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Munich Bot Challenge
Auf der Suche nach Social Bots im Wahlkampf

Social Bots können Themen im Netz massiv verstärken. Doch ihre Identifizierung ist bislang eine große technische Herausforderung. Bei der Munich Bot Challenge forschen Wissenschaftler an der besseren Erkennung – auch um Maßnahmen gegen maschinelle Propaganda im Wahlkampf zu entwickeln.

Von Tobias Krone | 05.09.2017
    ILLUSTRATION - Auf einem Laptopbildschirm wird das Wort «Virus» angezeigt, aufgenommen am 26.01.2017 in Berlin (Aufnahme mit Zoomeffekt). Foto: Monika Skolimowska/dpa | Verwendung weltweit
    Social Bots zu finden ist das Ziel junger Wissenschaftler bei einem Wettbewerb (picture alliance / Monika Skolimowska/dpa)
    Die Sorge ist präsent: Können Maschinen, die sich auf sozialen Netzwerken wie Twitter als reale Menschen ausgeben, unsere Wahlen manipulieren? – Auch im Bundestagswahlkampf treiben Social Bots ihr Unwesen, weiß Simon Hegelich, Professor für Political Data Science an der Hochschule für Politik der Technischen Universität München.
    Simon Hegelich: "Wir haben zum Beispiel untersucht, wie viele Nachrichten, die den Hashtag #Merkel oder den Hashtag #Schulz haben, von Social Bots kommen. Und wir gehen davon aus, dass etwa zehn Prozent der Nachrichten tatsächlich von Social Bots gesendet wurden."
    Bots werden von ihren Erschaffern vor allem auf Twitter ausgesetzt. Doch wie sieht so ein Bot aus? Und wie können Computerprogramme automatisch erkennen, ob ein Mensch oder eine Maschine hinter dem Profil steckt? Mit dem Wettbewerb Munich Social Bot Challenge, ausgerichtet vom Deutschen Stifterverband, ringen Wissenschaftler jetzt um die besten Methoden, Bots im Bundestagswahlkampf ausfindig zu machen.
    Social Bots werden nicht nur für politische Propaganda eingesetzt
    Simon Hegelich: "Die Studien, die es heute gibt, die hantieren häufig mit sehr, sehr einfachen Heuristiken. Dass man sagt: ‚Wer mehr als fünfzig Mal am Tag getwittert hat, das ist ein Bot.‘ Das erscheint uns viel zu banal und viel zu einfach. Oder mit so genanntem Machine Learning also großen Datenanalysen, das ist das, worauf wir in dem Wettbewerb zielen. Die Sachen, die es da gibt, sind allerdings fast ausschließlich auf die USA gemünzt. Und lassen sich nicht ohne weiteres auf Deutschland übertragen."
    Was man bisher weiß: Bots werden zu unterschiedlichen Zwecken eingesetzt - nicht nur für politische Propaganda.
    Simon Hegelich: "Da muss man dann unterscheiden, es gibt Bots – wahrscheinlich auch nach wie vor immer noch die meisten - , die einfach nur zufällig sozusagen politisch werden. Das sind einfach nur Werbeschleudern, so wie man das auch von der Spam-Email kennt. Und dann benutzen die Hashtags aus dem politischen Bereich, um eine gewisse Aufmerksamkeit zu kriegen. Dann gibt es aber auch richtige politische Aktionen bei den Social Bots, wo es darum geht, entweder halt bestimmte Begriffe nach oben zu pushen. Oder wo es darum geht, eine bestimmte politische Botschaft zu verbreiten."
    In der Ukraine versuchen Social Bots wie echte Nutzer auszusehen
    Bei einem früheren Projekt haben Forscher ein Bot-Netzwerk in der Ukraine ausfindig gemacht, das für die dortigen Faschisten geworben hat.
    Simon Hegelich: "Am Beispiel Ukraine ist es so, dass die Social Bots wirklich versuchen, wie echte Nutzer auszusehen. Das heißt, die twittern auch gar nicht besonders viel, sondern drei,-, vier- fünfmal am Tag, folgen sich untereinander. Dadurch sieht es aus, als hätten die sehr viele Freunde auch selber. Und würden nicht nur anderen Leuten folgen. Und bringen die meiste Zeit Nachrichten, die für junge Männer in der Ukraine interessant sein könnten: Illegale Downloads, Sportnachrichten, ein paar sexistische Witze. Und ab und zu dann Propaganda für den so genannten rechten Sektor in der Ukraine."
    Bei der Bot Challenge schreiben Entwickler Algorithmen, die für bestimmte vorgegebene Twitter-Follower von Martin Schulz und der Bundesregierung automatisch errechnen, mit welcher Wahrscheinlichkeit es sich dabei um Bots oder reale Nutzer handeln könnte. Eine Jury, der auch Professor Simon Hegelich angehört, schaut sich dann die Algorithmen an - und die Erläuterungen der Teams, und vergleicht sie mit ihren eigenen Ergebnissen. Der originellste und valideste Algorithmus gewinnt. Je mehr man über Bots weiß, desto besser: Denn es gilt zwar als unwahrscheinlich, dass die virtuellen Social Media-Teilnehmer wirklich Meinung beeinflussen können, gefährlich werden könnten sie allerdings schon.
    Munich Bot Challenge rüstet gegen maschinelle Propaganda
    Simon Hegelich: "Zum Beispiel ist in den USA ein Botnetzwerk entdeckt worden mit 350.000 Accounts, die alle durch dasselbe Netzwerk gesteuert werden. Wenn wir uns jetzt vorstellen, dass in einer Krisensituation, zum Beispiel bei einem weiteren Terroranschlag oder was auch immer 350.000 Accounts per Knopfdruck falsche Nachrichten versenden, dann kann das schon sehr, sehr relevant sein."
    Die Munich Bot Challenge ist also nicht nur ein Spiel im luftleeren Raum, sondern erweitert das Wissen, um gegen die maschinelle Propaganda gerüstet zu sein.