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Musikerin MissinCat
"Musik spiegelt, was ich im Moment bin"

Omas Bechstein-Flügel weckte ihre Liebe zur Musik, der Reiz des Unbekannten ließ sie nach Berlin ziehen: Als MissinCat schreibt die gebürtige Italienerin Caterina Barbieri Popsongs – beim dritten Album "Wirewalker" mit eindeutiger Melancholie-Schlagseite.

Caterina Barbieri im Gespräch mit Christoph Reimann | 28.02.2015
    Singer/Songwriterin Missincat singt im Deutschlandradio Kultur
    Caterina Barbieri veröffentlicht als MissinCat das dritte Album. (Deutschlandradio / Oranus Mahmoodi)
    Christoph Reimann: Frau Barbieri, Ihre neue, dritte Platte heißt "Wirewalker". Zu Deutsch also "Der Drahtseiltänzer" - oder auch "Die Drahtseiltänzerin", könnte man sagen. Sind Sie das, die Drahtseiltänzerin?
    Caterina Barbieri: Ja, irgendwie auch. Es ist natürlich metaphorisch. Also, "Wirewalker" ist jemand, der sehr mutig ist, der es nicht leicht hat, aber der sich traut, auf dem Seil zu tanzen.
    Reimann: Tatsächlich ist Ihr Album ja gar nicht so verspielt und gar nicht so fröhlich wie Ihre ersten beiden Alben. Stattdessen klingen sie viel ernsthafter auf der Platte. Was ist denn da passiert?
    Barbieri: Ich glaube, es ist immer eine Fotografie von dem Moment, von der Lebensphase, wo man ist. Man wird auch größer. Vielleicht auch ein bisschen diese mädchenhafte Welt wollte ich verlassen, hinter mich lassen. Und habe ich ja tatsächlich auch gemacht. Deswegen die Musik spiegelt, was ich im Moment bin.
    Reimann: Das sind alles sehr persönliche Songs. So klingen sie. Gehe ich recht in der Annahme, dass es auch so ist?
    Barbieri: "Ich bin ein Storyteller"
    Barbieri: Ja, ich bin ein Storyteller. Das bin ich absolut.
    Reimann: Sie singen auf der Platte viel über die Liebe und den Verlust. Einen Song gibt es, der für mich besonders durch seinen Text hervorsticht. Das ist das Lied "Star". So wie ich es verstanden habe, ein Song für Ihren Bruder. Ist das richtig?
    Barbieri: Nein. Das ist ein Song für einen Freund von mir, der so gut befreundet mit mir ist, dass er wie ein Bruder ist. Aber den es nicht mehr gibt. Der war ein krasser Seiltänzer. Er ist ein Mensch, der sein Leben immer sehr intensiv gelebt hat. Und dieses Lied redet über ihn.
    Reimann: Man hört es so ein bisschen: Sie sind Italienerin. Geboren in Mailand, jetzt Wahl-Berlinerin. Wie sind Sie denn in Berlin gelandet?
    Barbieri: Ich hatte Freunde in Berlin. Deswegen war ich ab und zu in Berlin. Ich war begeistert. Ich dachte: Wow, was für eine Stadt! Ich komme aus Mailand. Mailand ist ja so eine Arbeitsstadt, wo die Leute immer nur arbeiten und arbeiten. Sie sind gestresst und nervös. Und dann kam ich in diese Stadt, wo es so viele Künstler gab. Und viel alternative Szene und so entspannt. Und dann habe ich gedacht: Ich fahre nach Berlin und bleibe vielleicht ein halbes oder ein ganzes Jahr. Und dann bin ich einfach stuck geblieben.
    Reimann: Wann war das? Wann sind Sie umgezogen?
    Barbieri: Es sind jetzt so siebeneinhalb Jahre, dass ich in Berlin bin.
    Reimann: Wenn man so aus deutscher Perspektive denkt an die italienische Popmusik, dann denkt man oft an Künstler, die eher in eine Schlagerrichtung gehen. War da vielleicht auch einfach kein Platz für Ihre Musik in Ihrer Heimat Mailand?
    Barbieri: Es gibt tatsächlich auch in Italien eine super-schöne alternative Szene, die aber nicht ins Radio kommt. Also, die bleibt im Underground. Radio spielt nichts von dieser alternativen Szene, von dieser Musik. Aber die Leute füllen trotzdem die Klubs, und die haben richtig gutes Publikum. Aber irgendwie hatte ich das Gefühl, im Ausland hätte ich ein bisschen besser meine Nische, mein Publikum gefunden. Auch durch die Sprache, weil ich habe auch damals schon auf Englisch gesungen. Und ich glaube, wie in Deutschland wie in Italien auch, sieben Jahre her, gab es eine Welle, wo die meistens wollten Italienisch hören. Also wie hier auch in Deutschland, und jetzt wiederum ist es auch wieder okay mit Englisch.
    Reimann: Sie haben es ja gerade angesprochen: Sie singen auf Englisch, zumindest meistens. Könnte ja aber auch eigentlich ... Deutsch könnte es sein, Italienisch könnte es sein. Warum die englische Sprache?
    Barbieri: "Sprachen sind wie Instrumente"
    Barbieri: Also, ich finde immer Sprachen sind wie Instrumente. Jede Sprache klingt wie ein Unterschied zwischen einem Cello und einer Viola und einer Geige. Die klingen komplett anders. Und deswegen Englisch: Ich glaube, es ist meine Musiksprache, weil ich immer so viel englischsprachige Musik gehört habe in meinem Leben.
    Reimann: Wer waren denn Ihre großen musikalischen Vorbilder?
    Barbieri: Also, ich würde sagen, das größte Vorbild, das ich habe, sind Lou Reed und Velvet Underground. Diese ganze Szene finde ich wirklich wunderbar. Patti Smith. Was ich auch sehr gerne höre, sind die ersten Sohl-Sängerinnen wie Nina Simone, Billie Holiday, Aretha Franklin. Auch die ganze Motown-Szene, das ist etwas, was ich sehr mag.
    Reimann: Ich finde: Trotzdem hört sich Ihre Musik auch sehr nach der Gegenwart an. Als ich Ihre Platte gehört habe, da musste ich auch denken an Musikerinnen wie Dillon, die ja auch in Berlin lebt, oder die Schwedin Lykke Li. Sind das auch Bezugspunkte für Sie, die Sie wahrnehmen?
    Barbieri: Wir gehören alle zu dieser Ära, deswegen gibt es wahrscheinlich Ähnlichkeiten. Und die zwei Beispiele, die Sie jetzt gefragt haben, sind auch zwei Stimmen, die nicht so unterschiedlich von meiner sind. Deswegen wahrscheinlich, ich habe das oft gehört, ich habe das oft gehört ...
    Reimann: Sie singen ja nicht nur, sondern Sie schreiben Ihre Songs auch selber an Gitarre und Klavier, wenn ich das richtig verstanden habe.
    Barbieri: Ja.
    Reimann: Wie sind Sie zur Musik gekommen?
    Barbieri: Witzigerweise ... Meine Oma hatte ein Klavier, ein schöner Bechstein-Flügel. Superschön. Und da habe ich ... Wir sind drei Schwestern und ich bin die Einzige, die ich immer ... Also, für mich war das wie ein Magnet. Ich bin dahin gerannt und habe aufgemacht und angefangen, zu spielen. Und ich glaube, da habe ich tatsächlich entdeckt meine Leidenschaft für Musik, dass ich schon an Klavier von Anfang an, ich wollte etwas schreiben. So Themen oder perkussive Sachen. Also mit dem Flügel kann man auch viel machen mit den Pedalen und so. Dann habe ich mir eine Gitarre gewünscht. Und habe ich dann in der Schule angefangen, Bass-Gitarre, dann angefangen, in Bands zu spielen. Und dann war es schon vorbei, ich war schon voll in die Musik verliebt. Ich glaube, das ist einfach passiert. Ich habe auch immer gesungen. Ich glaube, das ist einfach eine Leidenschaft, die in mir drin ist, und ich könnte es nicht vermeiden.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.