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Musik
Jukeboxing mit DJ Mart

Bevor DJ Mart das nächst Stück auflegt, muss man ihm Geld geben: Wie bei einer lebenden Jukebox geht sein DJ-Set erst weiter, wenn die Zuhörer zahlen. So sorgt der Berliner Jukeboxing-DJ dafür, dass Musik wieder einen neuen, ganz realen Wert bekommt.

Von Jürgen Stratmann | 04.03.2015
    Interpreten- und Titelanzeige einer historischen Musikbox im Geschäft "Jukeland" in Berlin.
    Interpreten- und Titelanzeige einer historischen Musikbox im Geschäft "Jukeland" in Berlin (picture alliance / dpa / Soeren Stache)
    Eine Jukebox kann eine Kneipe unberechenbar machen: Mal dudelt was dezent im Hintergrund; wenn alle ihre Ruhe haben wollen, bleibt das Dingen schlicht aus, aber es kann auch passieren, dass sich aus heiterem Himmel alles ändert:
    "Dann fangen halt zwei an, da Geld reinzuschmeißen, und plötzlich brennt der Laden. Die Philosophie dahinter ist ja: Du kommst - und machst, was du willst, und machst deine eigene Party - das ist der Zweck dahinter!", erklärt mir ein Jukebox-begeisterter Barmann in einer der letzten Jukebox-Kneipen Berlins. Die eigene Party machen können - schöne Sache, aber:
    "Dass die Leute einfach mal zahlen, für ein Musikstück, damit überhaupt Musik läuft!", hält der Erfinder des DJ-Jukeboxings - DJ Mart - für genauso wichtig: Denn das Bewusstsein für den Wert von Musik, die Bedeutung jedes einzelnen guten Songs schwindet. Im Netz kommt man dank Spotify und Co fast für lau an so ziemlich jeden Song, und jeder Hobby-DJ kann sich wahllos zahllose Stücke auf die Festplatte laden - aber vor allem habe ihn "irgendwann richtig genervt: Egal, wo man hingegangen ist, man wurde überall beschallt! Man konnte sich da gar nicht mehr dagegen wehren - und dann dachte ich mir irgendwann: Jetzt müssen die Leute zahlen, damit überhaupt Musik läuft!"
    DJs mögen gar nicht, wenn niemand zuhört
    Bekannt geworden ist der gebürtige Bochumer in der Ruhrpott-Szene, vor allem als Elektro- und Drum-'n'-Bass-Experte, der auch schon mal sauer werden konnte, wenn die Leute nicht bei der Sache waren:
    "Was ich mal auf einem Rave gemacht habe, da waren halt so um die 3000 Leute - da habe ich halt angefangen zu spielen - und habe überhaupt keine Veränderung gespürt. Es blieb von der Stimmung immer gleich, und ich war davon so angenervt, dass ich angefangen habe, diese Riesen-PA runterzudrehen. Und je leiser die Musik wurde, desto mehr hat man die 6000 Sneakers gehört, beim Tanzen, dies Gequietsche - und die Musik gab es nicht mehr, und dann haben die gecheckt, dass sie gerade nach dem Sound der Sneakers tanzen - und sind abgegangen wie Bolle! - Ich wollte, dass von den Leuten mal wieder eine richtige Reaktion kommt!"
    Er macht einfach aus, wenn keiner richtig zuhört! Den Sneakers-Schick der Drum-'n'-Bass-Zeit hat er übrigens hinter sich gelassen: Heute empfängt er sein Publikum auf Privatparties, in Clubs, bei Kulturveranstaltungen. Aber vor allem:
    "Im Smoking - Fliege und Bauchschärpe, Smokinghemd - dann sehen die sofort: Ah, irgendwas ist hier anders."
    Musik mit gestaffelten Preisen
    In speisenkarten-ähnlich ledergebundenen Fibeln, versehen mit Bestellnummern und Preisen, kann man dann Lieblingstitel auswählen: ab 50 Cent für einfache Kost aufwärts bis 36 Euro für exklusive Kostbarkeiten -
    "Die teuerste Single, die da drin ist - eine Live-Aufnahme von SOFT-CELL, die auf einer Schallfolie gepresst wurde - da gab's weltweit 300 Stück von. Und ich hab diese Platte nie wieder gesehen."
    Dann notiert man als geneigter Dancefloor-Williger seine Wünsche auf bereitgestellten Bestellblöcken - die dann der Reihe nach abgearbeitet werden:
    "Ich beeinflusse gar nicht die Liste, die Reihenfolge bestimmt der Gast!"
    Nur, wo bleibt da die kreative Eigenleistung? In der Zusammenstellung der Boxen, sagt der DJ: schwere Holzkisten mit immer exakt 250 Singles - sprich: 500 Titeln - wuchtet er jedes Mal auf sein DJ-Pult - und er entscheide intuitiv.
    "Welche Sachen ich zusammen bringe - da kann ein Tango kommen. Und dann kann Drum 'n' Bass drüberkommen die Leute tanzen weiter, weil sie einfach Bock da drauf haben - dann kommt eine Hip-Hop Nummer, dann kommt auch mal eine Oper - oder ein Sex-Hörspiel, oder es kommen Jagdhörner - oder wie auch immer."
    Nur:
    "Was passiert, wenn keiner was bestellt - was mach ich dann? Ich spiele nichts!"
    Klar meckert da mal der geladene Partygast. Aber:
    "Was da wirklich an Geld hinter steht - das ist kein Geld."
    Und darum gehe es auch nicht, denn natürlich bekommt er ganz normal seine Gage. Und Kritik an der Musikauswahl?
    "Die hört man zwar, aber letztendlich bleibt die Kritik bei demjenigen hängen, weil: er kann es ja ändern" und selbst "dafür sorgen, dass die Hütte explodiert!"