Erträumte Wunderkammer

musaeum clausum

Ulrich Bassenge im Hörspielstudio.
Hörspielregisseur Ulrich Bassenge im Studio © Monika Maier, SWR-Pressestelle
12.07.2016
Als einer der letzten Menschen, die alles wussten - wie sonst nur noch sein Zeitgenosse Athanasius Kircher - notiert Sir Thomas Browne im 17. Jahrhundert in einem Text die Desiderata eines imaginären Museums. Wie kein anderer steht dieser Text für die verlorene Zeit, in der Wissen, Glauben und Einbildungskraft wie selbstverständlich in eines zusammenflossen.
Er wünscht sich ein verschollenes Ovid-Gedicht ebenso wie ein (nie erschaffenes) Gemälde eines "Elefanten auf dem Hochseil - geritten von einem Neger-Zwerg", ein Kruzifix aus Froschknochen oder ein Straußenei, bemalt mit einem Bild der Schlacht von Alcazar, in der drei Könige das Leben verloren. Vieles in dieser Liste sei verschollen, verloren, verbrannt, geraubt, verkauft, fragmentiert ... ist die erträumte Wunderkammer des britischen Universalgelehrten ein gelehrter Witz oder eine Utopie? Brownes virtuelles Museum ist nicht das erste seiner Art (bereits ein Jahrhundert zuvor parodierte Rabelais eine imaginäre Bibliothek), aber eines der sprachmächtigsten.
Wie kein anderer steht dieser kolossale Text mit seinen eigentümlichen Vernetzungen für die verlorene Zeit, in der Wissen, Glauben, Kunst und Einbildungskraft wie selbstverständlich in eines zusammenflossen. Noch nicht aufgerissen scheint der Graben zwischen Information und Wissen, jene Wunde unserer Tage. Ulrich Bassenge exploriert mit Browne den Verlust universaler Bildung im Zeitalter des Internet.
Aus dem Englischen von Ulrich Bassenge
Komposition, Regie und Realisation: Ulrich Bassenge
Solisten: Wolfgang Roth, Georg Karger, Yogo Pausch, Ulrich Bassenge
Sprecher: Michael Habeck und Matthew Rouse

Produktion: BR 2010
Länge: 47'36