Mittwoch, 24. April 2024

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Musik, Kurzgeschichten und Lyrik von Max Prosa
"Wichtig ist, was hätte passieren können oder sollen"

Zeitgleich zum neuen Album "Heimkehr" veröffentlicht Max Prosa einen Band mit Kurzgeschichten und Gedichten. Darin könne er noch eine andere Seite von sich zeigen, sagte Prosa im Deutschlandfunk. Obwohl sich die Geschichten nicht genauso zugetragen hätten, hätten sie doch alle einen wahren Kern.

Max Prosa im Corsogespräch mit Fabian Elsäßer | 26.02.2018
    Max Prosa steht am 24.05.2016 im Wintergarten-Varieté in Berlin beim Tribute-Konzert zum 75. Geburtstag von US-Sänger Bob Dylan auf der Bühne.
    Max Prosas neues Album ist im Wohnzimmer entstanden (Picture Alliance / dpa / Britta Pedersen)
    Wie die Zeit vergeht. Tatsächlich schon mehr als fünf Jahre ist es her, dass Max Podeschwig den schönen Künstlernamen Max Prosa für sich wählte und mit seinem Debütalbum "Die Phantasie wird siegen" Zuhörer wie Kritiker gleichermaßen überzeugte. Liedermacher-Pop mit deutschen Texten war das, die teilweise sehnsüchtig, stürmisch-drängend oder grüblerisch nach innen gewandt wirkten. Jetzt erscheint sein viertes Album "Heimkehr" – und zeitgleich dazu außerdem das Textbuch "Im Stillen" mit Kurzgeschichten und Lyrik, mit kleinen Notizen und Aphorismen und aufwendig inszenierten Schwarz-Weiß-Porträts des Künstlers. Der ist uns jetzt aus Berlin zugeschaltet.
    Musik von "wo es anfängt"
    Fabian Elsäßer: Willkommen bei Corso, Max Prosa.
    Max Prosa: Hallo.
    Elsäßer: Eine "Heimkehr" soll dieses Album sein, laut Titel. Inwiefern?
    Prosa: Ich glaube, ich habe dieses Album sehr in meinem Wohnzimmer mit der Akustikgitarre aufgenommen und das ist natürlich auch, wo alles begann. Also sehr viel davon ist einfach so entstanden, aus diesem Moment heraus – wie Musik eigentlich ganz am Anfang entsteht. Und deswegen war es eine Heimkehr für mich. All die anderen Alben, die waren schon mehrere Schritte weiter arrangiert und mit Band gespielt – und das war wirklich dort, wo es anfängt.
    Elsäßer: Und Heimkehr, nicht nur das, sogar Rückkehr, Rückbesinnung auf Technik, die älter ist als Sie selber, glaube ich.
    Prosa: Ja, genau. Ich habe mir dazu diese Bandmaschine besorgt. Das hab ich gar nicht gemacht unbedingt wegen des Klangs – es gibt ja viele Klangfreaks, die auf diese alten Bandmaschinen abfahren -, sondern wegen des Prozesses: damit ich eben gar nicht erst die Möglichkeit habe, da so viel dran rumzubasteln, sondern immer bei dem Moment bleibe, der gerade da ist.
    "Das sind immer stille Momente"
    Elsäßer: Jetzt gibt es zeitgleich dazu noch dieses erwähnte Buch "Im Stillen". Gibt es eine Verbindung zwischen diesen beiden Werken? Also ist die Platte der Soundtrack zum Buch oder das Buch das Begleitheft zur Musik?
    Prosa: Nur im Großen, dass es beides von mir ist. Und natürlich die Texte aus der Platte auch in dem Buch vorkommen. In dem Buch sind Kurzgeschichten und Gedichte. Die haben jetzt nicht unmittelbar was mit der Platte zu tun, es ist nur im gleichen Zyklus entstanden.
    Elsäßer: "Im Stillen" heißt diese Textsammlung – aber Sie selber bleiben ja nicht still. Sie gehen ja mit Ihrem Inneren auf die Bühne, vor Hunderten, teilweise auch Tausenden von Leuten. Kann es sein, dass Sie auch so ein bisschen kokettieren mit dem Image des verletzlichen, in sich gekehrten, jungen Mannes?
    Prosa: Also es ist ja immer was anderes. Ich glaube, wo man als schreibender Mensch bei sich zuhause sitzt, dann kann man gewisse Gedanken nur dann formen, wenn es still ist und wenn man so sehr in sich gekehrt zurückschaut und zurückfühlt in die Vergangenheit und in das, was uns als Menschen eben beschäftigt. Und das sind immer stille Momente.
    Elsäßer: Also es ist schon der echte Max Prosa – es ist nur ein anderer?
    Prosa: Ja, es ist der echte Max Prosa. Was anderes könnte ich gar nicht.
    Elsäßer: Ja, aber Sie zeigen ja eine andere Seite als in Ihren Liedern.
    Prosa: Ja, in den Kurzgeschichten zeige ich eine andere Seite, glaube ich, weil es einfach eine andere Textform ist. Es ist natürlich auch… Ein Gedicht zu lesen oder ein Gedicht zu schreiben ist natürlich was anderes als ein Lied zu hören. Das kommt ganz anders an, obwohl es vielleicht aus der gleichen Kraft herausfließt. Manchmal weiß ich auch nicht so genau, ob diese Texte, die ich anfange zu schreiben, ob das Lieder werden oder Gedichte. Das entscheidet die Sache dann für sich. Manche liegen auch drei, vier Jahre rum – ich habe die dann im Kopf bis sich dann eine Musik dazugesellt oder so. Das ist ganz unterschiedlich.
    Zauberei und ein schwarzer Hund
    Elsäßer: Besonders hübsch fand ich die Kurzgeschichte über den zehnjährigen Max, also wahrscheinlich Sie selber, der im Urlaub einen Spielgefährten findet, der unbedingt will, dass Max zaubert. Der tut so als ob, und der andere glaubt es. Wahre Geschichte?
    Prosa: Na, es ist wie bei den Liedern so, dass das immer einen wahren Kern hat, aber dass sich das nie unbedingt genau so zugetragen hat. Das ist auch gar nicht so wichtig, was mir passiert ist, das Private dabei. Sondern es ist eher wichtig, was passieren hätte können oder sollen. Und in dieser Geschichte spielt eben auch so diese Sehnsucht rein nach dieser Freiheit, die man als Kind eben hat, sich auf Dinge einzulassen.
    Elsäßer: Und sich eine Welt abseits der Eltern zu schaffen?
    Prosa: Genau, ja. Und das verlieren wir, glaube ich, oft so als erwachsene Menschen, weil wir sagen: "Das gibt es doch alles gar nicht" und "das findet doch sowieso nicht statt". Damit nehmen wir uns auch die Chance, eben zu sehen: Was passiert oder was macht das mit uns, wenn wir an Zauberei glauben?
    Elsäßer: Ein früher Sieg der Fantasie also?
    Prosa: Ja, unbedingt.
    Elsäßer: Eine andere Geschichte erzählt von einem schwarzen Hund. Wofür steht der? Ihr Krafttier?
    Prosa: Auf eine gewisse Art und Weise, ja. Bloß, gerade in dieser Geschichte ist es natürlich das Symbol des Todes. Es geht darum, dass dieser schwarze Hund so ein mystisches, wiederkehrendes Element in diesem Leben dieses Erzählers ist. Und er weiß nicht genau, warum der immer da ist und warum der ihm immer wieder begegnet. Und dann ist er irgendwann weg. Und dann wechselt er die Seite im Park – und dann stirbt jemand anderes. Es steht für das Unerklärliche, was aber wiederkehrend kommt und wo wir uns unsere Gedanken darüber machen – was unser Leben verändert und vielleicht am Ende auch zum Guten, obwohl es eben so etwas ist wie der Tod. Das ist eben schwer zu sagen.
    Elsäßer: Der wechselt dann den Job und die Stadt, glaube ich, wenn ich es richtig im Kopf habe.
    Prosa: Genau.
    "Ich kann nur machen, wovon ich selber begeistert werden kann"
    Elsäßer: Also das Mystische, das Rätselhafte das zieht sich schon durch Ihre Texte. Aber auf diesem neuen Album finde ich auch einen fast schon explizit politischen Song.
    Prosa: Ja, genau. "Europa" meinen Sie wahrscheinlich. Genau, ja. Es ist auch immer so, dass mich das beschäftigt, also das Politische. Es ist nur, manchmal findet das eben mehr seinen Weg ins Schreiben rein und manchmal weniger. Es ist weniger das Tagespolitische – "Europa" geht aus von dieser Geschichte der Sagengestalt Europa. Und dem, was eigentlich zählt dann auch, das Licht, die Luft, der Sand – das, was uns eigentlich glücklich macht. Und nicht diese abstrakten Konstrukte von Land und Besitz und Grenzen, um die sich das alles irgendwie dreht. Das Ursprüngliche, was diese Sagengestalt eigentlich wollte, was ihr dann angetan wurde von den Menschen, was Europa dann aufgebürdet wurde und bis heute aufgebürdet wird.
    Elsäßer: Da sehen Sie also Parallelen?
    Prosa: Viele Parallelen, ja.
    Elsäßer: Apropos Europa: Wenn Sie sich den European Song Contest und die deutschen Beiträge ansehen – würden Sie da eigentlich manchmal gerne selbst mitmachen, um das Niveau zu heben?
    Prosa: Nee, also ich schaue mir das gar nicht an. Ich weiß überhaupt nicht, was da gerade passiert. Einfach weil es mich nicht anspricht. Ich habe da keine Antennen für die. Also wenn das Leute berührt, dann ist das gut – aber es ist nicht meins.
    Elsäßer: Kann man ein bisschen sagen, das zieht sich durch Ihre Karriere durch, eine Unverbiegbarkeit?
    Prosa: Ja, also ich meine Unverbiegbarkeit in dem Sinne, dass ich, glaube ich, auch immer viel ausprobiert habe oder bereit war, irgendwie Wege in verschiedene Richtungen zu gehen. Mein Album jetzt davor, das "Keiner Kämpft Für Mehr", das war, sagen wir mal, so ein bisschen ein Ausflug in die Pop-Welt. Weil ich da durchaus auch was dran finde. Aber ich komme jetzt wieder eben zurück zu diesem ursprünglichen Lied, also Gitarre oder Klavier und Stimme. Und mal sehen, wohin die Reise geht. Aber ich kann nur machen, wovon ich selber begeistert werden kann.
    Elsäßer: Sagt Max Prosa, Liedermacher, neuerdings auch Buchautor. Demnächst unterwegs mit einer Mischung aus Liedern und Texten, live auf vielen, vielen Bühnen. Herzlichen Dank für dieses Corsogespräch.
    Prosa: Ja, gerne.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.