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Muslime im Rundfunkrat
Umstrittenes Gremienmitglied

Grundsätzlich waren sich alle Parteien des hessischen Landtags einig: Auch die Muslime sollten einen Platz im Rundfunkrat bekommen. Doch dass der Moscheeverband DITIB den Zuschlag bekommen hat, passt nun vielen Politikern nicht.

Von Ludger Fittkau | 06.06.2017
    Eine Satellitenschüssel, auf der die Abkürzung 'hr' zu sehen ist.
    Der Hessische Rundfunk hat jetzt einen DITIB-Vertreter im Rundfunkrat (dpa / Uwe Anspach )
    "Mein Name ist Selçuk Doğruer. Geboren bin ich in Friedrichshafen am Bodensee. Studiert habe ich Islamische Theologie unter anderem in Damaskus und Rotterdam und arbeite seit sieben Jahren als Landeskoordinator der DITIB hier in Hessen."
    Selçuk Doğruer empfängt mich freundlich in der DITIB-Moschee im Arbeiterviertel Hoechst in Frankfurt am Main. In den nächsten Jahren wird er auch häufiger ein paar Kilometer nordöstlich anzutreffen sein - in den Räumen des Hessischen Rundfunks in der Bertramstraße. Denn Selçuk Doğruer soll die Muslime im Rundfunkrat des Hessischen Rundfunks vertreten.
    Eigentlich sollten sich die hessischen Aleviten, die Ahmadiyyah-Gemeinschaft und DITIB auf einen gemeinsamen Kandidaten einigen, der laut Willen der schwarz-grünen Landesregierung in Hessen den Platz der Muslime im HR-Rundfunkrat besetzt. Aber dazu waren sie nicht in der Lage.
    Entscheidung nur per Los möglich
    Michael Boddenberg, Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion: "Zunächst einmal sieht das Gesetz vor eine Einigung dieser drei Gruppen. Die hat es nicht gegeben. Deswegen haben wir weiterhin vorgesehen, von vorneherein im Gesetz vorgesehen, dass es einen Losentscheid gibt, der ist erfolgt. Deswegen ist es dann über diesen Losentscheid der Vertreter von DITIB geworden."
    Zum Entsetzen der Opposition im hessischen Landtag. Denn DITIB arbeitet eng mit der staatlichen türkischen Religionsbehörde Diyanet zusammen, die als politisches Instrument des türkischen Präsidenten Recep Erdogan gilt. DITIB wirkt bereits bei der Ausbildung hessischer Religionslehrer mit.
    Ulrich Wilken, Vizepräsident des hessischen Landtags von der Linkspartei: "Also ich sehe das äußerst kritisch. Dass mit DITIB der frei gewählte Sultan und seine Religionsbehörde den direkten Durchgriff eben nicht nur in unsere Schulpolitik, sondern auch in unseren freien Rundfunk hat, das sehe ich hochproblematisch. Zumal andere gesellschaftliche Gruppen wie zum Beispiel die Freidenker oder die Humanistische Union, also laizistische Organisationen keinen Platz im Rundfunkrat haben. Das ist ein Ungleichgewicht, das müssen wir korrigieren. Nicht nur wegen des Durchgriffs der türkischen Regierung in unseren Rundfunk, sondern weil die Breite der Gesellschaft nicht abgedeckt ist."
    Keine demokratisch legitimierte Vertretung
    Doch die Mehrheit im hessischen Landtag wollte jetzt die Vertretung der Muslime im Rundfunkrat. Das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum "Fall Brender" habe es nötig gemacht, die Zusammensetzung des Rundfunkrates des Hessischen Rundfunks staatsferner zu gestalten.
    So argumentiert Angela Dorn, parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im hessischen Landtag und Mitglied des HR-Rundfunkrates. Vom sogenannten "Versteinerungsverbot" des Bundesverfassungsgerichtes – also der Vorgabe, dass das Gremium sich je nach Zusammensetzung der Gesellschaft verändern muss - hätten nicht nur die Muslime profitiert, so die Mitdreißigerin:
    "Als junge Frau war ich lange eine Zeit eine der wenigen Frauen. Jetzt ist eine deutliche Steigerung passiert. Auch da bewegt sich was. Das ist das Versteinerungsverbot. Viele, die sehr lange in den Rundfunkräten gesessen haben. Auch das finde ich richtig, das da jetzt der Wechsel passiert."
    Doch dass jetzt ausgerechnet DITIB per Losentscheid die Muslime vertritt, ist auch für die FPD-Fraktion im hessischen Landtag nicht akzeptabel. Wolfgang Greichlich, der liberale Landtagsvizepräsident:
    "Wir haben das abgelehnt, weil wir sagen, es fehlt an einer Organisation, an der man das festmachen kann. Wir bräuchten eine Vertretung der Muslime, die demokratisch legitimiert in der Lage ist, entsprechende Entscheidungen zu treffen. Und das gibt es nicht und solange es das nicht gibt, kann man nicht als reine Symbolpolitik so etwas ins Gesetz reinschreiben und damit die Unabhängigkeit des Rundfunks ein Stück weit gefährden."
    Gelassenheit im Umgang mit politischen Beeinflussungen
    Selçuk Doğruer betont jedoch, DITIB Hessen handele eigenständig. Als ich ihn frage, wie er den Fall des in der Türkei inhaftierten "Welt"-Korrespondenten Deniz Yücel bewertet, der nur ein paar Kilometer westlich der DITIB-Moschee in Frankfurt-Hoechst aufgewachsen ist, antwortet er ausweichend:
    "Grundsätzlich stehen wir hinter der Meinungsfreiheit, das betrifft alle Personen. Was diese Person angeht, habe ich keine Kenntnisse über den Prozess, über die Auseinandersetzung in der Türkei, über die Vorwürfe, von daher sind wir alle gespannt, wie das jetzt weitergeht."
    Gespannt, wie Selçuk Doğruer sich im HR-Rundfunkrat verhalten wird, ist Harald Freiling. Das erfahrene Mitglied des Gremiums wurde von der Lehrergewerkschaft GEW entsandt und plädiert für Gelassenheit:
    "Ich habe auch keinen Zweifel daran, dass das Gremium stark genug ist. Wir sind mit politischen Beeinflussungen ganz unterschiedlicher Couleur sehr gut vertraut in diesem Gremium."