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Museum für Gegenwartskunst in Basel
Eine Cy-Twombly-Retrospektive

Das Baseler Museum für Gegenwartskunst zeigt derzeit eine Ausstellung des amerikanischen Künstlers Cy Twombly - eine Schau, die wohl unbeabsichtigt sehr gut zu den Such- und Fluchtbewegungen passt, die derzeit die politische Debatte bestimmen.

Von Christian Gampert | 14.09.2015
    Während alle Welt sich im Nachkrieg am Abstrakten Expressionismus orientierte und das heißt: An New York, ging der amerikanische Künstler Cy Twombly den entgegengesetzten Weg: nach Europa und noch weiter, in den Maghreb und nach Zentralafrika. Gelebt hat er dann vor allem in Italien - und in der europäischen Mythologie. Das Flüchtige, Getriebene, Skizzenhafte, Heimatlose seines Werks ist lesbar als Ablösung vom irgendwie auch dogmatischen Machismo der gestisch orientierten Gründergeneration, die aus dem Abstrakten Expressionismus eine Weltanschauung machte, während Twombly zeitlebens auf der Suche blieb.
    Das passt natürlich sehr gut zu den Such- und Fluchtbewegungen, die derzeit die politische Debatte bestimmen. Das Basler Museum für Gegenwartskunst hat das wohl nicht geahnt, als es die Ausstellung konzipierte. Aber man ist doch frappiert davon, dass diese abstrakte Malerei, setzt man sie in Bezug zur aktuellen Politik, etwas Graffiti-artiges und gleichzeitig Sprachloses bekommt: fragmentierte Botschaften, verzweifelte Schriftzeichen, geometrische Behausungs-Entwürfe schweben da im leeren Raum, Kratzspuren, gespachtelte Farbnester, ein Kurzdurchlauf durch Twomblys Frühwerk und mittlere Phase.
    Noch seltsamer mutet es an, dass die großartige Inszenierung dieser wenigen Bilder - sie sind in dem weiten Rund des Hauptsaals wie auf eine sakralen Bühne angeordnet - genau jener Präsentation ähnelt, in der das Münchner "Museum Brandhorst" Twomblys "Lepanto"-Zyklus präsentiert, jene mit schreienden Farben arbeitende Serie von Großformaten, die von der größten Seeschlacht aller Zeiten erzählt: 38tausend Tote, die Heilige Liga schlug das Osmanische Reich.
    Problematische Sexualität
    Man kann Flucht und Krieg aber auch hinter sich lassen und die Bilder ganz werkimmanent betrachten, als Fortentwicklung eines Konzepts. Während auf dem ersten Bild, 1954 noch in New York entstanden, in kleinem Format und auf pechschwarzem Grund weiße Schlieren kraftvoll voranwabern, hellen sich die Malgründe in Europa auf: auf der Nicht-Farbe Weiß, auf Hellgrau oder Ocker sind zarte Bleistiftspuren angebracht, die sich scheinbar absichtslos auf der Leinwand verteilen, dabei aber zeichenhafte arkadische Landschaften bilden, manchmal Körperteile oder Tierköpfe andeuten und zum Teil auch die karikierten Schiffe des (viel später entstandenen) Lepanto-Zyklus vorwegnehmen.
    Das zentrale Bild der Schau, der Hauptaltar sozusagen, feiert dann eine offenbar problematische Sexualität - mit zarten Fleischfarben, Herzchen, seltsamen Genitalformen, kindlichen Malimpulsen. Dabei fliegt aber alles auseinander - das Bild, 1961 entstanden, strahlt durchaus so etwas wie Sinnlichkeit aus, andererseits hat es etwas von einer Schlächterei. Das ist die einzige Farborgie - alle anderen Arbeiten sind dann vom Bleistift (und manchmal von Wachskreide) dominiert, das Meer aus blauen und schwarzen Kritzeln in "Nini's Painting", die musikalisch angeordneten Zahlenspiele, Geometrien und Schraffuren jener Bilder, die 1969 am Bolsena-See entstanden sind.
    Spuren in der Architektur
    Das programmatische (und noch nie ausgestellte) minimalistische Werk dieser Phase zeigt ein zugekritzeltes Quadrat, das wie ein geschlossenes Fenster in einer milchigen Fläche schwebt und nach unten leicht ausfranst- ein Fenster zur traurigen Welt. Natürlich denkt man an das schwarze Quadrat von Malewitsch, aber das ist vielleicht gar nicht der Punkt. Das Werk gehörte bis vor Kurzem den Architekten Katharina und Wilfrid Steib, die es vor zwei Jahren dem Kunstmuseum Basel geschenkt haben. Wenn man weiß, welche Rolle das Quadratische und Kubische im Werk der Steibs spielt, dann kann man sehen, dass Cy Twombly offenbar auch Spuren in der Architektur hinterlässt...
    Und in der Plastik: Den Abschluss der Ausstellung bilden zwei Skulpturen, die mit vorgefundenem Material arbeiten, Holzplanken, Äste, die antikisch weiß bemalt oder mit Gips beschichtet sind, eine hohe Stele die eine, eine Art Schutzraum die andere Plastik.
    Auch das Kunstmuseum Basel ist derzeit mit Architektur beschäftigt: Es wartet auf die Fertigstellung seines Erweiterungsbaus, die für April 2016 angekündigt ist.