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Musikhotels in New York
Bitte stören!

In Hotels herrscht meistens Ruhe - die Gäste wollen schließlich nicht gestört werden. Nicht so in Musikhotels: Hier werden Gäste geradezu dazu aufgefordert, die Musik aufzudrehen. Besonders in New York wächst die Zahl der Themen-Hotels, in denen man zum Frühstück schon mal Dancemusik hört und die Zimmer mit Instrumenten und High-End-Lautsprecheranlagen ausgestattet sind.

Von Sonja Beeke | 24.08.2015
    Party-Musik am Empfang, Party-Musik in den Toiletten (Wasser und Klospülung). Party-Musik im Frühstücksraum (Kaffeegeräusche). John aus Arizona schneidet einen frischgebackenen Pfannkuchen in kleine Stücke. Er hat sich in die hinterste Ecke des dunklen Frühstückraums verzogen, als wolle er seine Ruhe haben. Aber die ist hier im Hotel BPM im Szenebezirk Brooklyn nur schwer zu finden.
    "Die Danceparty-Musik hier, das ist der typische Soundtrack für dieses Hotel. Ich bin schon ein paar Mal hier abgestiegen. Es ist ein bisschen heftig zum Frühstück, wenn Du Jetlag hast. Aber mir gefällt's. Es ist anders!"
    Die Inneneinrichtung ist minimalistisch. Die Möbel sind glatt und eckig und in dunklen Grautönen gehalten. Hier und da gibt es einen limettengrünen Farbtupfer.
    "Mir gefällt, dass das Hotel neu ist. Es fühlt sich zumindest sauber an, auch wenn ich weiß, dass Hotels auf dem Gebiet finstere Geheimnisse haben."
    "Selbst in der Dusche haben wir ein Lautsprechersystem"
    John ist musikalisch, spielt Klavier und Saxofon, hat sich aber vor allem von der Lage und dem Preis überzeugen lassen und weniger dem Musikthema des Hotels, dessen Zimmer für umgerechnet gut 100 Euro zu haben sind. Wer beim Namen "Hotel BPM" nicht gleich an Beats Per Minute denkt, der merkt spätestens beim Dekor, dass er in einem Musikhotel gelandet ist. So erging's auch Elize, die mit drei Freunden aus Kanada angereist ist:
    "There are music themed things, there are music notes printed on the carpet."
    In den Zimmern: Musiknoten auf dem Teppich, Kassettendeckmuster auf Lampenschirmen, Kissenbezügen und Tapeten. Und natürlich High-End-Boxen, wie Ana Zapata, die das BMP leitet, hinzufügt:
    "Du kannst das Volumen in Deinem Zimmer natürlich voll aufdrehen. Selbst in der Dusche haben wir ein Lautsprechersystem."
    Über das der hauseigene Musiksender läuft, aktuelle Musik zum Feiern mit zusätzlichen Partytipps rund um Brooklyn herum. Dafür sind die Hotelzimmer allesamt schallisoliert. Die Idee, das Konzept, Design und die Playliste des Musiksenders stammen allesamt von Bijal Panwala, besser bekannt als DJ Bijal, eine Art Mr. Everywhere: Radiomoderator, Matratzendesigner und Musikhotelier.
    "Als DJ ist ihm Musik natürlich sehr wichtig. Aber vor allem sollte sein Hotel praktisch sein im technischen Sinne, deshalb haben alle Zimmer so viel technisches Zubehör und so viele Steckdosen, sodass Du arbeiten oder Party machen kannst."
    Wer sich im Hotelwesen vor allem um jüngere Gäste bemüht - also die Mitte 20 bis Mitte 30-Jährigen, der muss Platz schaffen für all die Handys, Laptops, Tablets, E-Reader und MP3-Player.
    Auffällig still ist hingegen der Aufzug im BMP:
    "Wir sind zwar ein Musikhotel und spielen rund um die Uhr Musik, aber es gibt auch Ruheinseln, wenn Du willst."
    "In der Hotelindustrie musst Du immer etwas Neues bieten"
    Auch das Wythe Hotel im benachbarten Williamsburg buhlt um die musikaffine, kreative und junge Zielgruppe. Doch das technische Equipment sieht dort aus, als stamme es aus den 60ern: Telefone mit Wahlscheibe und holzverkleidete Radios mit integrierter Handydockstation. Der Vintage-Retrolook wird im Wythe Hotel groß geschrieben - hip, hipster, Williamsburg eben - mit Hotelzimmern, die so groß sind, dass dort eine ganze Band Platz finden kann.
    Und das Ace Hotel in Manhattan hat seine schicke Loft Suite mit Martin-Gitarre und Plattenspieler ausgestattet, auf dem Nachttisch liegen leere Notenblätter, für geniale Einfälle mitten in der Nacht - falls einen bei umgerechnet fast 900 Euro pro Nacht die Kreativität nicht verlassen hat. Die meisten dieser Features sollen vor allem ein heimeliges Gefühl erwecken, "Home away from home" und nicht in einem sterilen 08-15-Hotel, wo ein Zimmer wie das nächste aussieht. Heutzutage wollen viele Touristen Hotels mit Wow-Faktor, bei denen die Unterkunft selbst zum Event wird, erklärt Farah Francois, die an der Hotel BPM-Rezeption arbeitet:
    "In der Hotelindustrie musst Du immer etwas Neues bieten, das anders ist. Wenn unsere Gäste ankommen, dann sind sie überrascht, dass wir Biggy Small und Jay-Z in der Lobby spielen - und sie grooven mit, so wie wir."
    Sagt's und dreht die Musik weiter auf. Der Frühstücksraum spuckt einen verschlafenen Hotelgast aus London mit nacktem Oberkörper aus, dem die Lautstärke zu gefallen scheint. Und für einen Moment kann man sie spüren, die Rockstar-Hotel-Aura.