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Muslime in Deutschland
Integrations-Crashkurs für Imame

Imame in Deutschland werden aus der Türkei entsandt und auch von dort bezahlt. Viele ihrer Gläubige in Deutschland leben bereits in der 4. Generation hier und sprechen kaum oder kein Türkisch. Auch die deutsche Kultur ist den islamischen Gelehrten meist unbekannt. Damit die Kommunikation klappt, erhalten sie in Ankara ein Art Deutschland-Crashkurs.

Von Samuel Acker | 30.06.2015
    Mohsen Mirzai aus Afghanistan konjugiert während einer Unterrichtseinheit eines Deutschkurses für Flüchtlinge am 09.12.2013 in Schwäbisch Gmünd (Baden-Württemberg) an einer Tafel das Verb "arbeiten".
    Geistliche aus der Türkei sprechen in der Regel kaum Deutsch (dpa/picture-alliance/Marjan Murat)
    "Wo ist die Post?", fragt die Lehrerin. Eine eher simple Frage, doch im Deutschkurs für Imame in Ankara wird sie zum echten Erlebnis. Rund 20 der muslimischen Geistlichen rufen wild durcheinander, wollen zeigen, was sie schon gelernt haben. "Gehen Sie geradeaus!", "Rechts!", "Zweite Straße rechts!", schallt es durch den Klassenraum in der türkischen Religionsbehörde.
    Wegbeschreibungen, Einkaufspläne, Begrüßungen: Das sind die Grundlagen, welche die Imame im Kurs vermittelt bekommen. Rund 100 Imame schickt Diyanet, das Religionsministerium der Türkei, jährlich nach Deutschland. Dort arbeiten sie mehrere Jahre in DITIB-Moscheen, also vom türkischen Staat mitfinanzierten Gotteshäusern. Das Diyanet zahlt nämlich das Gehalt der Imame. Da die türkischen Geistlichen in der Regel aber kaum Deutsch sprechen und wenig über das Land wissen, schickt Diyanet sie zunächst nach Ankara. Dort erhalten sie vom Goethe-Institut Sprachunterricht. Wie Ilka Seltmann vom Institut betont, steht aber auch Kulturvermittlung auf dem Programm – und religiöser Dialog. "Christliche Feiertage, die in Deutschland eine Rolle spielen, die sind in der Türkei natürlich nicht wirklich bekannt." Dies wolle man durch die Kurse ändern. "Welche Feiertage spielen eine Rolle, was steckt dahinter, wie wird das gefeiert? Um da dann eben auch auf eine gewisse Sensibilisierung hinzuweisen"
    Neben Weihnachten und Ostern wird mit den Imamen aber auch über heiklere Themen gesprochen: Wie sollen die Geistlichen mit Fällen von häuslicher Gewalt umgehen? Oder mit Zwangsehen in der Gemeinde? Eine Sozialpädagogin gibt Tipps dazu. Man wolle diese Themen nicht überdramatisieren, sagt Seltmann, aber sie seien eben präsent: sowohl in der Türkei als auch in Deutschland.
    Im Sprachunterricht geht es auch um das deutsche Schulwesen und das Gesundheitssystem. Dazu gibt es direkt eine praktische Übung: Die Geistlichen sollen einen Arztbesuch simulieren. "Mein, äh, Nase... tut weh!", versucht sich ein Imam zu erklären. "Schmerzen... yada Schmerzen", ringt sein Gegenüber um Worte.
    Einer, der sich ebenfalls damit abmüht, Schnupfen und Halsschmerzen zu beschreiben, ist Mücahit Kalınç. Der 37-jährige Imam stammt aus der Nähe von Izmir. Die Zeit vor dem Abflug reicht für die Imame meistens nur aus, um das Sprachlevel "Deutsch A2" zu erlernen, manchmal sogar nur Deutsch A1. Dieses Level reicht aber nur aus um "ganz einfache Sätze zu verstehen und zu verwenden" – so die Definition. Für die anspruchsvolle Arbeit als Imam, sagt Kalınç, ist das zu wenig.
    "Meine schwerste Aufgabe in Deutschland wird sein, mein Deutsch weiter zu verbessern. Denn türkische Kinder in der vierten Generation dort sprechen wenig Türkisch, so sagt man hier."
    Ziyah Maden hat schon einmal zwei Jahre lang türkische Gemeinden rund um Stuttgart betreut. Es habe ihm dort gut gefallen, sagt der 41-jährige Imam, die Stadt sei unglaublich sauber. Er freue sich darauf, bald wieder in Deutschland zu arbeiten. Aber, so sagt Maden auch, es gebe dort ein schiefes Bild vom Islam.
    "Wenn jemand Muslime und Moscheen nur über Erzählungen oder aus den Medien kennt, dann hat er leicht Vorurteile.", sagt er mit leicht tadelndem Ton. "Er muss auf jeden Fall selbst mit Muslimen sprechen oder eine Moschee besuchen."
    Viele Menschen in Deutschland haben Angst vor islamistischen Extremismus. Was denken die beiden Imame – was können sie tun, um junge deutsche Muslime von islamistischen Gruppen fernzuhalten? Sie wollen sich gerade dazu äußern, da werden sie von einem Begleiter zurückgepfiffen. Nein, über solche Themen könne man jetzt nicht reden. Im Goethe-Kurs wird Extremismus auch nicht angesprochen, erzählt Ilka Seltmann.
    "Wir vermitteln Sprache, wir vermitteln Landeskunde. Aus politischen Geschehnissen halten wir uns insofern wirklich raus. Das denke ich ist eine ganz eindeutige Aufgabe der Religionsbehörde, sich damit auseinanderzusetzen und die Imame entsprechend vorzubereiten"
    Für das Goethe-Institut ist die Aufgabe auch so herausfordernd genug: Die Lernerfahrungen der teilnehmenden Imame sind sehr unterschiedlich. Der junge Theologiestudent aus Istanbul, der fließend Englisch spricht, trifft hier auf den älteren Dorf-Imam von der syrischen Grenze. Was sie aber gemeinsam haben: Sie sind gegenüber Besuchern sehr höflich und im Deutschkurs sehr motiviert – wenngleich auch immer wieder große Lücken im Wortschatz deutlich werden. Am Ende der Unterrichtsstunde klappt es dann zumindest mit der Wegbeschreibung zur Post. Wie schnell sich die Imame aber insgesamt in der deutschen Gesellschaft zurechtfinden können, das wird sich erst nach der Ankunft zeigen.