Donnerstag, 25. April 2024

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Musikerin Carolyn Wonderland
Feuriger Auftritt mit rotem Haar

Wenn Carolyn Wonderland singt, scheint sich ihre Energie direkt auf die Zuhörer zu übertragen. Ihr Gesang ist derart intensiv, dass man beinahe überhört, wie gut sie Gitarre spielt - egal ob auf ihrer Fender Telecaster oder einer im Sitzen zu bedienenden Lapsteel, dazu beherrscht sie noch Mandoline, Trompete und Klavier.

Am Mikrofon: Tim Schauen | 25.12.2015
    Eine rothaarige Frau singt in ein Mikrofon und spielt elektrische Gitarre.
    Bluesfestival Schöppingen: Die texanische Sängerin Carolyn Wonderland und Band (Deutschlandradio / Tim Schauen)
    Die 1972 in Houston, Texas geborene Amerikanerin hat einst in dem kleinen Tourbus gelebt, mit dem sie bei gut 300 Konzerten pro Jahr eh ständig unterwegs war. Diese wilden Zeiten sind bei der mit verschiedenen Preisen in den Kategorien Blues und Rock ausgezeichneten Künstlerin mittlerweile vorbei - doch immer noch ist sie: eine ausgezeichnete Musikerin, die auch in Schöppingen einen feurigen Auftritt hinlegte. Und das hatte nichts mit ihren roten Haaren zu tun.
    Aufnahme vom 24.5.15 beim 24. Bluesfestival Schöppingen
    "Ich liebe den Geruch von Lötzinn!" - Interview mit Carolyn Wonderland (03:14)
    "Es hat Spaß gemacht, hier auf dem Festival zu spielen, gleich von Beginn an waren die Leute aufmerksam dabei. Und ich konnte schnell sehen, wo die Gitarristen im Publikum stehen: sie starren immer Löcher in meine Hände, während ich spiele. Aber schön war auch, dass dort Kinder getanzt haben, denn das ist für mich das Schöne an Musikfestivals: Wenn Du für Kinder spielst und sie fangen an zu tanzen. Das bedeutet mir viel. Denn obwohl ich im Lauf der Jahre so viele Konzerte gespielt habe, bin ich vorher doch immer sehr nervös. Aber wenn es dann losgeht, bin ich auch schnell mittendrin und meine Nervosität ist weg.
    Ich mache ja schon sehr lange Musik, aber ich weiß so etwas wie den Auftritt hier immer noch zu schätzen. Früher hatte ich viele verschiedene Jobs, habe gekellnert und so - aber das habe ich immer gemacht, um Musik machen zu können. Mit 15 habe ich angefangen, in Bars zu spielen. Als ich dann aus der Schule hinausgeworfen wurde, hat das mich nicht in der Art getroffen, wie es mich vielleicht hätte treffen sollen. Ich dachte nur: Endlich kann ich Musik machen! Ich lebte damals bei meinem Vater, und der hat es recht ruhig aufgenommen, er sagte: Du weißt selbst, dass Du nun einen Job brauchst. Okay, sagte ich, und habe angefangen, einige Mal pro Woche in Klubs zu spielen. Klar habe ich nicht viel verdient, aber das Leben war zu der Zeit auch noch recht günstig.
    Einbringen der Persönlichkeit
    Ich stamme aus Texas, bin in Houston geboren, habe lange in Austin gewohnt - und beide Städte sind große Musikstädte. Ich habe dort viel von den Musikern gelernt, die immer in den Klubs spielten. Nur durch's Zuhören! Und da ist mir sehr bald aufgefallen: Bluesmusiker spielen denselben Song selten zweimal in exakt derselben Version. Nehmen wir meinen Lieblingstitel "Stormy Monday" – auch wenn den vielleicht nicht alle so mögen, wie ich – aber er wird oft nachgespielt, und es sind so wenige Noten und Akkorde vorgegeben, dass man sich mit seiner Persönlichkeit stark einbringen muss, sonst funktioniert das Lied nicht richtig und bleibt eine Hülle. Das ist es, was für mich diese Art Musik ausmacht.
    Als Gitarristin bin ich übrigens genauso technikversessen wie meine männlichen Kollegen: ich habe diese Telecaster Thinline schon lange. Damals stand ich sehr auf Danny Gatton, habe ihn oft spielen gehört, er hatte diese Tele mit Joe Barden-Pickups, und ich musste auch unbedingte solche Tonabnehmer drin haben. Also habe ich mir ein Paar Joe Bardens besorgt und eingebaut. Ich liebe den Geruch von Lötzinn. Ich weiß: Das ist nicht sehr gesund, aber ich mag es einfach zu sehr. Ich saß also gerade über meiner Gitarre, hatte alles abgeklebt und habe mit ruhiger Hand die Tonabnehmer in meine Gitarre gelötet, da kam mein Nachbar rein und schrie: Nimm sofort den Lötzinn aus dem Mund!
    "Schraube gerne an Verstärkern"
    Manchmal beim Basteln geht auch etwas schief und ein Profi muss mir helfen, die Sachen wieder hinzubekommen. Aber ich schraube halt gerne mal ein bisschen herum, auch an Verstärkern. Auch dieser Teil der Musik fasziniert mich eben. Und ich wusste schon immer, dass ich etwas mit Musik machen musste. Wenn ich früher in Houston in einem Raum mit sehr vielen Gitarristen war, habe ich gesungen, waren viele Sänger da: habe ich Gitarre gespielt."