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Musiker Hacke/Edwards
Von der Freundschaft zur Feder

Der Berliner Musiker Alexander Hacke von den Einstürzenden Neubauten und der Amerikaner David Eugene Edwards sind seit langem Freunde, jetzt haben sie erstmald gemeinsam ein Album herausgebracht: "Risha" bedeutet "Feder", doch federleicht ist die Musik nicht gerade.

Von Anke Behlert | 03.06.2018
    Zwei Männer mit langen Haaren, Sonnenbrillen und Lederjacken posieren vor der Kamera.
    Langjährige Freunde, jetzt gemeinsam musikalisch aktiv: Alexander Hacke (li.) und David Eugene Edwards (Glitterhouse Records/Sylvia Steinhäuser)
    "Es gibt eine Affinität von David zu Native Americans, wo die Feder ja ein wichtiges Symbol und ein wichtiger Gegenstand ist. Seine Beschäftigung mit dem Alten Testament und meine Affinität zur Kabbala und zum Hebräischen, das gibt eine interessante Komplementärfarbe zur arabischen Sprache und Kaligrafie. Drittens und ganz profan finde ich es amüsant, dass das Wort "Risha" ein sehr feminines ist und erstmal von uns beiden Machotypen ablenkt. Es lockt auch ein bisschen auf die falsche Fährt, das finde ich gut."
    Sagt Alexander Hacke lachend. Hacke ist einer der bedeutendsten deutschen experimentellen Künstler. Schon seit 1980 spielt er bei den Einstürzenden Neubauten Bass und Gitarre, darüber hinaus hat er zahlreiche Soloalben veröffentlicht und mit anderen Künstlern zusammengearbeitet. Darunter auch seine Frau, die Amerikanerin Danielle de Picciotto. Hacke und der Musiker David Eugene Edwards kennen sich schon seit Mitte der 90er-Jahre. Sie haben zusammen Filmmusiken geschrieben und Hacke war an dem Album "The Laughing Stalk" von Edwards' Band Wovenhand beteiligt. Aber schon bevor sie sich persönlich begegnet sind, waren sie Fan des jeweils anderen.
    Hacke: "Ich mag die Intensität, die Leidenschaft und Hingabe, mit der David sein Medium benutzt. Wo es eben nicht vorrangig darum geht zeitgemäße, groovy, unterhaltsame Musik zu machen. Sondern wo er gezielt seine Kunst dafür einsetzt, um Türen aufzustoßen für eine möglicherweise höhere Sache."
    Musik "All in the palm"
    Feuer-und-Schwefel-Predigten
    David Eugene Edwards ist in einer methodistischen Gemeinschaft in Colorado aufgewachsen und schon früh mit seinem Großvater durch die Lande gezogen. Der wollte die Menschen mit Feuer-und-Schwefel-Predigten zurück auf den rechten Weg bringen. Bis heute sind Edwards' Texte vor allem durch seine Religiosität geprägt. So auch auf "Risha", wo es gleich im ersten Stück um das berühmte Hieronymus Bosch-Triptychon "Der Garten der Lüste" geht.
    Musik "Triptych"
    Geschrieben und aufgenommen haben Alexander Hacke und David Edwards die Stücke in Hackes eigenem Studio in Berlin - im Souterrain einer alten Feuerwache. Dort hat er unter anderem Musik für einige Filme aufgenommen und diese Arbeitsweise hat auch die Entstehung von "Risha" beeinflusst.
    Hacke: "Meine Aufgabe bei diesem Projekt war es, was beim Film der Regisseur wäre oder der Kameramann. Was ich machen wollte war eine cinematische Szene zu setzen, in der sich David als Protagonist bewegen kann."
    Musik "Teach us to pray"
    Einen genauen Plan, wie die Songs am Ende klingen sollten gab es nicht. Aber das Interesse der beiden an arabischer Musik, ihrem tranceartigen Charakter und orientalischen Instrumenten hat eine entscheidende Rolle gespielt.
    Hacke: "Wir haben nicht viel über konzeptionelle oder strukturelle Strategien gesprochen. Aber wir wussten, dass wir diese orientalischen Elemente und viele der ethnischen Instrumente, die David und ich lieben und besitzen, mit so einer harschen elektronischen Musik verknüpfen wollten."
    Musik "The tell"
    Drehleier
    Das Aufeinanderprallen von Gegensätzen funktioniert auf "Risha" sehr gut. Kreischende Gitarren treffen auf Banjo-Mandoline und Bouzouki, ein blecherner Industrialbeat auf schamanenhafte Vocals. Oder wie in dem Instrumentalstück "Akhal" - eine durch Effekte verfremdete Drehleier auf eine sogenannte Bow Chime. Das ist ein Instrument aus Stahl, das der Künstler Bob Rutman gebaut hat. Hier werden die auf einer gebogenen Platte befindlichen Stahlsaiten mit einem Bogen gestrichen, wodurch ein tiefer, dröhnender Sound entsteht.
    Musik "Akhal"
    Hacke und Edwards kreieren eine intensive, hypnotische Atmosphäre voller Geheimnisse. Beide bringen ihren jeweiligen musikalischen Hintergrund mit in das Projekt ein - man hört den hymnischen Americana von Wovenhand und die sphärischen Experimentalstücke von Alexander Hacke. Zusammen mit den arabischen Elementen entsteht auf "Risha" etwas ganz Neues. Hier haben sich offensichtlich zwei Seelenverwandte getroffen.
    Hacke: "Die Herangehensweise in dem, was wir machen ist ähnlich. Es geht darum, bestimmte Bewusstseinszustände herzustellen. Die ermöglichen, das zu tun, was wir tun und das wiederum ermöglicht, diese Energie freizusetzen, die dann zu einem kollektiven Erlebnis von Schönheit beiträgt. So wie, wenn man ein Konzert spielt und alle zusammen das erleben.
    Musik "Parish chief"
    "Risha" dröhnt, brummt und wabert, dazu der beschwörende Gesang von Edwards. Keine Hits, die direkt ins Ohr dringen. Aber die Musik entfacht einen Sog, dem man sich nur schwer entziehen kann. Und das ist sicherlich ganz im Sinne von Alexander Hacke und David Eugene Edwards.