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Musikfestival "Rencontres Transmusicales"
Sprungbrett für Newcomer

Wer bei den Rencontres Trans Musicales im französischen Rennes auftritt, hat gute Karten, international bekannt zu werden. In diesem Jahr gehörte die Hamburger Brassband Meute zu den Entdeckungen, aber auch das französisch-koreanische Duo Moon Gogo, die exzentrische Französin Fishbach und die Jazz-Sängerin und DJane Deena Abdelwahed aus Tunesien.

Von Cornelius Wüllenkemper | 05.12.2016
    Die chinesische Band Stolen beim Trans Musicales Festival am 1. Dezember 2016 in Frankreich
    Die chinesische Band Stolen beim Trans Musicales Festival 2016 (AFP PHOTO/LOIC VENANCE)
    Düsterer Post-Rock von Stolen, einer jungen Band aus China, die am Wochenende in Rennes ihr erstes Konzert außerhalb ihrer Heimat gaben. Noch wirken die Posen der sieben Musiker aus Fernost etwas einstudiert, aber musikalisches Potential ist hier eindeutig vorhanden. Seit 38 Jahren kuratiert Direktor Jean-Louis Brossard sein Festival nach dem Prinzip, dass Künstler, die ihm gefallen, als erstes bei den Trans Musicales auftreten sollen. Dabei hat der quirlige und charismatische Mitsechziger von Anfang an ein erstaunliches Gespür für kommende Berühmtheiten bewiesen: Lenny Kravitz war schon 1989 in Rennes, Nirvana 1991, Björk, Portishead und Daft Punk kurz darauf. Und das sind nur einige der späteren Stars, die schon sehr früh bei den Trans Musicales Station machten. Direktor Jean-Louis Brossard ist seinem Motto seit 38 Jahren treu geblieben:
    "Ich begrüße alle Künstler auf den Trans Musicales persönlich und versuche, etwas Zeit mit ihnen zu verbringen und mir die Konzerte anzuschauen. Ich verstehe mich in erster Linie nicht als Festivalmanager, sondern vor allem als Musikliebhaber. Wir verzichten bei den Rencontres Trans Musicales zwar weitgehend auf die großen Namen, aber dafür wird jeder Künstler bei uns wie ein Star behandelt, sowohl persönlich als auch technisch, mit großer Lightshow und Soundanlage."
    Vier Tage lang pulsiert die ganze Stadt
    In diesem Jahr haben wieder über 100 Bands aus 35 Ländern die 17 großen und kleinen Bühnen bespielt, vier Tage lang schien ganz Rennes dabei musikalisch zu pulsieren. Zwischen den Verkaufsständen auf Frankreichs größtem Freiluft-Wochenmarkt, auf der Place des Lices in der historischen Altstadt, war die Hamburger Band Meute mit ihrer Mischung aus Blasmusik und Techno zu hören. Für die elf Musiker war es das erste Konzert in Frankreich.
    Bandleader, DJ und Produzent Thomas Burhorn ist Trompeter und Techno-Fan. Am Anfang seiner elfköpfigen Brass-Band Meute stand die Idee, ...
    "... dass man dieses akustisch Übersichtliche in der Technomusik auch in visuell Übersichtliches umsetzt, also mit einzelnen Instrumentalisten. Und ich weiß, dass Blasmusik eh so eine krasse Energie hat - immer! -, der sich niemand entziehen kann. Und Techno hat auch so ein Energie, der sich am Ende eigentlich auch niemand entziehen kann. Und dann dachte ich: Die Kombination müsste doch relativ explosiv sein."
    Thomas Burhorn (Trompete), Hans-Christian Stephan (Tenor, Saxophon), Sebastian Borkowski (Posaune), Sebastian John (Bariton, Saxophon), Hubert Fersterer oder Oleg Rovner (Bass, Saxophon), Philip Andernach (Sousaphon), Philipp Westermann (Marimba), Andre Wittmann (Schlagzeug),  Nando Schäfer (Schlagzeug), Timon Fenner (Schlagzeug) und Marco Möller beim 25. Kulturarena Festival 2016 auf dem Theatervorplatz in Jena.
    Die Band Meute beim 25. Kulturarena Festival 2016 (imago stock&people/VIADATA)
    Tradition und Moderne treffen aufeinander. Bei den diesjährigen Trans Musicales war das erklärtermaßen Programm. Das französisch-koreanische Duo Moon Gogo etwa mischte traditionelle Musik aus Südkorea mit elektronischen Loops, Gitarre und Gesang. Die Koreanerin E'Joung-Ju erläutert, was es mit dem Geomungo auf sich hat:
    "Ich spiele Geomungo, ein traditionelles koreanisches Saiteninstrument, das es bereits seit 1.600 Jahren gibt. Die Tonlage ist zwischen Bass und Cello, und man spielt es mit einem kleinen Stöckchen, mit dem man die Saiten anschlägt. Die Saiten werden übrigens traditionell aus Seide hergestellt."
    Auch Newcomer der Popmusik waren nach Rennes gekommen, zum Beispiel die exzentrische 25-jährige Französin Fishbach. Ihre theatralischen und durchaus polarisierenden Auftritte changieren popmusikalisch zwischen den Pet Shop Boys und France Gall.
    Große stilistische Bandbreite
    Die Trans Musicales de Rennes bieten nicht nur jungen Bands aus aller Welt eine Bühne, traditionell versteht sich das Festival auch als politisches Forum. Auch wenn die chinesischen Musiker von "Stolen" sich jede Frage zur Situation in ihrem Land verbat, andere Musiker aus Südafrika oder Ägypten bezogen klar Position. So auch die tunesische Jazz-Sängerin und DJane Deena Abdelwahed, die sich als Botschafterin der jungen Generation ihres Landes sieht:
    "Ob ich es will oder nicht, das was ich tue, ist politisch. Ich bin jung, eine Frau, und unzufrieden mit der politischen Situation in Tunesien. Und das äußere ich, sowohl in meiner Musik als auch in Interviews. Ich glaube, das ist meine Pflicht als Bürgerin Tunesiens, gerade weil die staatlichen Institutionen ihren Aufgaben nicht nachkommen. Ich bin anders als die vielen Künstler und Akademiker, die das Vertrauen in unser Land verloren haben und auswandern, um woanders Karriere zu machen. Das verschlimmert die Lage bei uns nur noch, und wenn dann auch die einfachen Leute das Land verlassen wollen, haben sie nur die Möglichkeit, sich ins Mittelmeer zu stürzen."
    Nicht zuletzt bei Deena Abdelwahed konnte man erfahren, welche politische und gesellschaftliche Bedeutung Musik entwickeln kann. Bei aller stilistischen Bandbreite und auch qualitativen Unterschieden bieten die Rencontres Trans Musicales de Rennes, Frankreichs wichtigstes Newcomer Festival seit 38 Jahren, Zeit für die Entdeckung neuer musikalischer Stimmen aus der ganzen Welt.