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Musik in tauben Ohren
US-Forscher verbessern Tonqualität von Cochlea-Implantaten

Sogenannte Cochlea-Implantate ermöglichen es Hörgeschädigten, Geräusche und Sprache wahrzunehmen - mithilfe implantierter Elektroden. Allerdings lassen sich verschiedene Tonhöhen in Musik damit nicht unterscheiden. US-Forscher wollen das ändern.

Von Lucian Haas | 06.01.2014
    So klingen Simon and Garfunkel in den Ohren eines normal Hörenden. Doch für Menschen mit einem Cochlea-Implantat als Hörhilfe wird daraus ein unangenehmer Klangbrei wie in dieser Simulation (Hörbeispiel).
    Der Grund dafür liegt darin, dass bei einem Cochlea-Implantat nicht mehr wie bei einem klassischen Hörgerät der Schall verstärkt wird. Stattdessen werden Audiosignale als elektrische Impulse über Elektroden direkt an den Hörnerv weitergegeben. Die Qualität dieser Übertragung reicht aus, um anhand der rhythmischen Klangstrukturen Sprache zu verstehen. Doch wenn es darum geht, Musik differenziert wahrzunehmen, stoßen Cochlea-Implantate schnell an ihre Grenzen. Les Atlas, Professor für Elektrotechnik an der University of Washington in Seattle:
    "Die Art von Informationen, die ein Mensch mit einem Cochlea-Implantat beim Musikhören bekommt, ist so, als würde jemand am Klavier nicht mit einzelnen Fingern eine Melodie spielen, sondern mit seinen kompletten Unterarmen. Die einzelnen Elektroden der Cochlea-Implantate decken jeweils ein so breites Frequenzspektrum ab, dass sich Tonhöhen kaum unterscheiden lassen."
    In Zukunft könnte das aber zumindest etwas besser gehen. Les Atlas hat einen neuen Algorithmus entwickelt, der die Audiosignale für die Elektroden am Hörnerv etwas anders aufbereitet. Cochlea-Implantate übertragen Klang normalerweise als eine Reihe von kurzen Strompulsen. Das neue Verfahren variiert die Frequenz und Dauer dieser Pulse so, dass damit zumindest auch rudimentäre Tonhöheninformationen weitergegeben werden können. In der Simulation klingt das dann so (Hörbeispiel).
    Von einem echten Musikgenuss kann auch hier noch keine Rede sein. Doch die neue Technik könnte helfen, das Sprachverständnis zu verbessern – vor allem bei sogenannten tonalen Sprachen, bei denen Tonhöhenschwankungen die Bedeutung von Worten verändern können, erklärt Jay Rubinstein, Gehörforscher an der University of Washington.
    "Es gibt eine Milliarde Menschen auf der Welt, die eine tonale Sprache sprechen. Auf Mandarin-Chinesisch hat das Wort "Ma" vier verschiedene Bedeutungen, abhängig davon, wie sich die Stimmhöhe verändert. Es gibt sehr wichtige Tonhöhenbotschaften in tonalen Sprachen, die Cochlea-Implantate bisher nur sehr schlecht vermitteln können."
    Ein anderes Beispiel ist das sogenannte Cocktail-Party-Problem. Wenn viele Menschen gleichzeitig reden, verschwimmen ihre Stimmen im Cochlea-Implantat zu einem monotonen Gemurmel. Tonhöheninformationen könnten auch dort das Verständnis verbessern.
    "Wir haben Tests gemacht mit normal hörenden Probanden und sogenannten Cochlea-Implantat-Simulationen. Dabei zeigten sich deutliche Verbesserungen im Sprachverständnis vor Hintergrundgeräuschen. Mit echten Nutzern von Cochlea-Implantaten haben wir das aber noch nicht gezeigt."
    Ein Grund dafür ist die Komplexität der Software. Der neue Algorithmus läuft bisher nur auf einem stationären Laborcomputer. Er benötigt viel Rechenkapazität, um die Tonhöhendaten der Klänge in Echtzeit zu analysieren und als Elektrodenimpulse weiterzugeben. Les Atlas glaubt allerdings, die Software soweit vereinfachen zu können, dass auch herkömmliche Klangprozessoren in bestehenden Cochlea-Implantaten damit arbeiten könnten.
    "An der Hardware müsste man nichts ändern. Man braucht keine zusätzlichen Elektroden, keine weitere Operation. Es reicht, das Steuerprogramm des Sprachprozessors im Cochlea-Implantat zu umzustellen. Wir sprechen hier nur von einer neuen Software."
    Ein bis zwei Jahre, so schätzt Les Atlas, wird er noch für die Entwicklung eines einsatzreifen Programms benötigen. Sollte das am Ende dennoch nicht funktionieren, könnten die Träger eines Cochlea-Implantats Elvis Presley zitieren und "Return to Sender" zu singen: