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Museum der Zukunft
Neue Rahmen für die Kunst

Partizipation gilt als einer der wichtigsten Kunsttrends. Das Museum Morsbroich in Leverkusen wagt eine Bestandsaufnahme: Was hat Partizipation für die Museumslandschaft und für die Besucher bisher gebracht und wie werden die sozialen Plastiken der Zukunft aussehen?

Von Peter Backof | 23.05.2017
    Eine bedruckte Tischtennisplatte, eine Arbeit des Künstlers Rirkrit Tiravanija, steht am 17.05.2017 im Museum Morsbroich in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen). Die Ausstellung "Duett mit Künstler/in" - Partizipation als künstlerisches Prinzip ist vom 21. Mai bis 03. September 2017 zu sehen.
    Kunst zum Mitmachen: Eine bedruckte Tischtennisplatte, eine Arbeit des Künstlers Rirkrit Tiravanija (Rolf Vennenbernd/dpa)
    Schräges Singen. Schön klingt anders. Die Besucher der Ausstellung "Duett mit Künstler_in" im Museum Morsbroich lachen aber nicht, weil sie es besser könnten, sondern weil es darum geht, durch das Ausprobieren von Tonhöhen Sensoren anzusteuern, sodass an einem abgewandelten Kicker-Tisch der Ball in Richtung Loch bewegt wird. Fußballgesänge mal ganz anders. Und die Kunstwerke bitte berühren! Kuratorin Stefanie Kreuzer:
    "Doch, doch, genau da darf man! Das war mir schon wichtig: Das Handeln, und das Miteinander und das Spiel: Also dass es wirklich Partizipation auf unterschiedlichen Ebenen gibt."
    Die Kuratorin Stefanie Kreuzer und Pressesprecher Fritz Emslander spielen am 17.05.2017 im Museum Morsbroich in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen) mit Hilfe ihrer Stimmen Labyrinth. Die Ausstellung "Duett mit Künstler/in" - Partizipation als künstlerisches Prinzip ist vom 21. Mai bis 03. September 2017 zu sehen.
    Kunst zum Spielen: Kuratorin Stefanie Kreuzer und Pressesprecher Fritz Emslander in der Ausstellung "Duett mit Künstler_in" in Leverkusen (Rolf Vennenbernd/dpa)
    So ist das Selber-Tätigwerden sogar der Sinn der Kicker-Installation von Volker Morawe und Tilman Reiff. Eine ruhige Kugel zu schieben, nur konsumierend teilzunehmen, das geht an den meisten Stellen gar nicht, in der Überblicksausstellung über die Wechselwirkung von Kunst und Publikum.
    "Shadows" - Schatten – von Juergen Staack, erlebt der Besucher immer subjektiv, wenn er als vermeintlicher Störfaktor durch das Bild läuft und der Projektion von neutralem, weißem Licht überhaupt erst ein Motiv beschert: Den bewegten Scherenschnitt, live und genau so nur in diesem Moment. Viele Werke wirken erst mal ironisch. Zerbrochenes Geschirr neben Kleberflaschen, leere Leinwände mit bereitgestellten Farben: Das Bild soll man sich denken. Oder selbst malen?
    Wie sieht das Museum der Zukunft aus?
    "Ja, ich finde, das hat aber nichts mit Faulheit zu tun, sondern mit Impulsgeben: Dass mein Beitrag wesentlich ist. Dass ich nicht nur etwas Fertiges abhole und abhake. Es ist eben nicht fertig, es ist offen, sodass ich meinen Teil dazu beitragen muss!", sagt Stefanie Kreuzer.
    Ein Museum ohne Besucher ist ein totes Museum, das gilt auch für Kunstevents. Derzeit kann man über das Netz zum Beispiel an der documenta oder der Biennale in Venedig teilhaben. Eine weitere Ebene von Partizipation: Man bekommt Bildeindrücke über die sozialen Medien und kann das Erleben der Menschen vor Ort - live - beeinflussen. Da verändert sich gerade etwas, hin zum Open-Source-Kunsterlebnis. Man kann, aber man muss vielleicht nicht mehr unbedingt vor Ort gewesen sein? Wie stellt sich Stefanie Kreuzer eine Ausstellung in 20 Jahren vor?
    Eine bedruckte Tischtennisplatte, eine Arbeit von 2015 des Künstlers Rirkrit Tiravanija, steht am 17.05.2017 im Museum Morsbroich in Leverkusen (Nordrhein-Westfalen). Die Ausstellung "Duett mit Künstler_in" - Partizipation als künstlerisches Prinzip ist vom 21. Mai bis 03. September 2017 zu sehen.
    Eine bedruckte Tischtennisplatte, eine Arbeit des Künstlers Rirkrit Tiravanija (Rolf Vennenbernd/dpa )
    "Das ist natürlich echt eine Herausforderung. Ich glaube, ein Museum wird vielleicht wieder eine Art von Schatzkammer sein. Aber es wird zugleich auch die ganze Welt umspannen können. Das heißt, es ist beides: Nicht mehr begrenzt auf den Ort und Bewahren von Kulturgütern, sondern es hat die Möglichkeit, auf eine ganz neue Art zu kommunizieren und einzubinden."
    Fordernd, intensiv und spaßig
    Einordnung, Zusammenhänge sichtbar machen, das bleibt für die Kuratorin die Kompetenz eines Museums, auch wenn sich derzeit der Begriff von Kunst erweitert. "Duett mit Künstler_in" bezieht in "Greet Your Neighbours!" das Obstgut neben dem Schloss Morsbroich und das Grünflächenamt Leverkusen ein. Da sieht man großformatig einen blühenden Apfelhain als Tapete und Erntekörbe in der Schau. Aber das nur so als Hinweis auf die Arbeit, die ein Gedankenkomplex ist: Das soziale Geflecht "Apfelernte". Der Gedanke der sozialen Plastik von Joseph Beuys, aktualisiert.
    Eine fordernde, intensive und oft auch spaßige Schau. "Wer nicht denken will, fliegt raus!": Schiefertafel, selbst zu beschriften, von Beuys, 1977, und Dutzende neuer, sozialer Plastiken im Museumspark und auf Leverkusener Plätzen gehören dazu. Weil, so Stefanie Kreuzer, Partizipation letztendlich eine politische Dimension hat.
    "Wenn man auch über Demokratie spricht. Das ist ja jetzt gerade sehr wichtig, weil Demokratie ja offensichtlich sich verteidigen muss und plötzlich Angriffe erfährt: Ich muss natürlich mich einbringen, ich muss eine Haltung haben, ich muss diskutieren, ich muss vielleicht Kompromisse finden. All das, was hier in dieser Ausstellung auch zum Tragen kommt."
    Die Ausstellung "Duett mit Künstler_in" ist vom 21. Mai bis zum 03. September 2017 im Museum Morsbroich in Leverkusen zu sehen.