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Musikschulen
Dumpinglöhne für freie Musikpädagogen

Musikschulen in Deutschland verzeichnen steigende Schülerzahlen: 1,4 Millionen Kinder lernen Woche für Woche Gitarre oder Klavier. Doch bei denen, die den begehrten Instrumentalunterricht geben, reicht das Geld zum Leben kaum. Bundesweit wehren sich Musikpädagogen gegen sinkende Honorare.

Von Kathrin Sanders | 28.04.2017
    Ein Mädchen am Klavier hört einem Jungen beim Saxofon-Spielen zu.
    Musikschulen haben großen Zulauf: vom Boom merken freie Musiklehrer aber nichts - ihre Honorare reichen kaum zum Leben, krank werden dürfen sie möglichst nicht. (Aleksandr Pogotov / RIA Novosti)
    In einem Café in Köln-Ehrenfeld treffen sich regelmäßig freie Musikpädagogen zum Austausch über die Honorare, die der wichtigste Kunde zahlt: die örtliche Musikschule. Es geht um 25 Euro für 60 Minuten Trompeten-, Klavier- oder Gitarrenunterricht - und darum, welche Folgen das täglich hat:
    "Mein Gehalt und meine Lebenssicherheit ist total abhängig von diesem Unterrichten. Das heißt, wenn ich auf einmal weniger Schüler habe, ist alles weg, ich kann nicht planen."
    "Grundsätzlich muss man einiges ausblenden, um damit zufrieden zu sein, glaube ich. Also wenn man jetzt über Rente nachdenkt, oder was ist, wenn man mal krank ist und man nicht unterrichten kann, oder ein Nachmittag nicht gefüllt ist, wenn einfach ein großer Freiraum ist, der warum auch immer nicht gefüllt ist, dann fehlt einem doch am Ende vom Monat recht viel Geld."
    "Ist das Problem, dass das einfach zu wenig Kohle ist. Niemand würde für dieses Geld auch nur den Koffer aufmachen."
    "Das Geld reicht bei vielen zum Leben kaum"
    Vorbereitungszeiten für den Unterricht, Beratung von Eltern, Mitwirken an Vorspielen, Veranstaltungen oder Konferenzen - in den Musikschulen leisten die freien Lehrer das alles inklusive. Unterm Strich reicht das Geld bei vielen zum Leben kaum. Petra Stalz von der Bundesfachgruppe Musik bei der Gewerkschaft verdi verweist auf bundesweite Erhebungen:
    "2008 war das Jahreseinkommen 13.300 Euro durchschnittlich und 2012 sank es schon auf 12.400 Euro. Jetzt sind wir gespannt, wie wenig ein Musikschullehrer 2017 verdient, der freier Mitarbeiter ist."
    Von den 38.000 Musikpädagogen sind nicht einmal die Hälfte angestellt und damit sozial und tariflich abgesichert. Für Matthias Pannes, Bundesgeschäftsführer beim Verband der Musikschulen in Deutschland, ist das untragbar:
    "Wir reden hier von studierten Lehrkräften, die etwas weitergeben in einer Gesellschaft, die Kultur auch für die Zukunft braucht. Und wir tun diesen Menschen eigentlich Unrecht, wenn sie an einer Musikschule zu Dumpingpreisen frei tätig sind. Es geht auch um die Funktionsfähigkeit des Organismus Musikschule, wo die Dinge miteinander verwoben sind."
    Millionen vom Bund kommen bei 20.000 freien Musikpädagogen nicht an
    Programme wie "Jedem Kind ein Instrument" oder das Bildungs- und Teilhabepaket seien keine Lösung für das Honorarproblem. Auch nicht das aktuelle Bundesprogramm "Kultur macht stark". Immerhin bringt es zwar in den kommenden fünf Jahren 20 Millionen Euro in die Musikschulen.
    Doch das Mehr an Mitteln komme bei den rund 20.000 freien Musikpädagogen nicht an. Die Millionen vom Bund machen in der Finanzierung der Musikschulen nur ein paar Prozentpunkte aus.
    "Programme oder Projekte helfen hier eigentlich nicht weiter. Es ersetzt nicht die grundständige kommunale Finanzierung. Und: den höheren Finanzierungsanteil der Länder. Bundesweit kommen die Länder nur unzureichend ihrem Auftrag nach, sich an der Finanzierung der Musikschulen zu beteiligen."
    Kommunen als Arbeitgeber in die Pflicht nehmen
    Verdi setzt deshalb auf Protest statt auf Projekte. In die Honorarfrage soll Bewegung kommen, die Kommunen sollen als Arbeitgeber in die Pflicht genommen werden. Die erfolgreiche Musterklage eines Gitarrenlehrers aus Ahaus könnte hier wegweisend werden.
    Das Landessozialgericht sah in der Honorartätigkeit des Musikpädagogen Anzeichen für eine Scheinselbstständigkeit. Sollte das Urteil in letzter Instanz Bestand haben, werden rückwirkend Sozialversicherungsbeiträge für den Gitarrenlehrer nachzuzahlen sein – und das wohl nicht nur in diesem Fall. Feste, und sichere Arbeitsverhältnisse sind das Ziel, für das verdi einiges in Kauf nimmt:
    "Wir wissen, wenn es mehr Festanstellung gibt, dass natürlich schwache Kommunen sich das vielleicht nicht leisten können. Wenn dann eine Musikschule vielleicht schließen muss, dann würden wir das - glaube ich - in Kauf nehmen müssen. Denn wenn wir jetzt nicht auf den fahrenden Zug aufspringen, werden wir‘s in Zukunft nicht mehr schaffen."
    Engagement für bessere Stundenhonorare
    Mehr und mehr freie Honorarkräfte sind jedenfalls bundesweit bereit, sich zu engagieren. In Aachen und Berlin ist es durch den Zusammenhalt freier Musiklehrer gelungen, bessere Stundenhonorare bzw. eine Mindestquote für die Festanstellung zu erreichen. Es geht ihnen um die Sache - und auch um die eigene Existenz.
    "Es würde einfach bedeuten, dass ich das, was ich liebe, dass das abgesichert ist und dass ich das mit mehr Selbstbewusstsein auch tun kann. Also so dass das zu einer erfüllenden, lebenserhaltenden Arbeit wird."