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Musischer König, Gedichteschreiber und Literat

Im Jahr 2012 wird er 300 Jahre alt – der preußische König Friedrich II., der Große. Schon jetzt bereitet man sich in Berlin und Potsdam auf das historische Ereignis vor. Die Stiftung Preußische Schlösser und Gärten, in Berlin und Brandenburg der Nachlassverwalter auch von Friedrichs berühmten Schlössern Sanssouci und dem Neuen Palais, organisierte vergangene Woche in Potsdam gemeinsam mit der Stiftung Preußische Seehandlung eine wissenschaftliche Konferenz zum Großen König.

Von Bettina Mittelstraß | 04.10.2007
    Ein Flötenspieler sei er gewesen, der große Friedrich. Ein musischer König, ein empfindsamer Gedichteschreiber, ein Philosoph, ein Literat. Aber dann, später, auch ein großer Feldherr, ein Machthaber. Und schließlich: ein Volkskönig, ein besorgter, bedachter, zurückhaltender Mensch.

    "Als Legende ist, denke ich, in den Köpfen der meisten Menschen, dass Friedrich auf jedem Gebiet, gleich welches, der Große war, dass er ein Übermensch war, dass er, ja, alles besser konnte als andere Leute seiner Zeit und dass er seiner Zeit weit, weit voraus war."

    Einen Teil der Legenden, die sich um ihn ranken, hat Friedrich II. selbst auf den Weg gebracht. Als es darum ging, ein Deutsches Reich zu formieren, sind im 19. Jahrhundert viele dazugekommen. Jürgen Luh, wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten Berlin-Brandenburg:

    "Da gehört zu den Legenden zum Beispiel ein berühmtes Gemälde von Warthmüller, "Der König überall". Der König hat alles im Auge, er ist bei den Landleuten, er lehrt sie, wie man Kartoffeln pflanzt, er kümmert sich darum, das Häuser aufgebaut werden, er nimmt sich selbst zurück und ist für alle da. Und von diesen Dingen gibt es eben eine ganze Reihe, und das ist etwas, was wir hier uns einmal angucken wollen, was stimmt davon, was stimmt nicht? Wenn ja, woher kommen die Legenden? Worauf kann man sie zurückführen? Und auch die Frage stellen: brauchen wir das heute noch, um Zeit und König zu verstehen? "

    Es ist an der Zeit, den berühmtesten preußischen König einmal jenseits aller Legenden zu präsentieren, so Jürgen Luh. Jubiläen sind da immer hilfreich. In 5 Jahren schuldet man dem landesweiten Interesse an Friedrich dem Großen eine Geburtstagsfeier zum 300ten in seinen Schlössern. Bis dahin gibt es für die Stiftung noch viel zu tun.

    "Da liegt es nahe, etwas dazu zu machen, auch weil man selbst die eigenen Bestände ja noch mal neu durchforscht und in einen Zusammenhang stellen will. Und da ist eine breite Wissensgrundlage - neu, auf der Höhe der Zeit - einfach wichtig, um nicht alte Zöpfe weiter zu verlängern."

    Alte Zöpfe, immergleiche Geschichten, Legenden eben - will man bis dahin loswerden und schaut also schon früh sehr kritisch hin. Die Grundlage von Wirkungsgeschichte und Legendenbildung hat der König selbst gelegt, indem er soviel geschrieben hat. Der König als ein Schreibender, als Literat, als Autor politischer und philosophischer Texte ist das Fundament der meisten Biografien. Aber kommt man wirklich über seine Texte so direkt an ihn ran? Andreas Pecar, Historiker an Universität Rostock:

    "Man liest die Texte mit der Frage: wie hat Friedrich politisch gedacht? Und ich glaube, dass ein Neuansatz möglich wäre, eigentlich geboten wäre, indem man stärker die rhetorische Funktion dieser Texte berücksichtigt. Und das heißt, sich der Frage zuwendet: was sollten diese Texte bezwecken? "

    Friedrich der Große, so Andreas Pecar, hat in einem sehr modernen Sinne Imagepflege betrieben. Dieser Aspekt müsse in der Beurteilung seiner Schriften deutlicher zum Tragen kommen, dann entstünde auch nicht so ein unerklärtes Missverhältnis zwischen dem König der aufgeklärten, friedlichen Ideen, als der er auf der einen Seite erscheint, und dem König des Krieges, der Friedrich auch war. An einer frühen Schrift lässt sich gut zeigen, dass diese "beiden Könige" problemlos vereinbar sind, wenn man die rhetorische Funktion der Schrift berücksichtigt.

    "Es geht um den Antimachiavell, konzipiert und geschrieben noch als er nicht König war. Dann erscheint sie ohne sein direktes Zutun in der Zeit als er grade den Thron besteigt, das Erscheinen verdanken wir Voltaire in zwei unterschiedlichen Ausgaben, und ein halbes Jahr später überfällt er Schlesien aus wie er sagen würde politischen Gründen der Staatsraison. Da gibt es dann natürlich ein Missverhältnis zwischen der Imagekampagne und dem was man getan hat. Aber das ist uns auch in der Moderne sehr vertraut – Imagekampagnen, die nur für eine gewisse Zeit ihre Wirkung entfalten."

    Neue Lesarten schaffen neue Perspektiven auf Friedrich II. Aber bevor neu gelesen wird, solle doch überhaupt erstmal gelesen werden, sagt der Direktor des Geheimen Staatsarchivs Preußischer Kulturbesitz, Jürgen Kloosterhuis. Wer Legenden zurückweisen will, muss die Akten studieren – zum Beispiel die Akten über den in letzter Zeit wieder viel diskutierten Katte-Prozess, der das Bild des sensiblen Kronprinzen, der vom Vater zum besseren Preußen gedroschen und gequält wird, zu bestätigen scheint.

    "Ganz konkret ist es schon eine Frage, ob der junge Kronprinz nicht vielleicht doch schon ein wesentlich gereifterer, gefestigterer, politisch konzeptionell denkender Mensch gewesen ist und eben nicht dem Bild des unpolitischen, musischen begabten, französisch philosophierenden, weichen .. jungen Mannes entsprochen hat, der dann von einem brutalen, preußisch prügelnden Vater zu einem anderen König umerzogen wurde. Vor dieser Auffassung habe ich also sehr, sehr starke Bedenken. Die Geschichte kulminiert 1730 im Fluchtversuch des Kronprinzen im anschleißenden Militärprozess. Und wenn man in dessen Akten einmal einsteigt und sie zur Kenntnis nimmt, sieht man dass Friedrich ein ganz ein anderer gewesen ist, als so wie er lang beschrieben worden ist. "

    Es wäre sehr sinnvoll, wenn die vorhandenen Quellen ediert würden, so Jürgen Kloosterhuis. Denn nur noch wenige Historiker wühlen in den Archiven, bevor sie ihre Aussagen treffen. Doch nur der kritische Blick auf die Überlieferungen kann seiner Ansicht nach das Fortschreiben von Legenden beenden.

    "Die Legende geht immer auf Sinnstiftung hinaus. Und Geschichte, mit Verlaub, ist manchmal weitaus weniger sinnvoll gelaufen als es die Legende darstellen möchte. Ich habe ein Zitat von Ludwig Börner, also einem Literaten des frühen 19. Jahrhunderts, da immer ganz gerne auf der Palette: die Anekdoten, sagt er, sind die Henkel, an denen der Hausverstand die großen Sachen begreift. "

    Eine Anekdote mit langer Nachwirkung über den großen Friedrich ist ein Handschlag mit der damals schon mehr als 60 Jahre alten Leiche des Großen Kurfürsten Friedrich Wilhelm. Als 1750 die Särge der Angehörigen des preußischen Königshauses von der alten Grabeskirche der Hohenzollern in den neuen Dom überführt wurden, soll Friedrich II gegenüber dem Toten seine Hochachtung ausgedrückt haben.

    "Das war eine verwaltungstechnische Maßnahme, die auch davon begleitet war, dass gewisse Särge geöffnet wurden, weil man feststellen wollte, ob noch alle Preziosen, Wertgegenstände, die den fürstlichen Toten beigegeben wurden, noch vorhanden seien. Und aus diesem verwaltungstechnischen Fakt entwickelt dann auf der Grundlage einer höchst fragwürdigen Anekdote 1787 das ganze folgenden 19. Jahrhundert eine Beziehung zwischen dem Großen Kurfürsten und Friedrich dem Großen, der angeblich persönlich bei dieser Sargöffnung des Großen Kurfürsten dabei gewesen sein soll und ihn als sein Vorbild dargestellt haben soll. Schaut man genau hin, ist das alles nicht wahr gewesen. "

    Können wir denn wenigstens den im tiefsten Kern so emotionalen König, der über Tod und Ehre, Ruhm und Vergänglichkeit dichtete, behalten oder ist der auch Legende? Was immer man von seiner Dichtkunst halten mag, auch sie spiegelten wohl eher nicht die Seele des Königs, sagt Andreas Pecar.

    "Wenn ein Gedicht über Ruhmesverachtung geschrieben wird und der wahren Ruhm liege im Wissen des Philosophen, dann haben wir hier nicht DEN Friedrich vor uns, der das glaubt, sondern wir haben einen Topos, wie er in der aufgeklärt philosophischen Zeit Gang und Gäbe war. (....) Also wir kommen bei den Gedichten zumindest nicht über die Folie des Erscheinens des Königs hinaus. Wir kommen nicht direkt zur Person. Aber ich glaube auch nicht, dass das notwenig ist. Das Spannendere ist doch meistens die Folie und nicht das Wesen."