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Musical "Bodyguard"
Hommage an Whitney Houston

Das Musical "Bodyguard" basiert auf dem gleichnamigen Film mit Whitney Houston und Kevin Costner von 1992 und ist eine Mischung aus Romanze und Thriller. In der Show werden zahlreiche der Welthits von Houston gesungen. Nun hat die Adaption des Kinokassenschlagers in Köln Deutschlandpremiere gefeiert.

Von Peter Backof | 23.11.2015
    Es hätte so schön sein können: Soul-Diva Rachel Marron, ein Goldkehlchen, das in einer Märchenvilla in zartweißer US-amerikanischer Zuckerbäckerarchitektur wohnt. Zusammen mit Frank Farmer, ihrem Bodyguard, der - zwar frei von Gesangstalent ist - aber mit einer Ausstrahlung daher kommt, irgendwo zwischen Daniel Craig und dem echten Kevin Costner, hier gespielt von dem Münchener Schauspieler Jürgen Fischer:
    "Wir wissen ja, dass eigentlich nach etwa sieben Sekunden zwischen zwei Menschen alles entschieden ist. Mag ich den, mag ich ihn mehr oder mag ich ihn vielleicht nicht? - Wenn es einen trifft, das passiert glaube ich sehr, sehr schnell, man weiß es nur noch nicht."
    "Ich verliebe mich in meinen Frank. Ich glaube, es war ein Umbruch in einer Szene in einem Klub, wo er mich zum ersten Mal beschützt und ich merke, warum er da ist. Da dachte ich zuerst: Wieso habe ich einen Bodyguard, mir hat keiner was gesagt. Da habe ich das Gefühl: Wow, der beschützt mich! Und in der Karaoke Bar, da springt dann der Funke über."
    Die Szene in der Karaoke Bar, Gefühle im Gala-Format: Frank Farmer singt "I will always love you", obwohl er das überhaupt nicht kann. Aber er tut es. Und Rachel ist schwer beeindruckt. Der große Bühnenkuss, die angedeutete Liebesnacht, die einzige zwischen den beiden, denn Bodyguard Frank äußert hernach recht schnell: "Ich kann so nicht arbeiten!" Und obwohl es in diesem Musical goldenes Konfetti regnen wird, hat der Plot auch etwas von dieser realen Tragik der Liebe: Es hat halt nicht sein sollen.
    "Wir hatten schon mit den Proben begonnen, als Whitney starb"
    Und das, obwohl Patricia Meeden, Berlinerin mit kubanischen und dänischen Wurzeln, bei einem der 14 Whitney-Houston-Songs auf einer Säule empor getragen wird, exakt wie die Frau im Logo der Firma Columbia Pictures, Hollywood, und somit - im übertragenen Sinn – da steht wie die Galionsfigur von "Titanic", Hollywood. Oder wie Whitney Houston bei einem Auftritt, um die sich hier am Ende doch alles dreht? Regisseurin Thea Sharrock:
    "Natürlich ist das prägend für uns. Wir hatten schon mit den Proben begonnen, als Whitney starb. Wissen Sie, wir hatten uns vorgestellt, sie käme zur Premiere und würde sich ansehen, wie wir ihre Songs umsetzen. Traurigerweise kam sie ja dann nicht mehr."
    Als Gedenkkonzert würde "Bodyguard" auch funktionieren, wegen der stimmlichen Qualität von Patricia Meeden und der Südafrikanerin Tertia Botha, die Rachels Schwester spielt, eine angedeutete Alternativ-Geliebte für Frank.
    "Ich möchte natürlich so nah wie möglich an Whitney bleiben. Die Leute erwarten eine gewisse Phrasierung, die Whitney macht, eine Höhe, die Whitney macht: Da kann man nicht einfach eine Oktave tiefer singen."
    Von einer Fernsehshow zum Musical
    Patricia Meeden und Tertia Botha wurden für die deutsche Fassung von "Bodyguard" aus einer Fernsehshow heraus gecasted, die das Prinzip Karaoke-Bar zum Format gemacht hat: Meeden wurde in "Voice of Germany" von der Jury um Xavier Naidoo entdeckt. Auch dafür ist "Bodyguard" ein Beleg: Es gibt eine deutsche Soul-Pop-Szene mit einer ganzen Reihe von Sängerinnen, die gegenüber der Drei-Oktaven-Wucht von Whitney Houston nicht abfallen. "Bodyguard" will eine Adaption des gleichnamigen Films von 1992 sein: Die Rolle von Rachel Marron war da übrigens ursprünglich für Madonna vorgesehen. Bis dann doch Houston dieses "Film-Musical" besetzt wurde, das sich nicht nur um Liebe drehte, sondern in erster Linie ein Thriller war. Eine Herausforderung für Regisseurin Thea Sharrock:
    "Wir haben also ein Liebes-Dreieck mit den beiden Schwestern, die sich in den selben Mann verlieben. Und wir haben eine Dreieckskonstellation zwischen Rachel, einem Stalker und Frank Farmer."
    Drohbriefe mit ausgeschnittenen Zeitungsbuchstaben und hernach sogar ein echter Attentatsversuch bei der Oscarverleihung. Frank gelingt es, Rachel vor dem Stalker zu retten. Thea Sharrock greift für alles Narrative in "Bodyguard" auf ein Arsenal aus Film-Stilmitteln zurück. Den Attentatsversuch sieht man in geschauspielter Zeitlupe. Und die Szenen sind ineinander geschnitten, indem die Vorhänge auf und zu gehen wie eine Kamerablende. Letzteres ist sehr geschickt gemacht. Spannung jedoch kommt nicht auf. Wie auch, auf einer Musical-Bühne? Der Vorwurf, Musiktheater sei schauspielerisch nicht plastisch, ist weit älter als die Filmvorlage von 1992 so alt wie das Musiktheater überhaupt: Er reicht zurück bis ins Jahr 1600 als Claudio Monteverdi erste Opern komponierte.
    Bereits nach sieben Sekunden in dieser Produktion wissen wir dennoch intuitiv, dass dies ein gutes Musical ist. Man besucht es nicht, um die Glaubwürdigkeit des Genres zu überprüfen, sondern weil man herausragende künstlerische Leistungen sehen und hören will. Die hat "Bodyguard" allemal: Große Stimmen, ein akrobatisches Tanzensemble, und - gleich mit acht verschiedenen Kindern besetzt, weil das sonst nicht zumutbar wäre - einen Darsteller von Rachel Marrons Sohn, der - über diese Hommage an Whitney Houston hinaus – anrührt wie der ganz junge Michael Jackson.