weiter nordwärts gelegenen lärmenden Küstenstadt Chiclayo nicht größer sein. Die von spanischen Missionaren gegründete Stadt hat heute 600.000 Einwohner. Berühmt ist der Mercado de Brujos, der Markt der Hexer. Susana Castillo Schwennicke, die einen peruanischen Vater und eine deutsche Mutter hat, kennt sich mit den Elixieren und Ritualen der Schamanen bestens aus:

    "Also das hier zum Beispiel heißt ruda auf Spanisch, auf deutsch Weinraute, das macht man bei der Person, um die bösen Geister wegzuscheuchen. Und das soll Glück bringen. Wenn einer in letzter Zeit Pech hatte, dann sagen die Peruaner: Du musst dich mal in ruda waschen oder baden."

    "Das tut man in die Badewanne rein mit fünf Liter Wasser. Und dazu werden dann diese Parfums, Rosenparfums getan. Und dann badet sich die Person darin, und das bringt dir dann Glück."

    An den Ständen gibt es Heilkräuter und Wundermittel gegen jede nur erdenkliche Krankheit, darunter Aloe vera gegen Entzündungen und der Kaktus San Pedro, der Mescalin enthält und den schon die Moche bei ihren Zeremonien verwendeten.

    Bei dem Schamanen Vicente Nolasco Alejandria, seit 35 Jahren auf dem Mercado de Brujos, kann man sich ein Amulett machen lassen, als Schutz vor Krankheit und Unglück.

    Ganz in der Nähe von Chiclayo ist 1987 das legendäre Königsgrab des Señor von Sipán, eines Moche-Herrschers aus dem 3. Jahrhundert nach Christus, entdeckt worden. Die unglaublichen Schätze aus diesem Grab – etwa 600 Artefakte aus Gold, Silber, vergoldetem Kupfer, Edelsteinen, kunstvoll verarbeiteten Muscheln und Textilien - sind erst seit November 2002 in dem neuen Museo Tumbas Reales de Sipán anzuschauen, einem herrlichen erdigroten Bau in der Form einer Moche-Pyramide.

    Es ist ein langer Weg von der Küstenwüste ins Hochland hinauf, in einen fernen Winkel der Anden, wo sich irgendwo im Nebelwald die Ruinenzitadelle von Kuélap verbergen soll. Unterwegs passiert man den Porculla-Pass, die Wetterscheide von Pazifik und Atlantik. Auf der Pazifikseite dicker Nebel, dass man die Hand nicht vor Augen sieht, und plötzlich wie weggezaubert auf der anderen Seite des Passes strahlender Sonnenschein. Zwölf Stunden dauert die Fahrt durch die Berge bis nach Chachapoyas, Hauptort der Provinz Amazonas - ein beschauliches Kolonialstädtchen mit holprigen Gassen und weiß getünchten Häusern um einen großen zentralen Platz herum.

    Vor der beschwerlichen Tour nach Kuélap, wo vor langer Zeit die Chachapoyas, die "Wolkenmenschen" lebten, machen wir einen Abstecher in die kleinen Dörfer der Umgebung. Auf dem ländlichen Markt von Lámud bieten Bäuerinnen ihre Produkte an: Maniok, Süßkartoffeln, Kochbananen,
    Pfefferschoten, Melasse aus Zuckerrohr und exotische Früchte mit nie gehörten Namen: Caigua zum Beispiel, auch Inkagurke genannt. Oder die länglichen grüngelben Purpuro, die gegen die feuchte Kälte helfen sollen.

    Dort Pitajaya, die stachelige Drachenfrucht, deren Kerne wie ein Abführmittel wirken. Die große, grüne Chirimoya mit geschuppter Schale. Und Aguaymanto, die kleinen gelben Früchte in einer Kapsel aus goldfarbenen Blättern, die nimmt man bei uns als Tischdekoration.

    Es ist Mittagszeit und eine weitere Gelegenheit, die peruanische Küche kennen zu lernen.

    Also das ist die Frau Indira, und sie bereitet heute für uns das Essen vor. Und zwar die Spezialität ist cuyi – Meerschweinchen. Deshalb heißt das Restaurant "Mikuy Perú"

    Meerschweinchen standen in Peru schon lange vor den Inka auf dem Speisezettel, schon bei den Chimú, den Moche und noch viel früher. In Europa dagegen sind die Nager als Haustiere erst seit etwa 100 Jahren bekannt.

    "Ich koche immer wie früher mit Brennholz auf einer alten Feuerstelle und benutze nur alte Gerätschaften. Die Linsen werden auf Stein zerstampft und kommen zusammen mit Kartoffeln in dieses Gefäß. Ich brate die mit Limettensaft und Knoblauch marinierten Meerschweinchen-Hälften und lege sie nach 20 Minuten auf die Kartoffeln."

    Heftig brutzelt das Fleisch überm lodernden Feuer, und als alles fertig ist und der Tisch gedeckt, dürfen wir endlich probieren: Ja, Meerschweinchen schmecken köstlich, wie eine Mischung aus Kaninchen und Huhn.

    Meerschweinchenhaltung ist einfach und billig. Cuyi leben von Küchenabfällen, in kleinen Gehegen und vermehren sich rasant. Dass die Peruaner sie nicht nur als Leckerbissen schätzen, sondern auch bei Heilungszeremonien einsetzen, hat uns Susana auf dem Hexenmarkt von Chiclayo erzählt. Der Schamane streicht mit dem Meerschweinchen über den Körper des Kranken, tötet es danach, entnimmt die Leber und erkennt daran, was dem Kranken fehlt.

    Etwa 70 Kilometer sind es von Chachapoyas nach Kuélap, in die geheimnisvolle Wolkenstadt im Nebelwald, und die Strecke hat es in sich. Anfangs geht es am Rio Utcubamba entlang, gesäumt von Steilhängen, an denen die Chachapoyas einst ihre Toten in winzigen Häuschen bestatteten. "La ceja de la selva" - Augenbraue des Regenwaldes - nennen die Einheimischen dieses Gebiet am Rande der Cordillera Central. Aus dem von Blüten übersäten Dickicht flattern Kolibris und Papageienschwärme auf.

    Dann schraubt sich eine schmale Piste in steilen Serpentinen immer höher den Berg hinauf. Bloß nicht aus dem Fenster schauen! Links fällt es senkrecht Hunderte Meter ab in die Tiefe, rechts ragt senkrecht die Steilwand auf. Herabgestürzte Felsbrocken versperren die Piste, Wasserlachen, Schlamm. Ein paar Mal müssen wir aussteigen, damit der Fahrer die Hindernisse überwinden kann. Man passiert kleine Dörfer, die Maria und Magdalena heißen und Nuevo Tingo, weil das alte Tingo bei einem Erdrutsch verschüttet wurde. Schließlich, nach einem Fußmarsch zu einem Felsplateau, stehen wir vor einer mächtigen Mauer. Claudia Riess:

    "Die Außenmauer von Kuélap ist an der höchsten Stelle 20 Meter. Die Steine, die man für den Bau verwendet hat, stammen hier aus der Gegend. Man hat gesagt, das ist eine Festung. Davon ist man wieder ein bisschen weggegangen, weil diese gesamten 450 Häuser oder Bauten eben Wohnhäuser waren."

    Es ist ein verwunschener Ort, über den die Wolken dahinjagen, in 3100 Meter Höhe. Vor der bemoosten Mauer grasen Lamas, Bromelien hängen wie Schleier in den Bäumen, übergroße blutrote Blüten, und rundherum das grandiose Panorama gestaffelter Berge und Schluchten bis zum Horizont. Nur drei Eingänge – 60 Meter lang und so eng, dass nur ein Mensch hindurch passt - führen in die Stadt der Chachapoyas hinein, die hier ab 900 nach Christus gelebt haben. Wenig weiß man über sie. Ihre kreisrunden Steinhäuser, die sich auf drei Ebenen befanden, sind bis auf die Grundmauern zerfallen. Hier und da sieht man noch Reste der Verzierungen aus Schiefer – Friese mit Rauten, Zickzack-Mustern und den Augen des Jaguar- oder Schlangengottes.

    Auf dem höchsten Punkt ist ein runder Wehrturm erhalten, in dem man über 2000 Geschosse für Steinschleudern fand. Am anderen Ende der Siedlung ein seltsamer Rundturm, der wegen seiner flaschenartigen Innenausformung Tintero – Tintenfass – genannt wird. Möglicherweise eine rituelle Opferstätte, denn auf dem Grund des Tintero entdeckte man Knochen von Pumas, Schlangen und Menschen.

    "Die genaue Erklärung für die Wasserversorgung können uns die Archäologen auch noch nicht liefern. Man hat keine großen Wasserreservoirs oder Wasserbecken hier entdeckt. Es ist eher wahrscheinlich, dass man in der Regenzeit Regenwasser aufgefangen hat und das dann gleich verwendet hat, und in der Trockenzeit das Wasser mühsam von unten, von den Flüssen bis hier herauf transportiert hat, genau wie die Lebensmittel ja auch. Die Lebensmittel werden ja am Felshang, am Steilhang oder in den Flusstälern angebaut."

    Eine Situation, die den Chachapoyas zum Verhängnis wurde. Jahrhunderte lang war die Festungsstadt uneinnehmbar gewesen. Doch als die Inka um 1470 nach Kuélap kamen, schnitten sie die Bewohner einfach von ihren Nahrungs- und Wasserquellen ab. Lange leisteten die Wolkenmenschen Widerstand. Aber ihr Ende war wie das der Moche und der Chimú unaufhaltsam. Noch ist das schwer zugängliche Kuélap kein zweites Machu Picchu geworden, noch ist man dort fast allein. Was den Zauber dieser imposanten präkolumbianischen Stätte, eingeschlossen in eine dramatische Bergwelt, nur noch steigert und zu einem unvergleichlichen Erlebnis macht.