Donnerstag, 18. April 2024

Archiv

Musikgeschäft
Rebecca Ferguson: Befreiung vom Castingshow-Stempel

US-amerikanische und britische Castingshow-Kandidaten sind weitaus erfolgreicher als ihre deutschen Kollegen. Bestes Beispiel: Rebecca Ferguson. Das Debütalbum der "The X Factor"-Finalistin verkaufte sich über 1,5 Millionen Mal. Jetzt ist ihr zweites Album "Freedom" erschienen.

23.11.2013
    Die britische "X Factor"-Finalistin Rebecca Ferguson bei einem ihrer Auftritte.
    Vom Retro-Soul zum angesagten R&B: Rebecca Ferguson stellt ihr neues Album "Freedom" vor. (picture alliance / dpa / Susannah V. Vergau)
    "Ich denke, ich habe mich von vielen Dingen befreit. Etwa von Leuten aus meinem Umfeld, die nicht wirklich gut für mich waren. Aber auch von negativen Beziehungen. Ich habe zu viele schlechte Menschen angezogen, die sich nach "The X Factor" als meine Freunde ausgegeben haben, auch wenn sie das nicht waren. Sie wollten nur ihr Stück vom Kuchen. Nach dem Motto: "Sie bekommt eine Menge Aufmerksamkeit – und davon will ich etwas abhaben." Das habe ich mittlerweile abgeschüttelt."
    Weshalb der Titel "Freedom", also Freiheit, nicht von ungefähr kommt, sondern er hat Symbolcharakter. Ist Ausdruck von Durchsetzungsvermögen. Und Sinnbild einer Künstlerin, die weiß, was sie will. Die dem Castingshow-Format entwachsen ist. Weder Eintagsfliege noch Popsternchen sein möchte und sich folgerichtig von einem Management getrennt hat, das ansonsten One Direction betreut. Was seit Monaten für einen nervenaufreibenden Rechtstreit sorgt, wegen dem Rebecca sogar schon ans Aufhören dachte.
    "Das habe ich wirklich. Ich hatte das Gefühl, als ob es den Ärger einfach nicht wert wäre. Doch das hat sich mittlerweile gelegt. Und deshalb dreht sich das Album auch um Stärke - darum, immer weiterzumachen, nie aufzugeben und nicht zuzulassen, dass dich jemand zerbricht. Sprich: Ich habe meine Kraft in der Musik gefunden. Und wer die Songs hört, merkt sofort, dass es da um Befreiung geht. Darum, sich von niemandem zurückhalten zu lassen."
    Rebeccas zweites Album klingt denn auch ganz anders als "Heaven", ihr Debüt von 2011, das alleine in Großbritannien eine Million Käufer fand. Statt Retro-Soul in der Manier von Adele, Amy Winehouse oder Duffy, dominiert jetzt moderner R&B und Soul, der jede Menge Ecken und Kanten aufweist, von einem großen, leidenschaftlichem Gesang und kämpferischen Texten lebt und für die 27-Jährige pure Selbsttherapie ist. Einfach, weil sie als alleinerziehende Mutter von zwei Kindern viel Stress hat und in Sachen Beziehungen scheinbar nicht besonders glücklich ist.
    "Bei den Aufnahmen war ich ein emotionales Wrack. Und das schlägt sich auch in den Texte nieder. In Songs, die vollkommen ehrlich sind. Was ich für extrem wichtig halte. Ich meine, ich weiß, dass einige Künstler Angst haben, ihren Fans gegenüber zu offen zu sein. Aber ich denke, das ist etwas Menschliches, egal ob man in der Öffentlichkeit steht, Künstler oder sonst was ist. Wir alle erleben und fühlen ähnliche Dinge. Von daher sollte man auch in der Musik ehrlich sein. Und hoffentlich können die Leute eine Verbindung dazu aufbauen – weil sie die Offenheit spüren."
    Womit die Dame aus Liverpool einem geradezu klassischen Ansatz folgt. Denn wie die Größen des Soul – Al Green, Marvin Gaye oder Sam Cook – thematisiert sie keine schöne, heile Welt, sondern sie spricht Tacheles, kehrt ihr Innenleben nach außen, und liefert echte Identifikationsfläche. Weshalb ihre Plattenfirma auch alles daran setzt, sie zu einem Duett mit einer Legende wie Aretha Franklin zu bewegen. Bislang vergebens.
    "Momentan steht das nicht auf meiner Prioritätenliste. Und um ehrlich zu sein, halte ich es auch nicht für erstrebenswert, mit Aretha zu singen. Das wäre ja, als wolle sich eine Maus mit einem Löwen messen. Wobei sie der Löwe wäre. Von daher lasse ich sie einfach die Königin des Soul sein. Und ich denke nicht, dass ich je mit ihr in den Ring steige. Denn niemand kann Aretha schlagen."
    Dabei wären die beiden ein perfektes Paar. Denn wie Aretha mit ihrem 67er Klassiker "Respect", verweist auch Rebecca untreue, unzuverlässige oder einfach nur unreife Männer in ihre Schranken, macht anderen Frauen Mut, und tut das auf eine spielerische, süffisante Weise. Nach dem Motto: Lass dir nichts gefallen, räche dich so, dass du auch Spaß daran hast – und schreib anschließend einen Song darüber, um alle daran teilhaben zu lassen.
    "Fake Smile" handelt davon, von einem Mann verletzt zu werden. Worauf die beste Reaktion immer noch ist, sich richtig aufzustylen und dafür zu sorgen, dass man toll aussieht und die Aufmerksamkeit aller Männer auf sich zieht. Am besten so, dass er es ja mitbekommt. Dazu setzt man ein falsches Lächeln auf und denkt sich: "Der Typ ist es gar nicht wert." Wovon wohl jede Frau träumt, die schon eine Trennung hinter sich hat – eben dass ihm bewusst wird, wie toll sie aussehen kann und wie gut es ihr ohne ihn geht. Nach dem Motto: "Das hast du nun davon.""