Mittwoch, 24. April 2024

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Muslime sind "in muslimischen Ländern besser aufgehoben"

Der Erzbischof von Bamberg, Ludwig Schick, hat für die Aufteilung irakischer Flüchtlinge nach Religionszugehörigkeiten plädiert. Bei der grundsätzlichen Aufnahme der Menschen dürfe man zwar nicht unterscheiden, aber bei der späteren Verteilung auf einzelne Staaten sei Verstand anzuwenden, sagte Schick. Dann sei es besser, wenn christliche Flüchtlinge in christliche Staaten kämen.

Moderation: Dirk Müller | 23.07.2008
    Dirk Müller: Bei uns am Telefon begrüße ich nun Bischof Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg und Vorsitzender der Kommission Weltkirche. Guten Morgen.

    Ludwig Schick: Guten Morgen, Herr Müller und allen Zuhörerinnen und Zuhörern des Deutschlandfunks.

    Müller: Herr Schick, werden die Christen im Irak bedroht?

    Schick: Ja, sie werden bedroht. Und zwar in doppelter Hinsicht. Einmal wie alle Iraker durch den Bürgerkrieg, aber dann sind sie auch noch mal mehr bedroht als Christen. Sie sind eine kleine Minderheit in einem muslimischen Land.

    Müller: Über welche Dimensionen reden wir?

    Schick: Das kann ich auch nicht genau sagen, aber es sind viele Christen, die den Irak verlassen haben und verlassen wollen. Natürlich ist alles dafür zu tun, und da müsste Europa, Deutschland und die internationale Gemeinschaft alle Anstrengungen aufwenden, um den Bürgerkrieg zu beenden, um die Entwicklung nach vorne zu bringen, die Sicherheit zu stärken, damit die Menschen dort bleiben wollen. Und sie wollen ja dort bleiben, sie fliehen ja nicht aus Lust und Laune, sondern weil sie dort keine Lebensmöglichkeiten haben.

    Müller: Haben Sie, Herr Schick, den Eindruck, dass die Politik, die westliche Politik bislang diese Flüchtlinge im Stich gelassen hat?

    Schick: Sie hat aufgenommen, Deutschland hat Flüchtlinge aufgenommen und ist bereit, das Kontingent zu erhöhen. Das muss sein. Das sagt ja auch die Genfer Flüchtlingskonvention. Wer aus bestimmten Gründen sein Land verlassen muss, der muss aufgenommen werden. Die Europäische Union und Deutschland hat da ihren Beitrag geleistet. Aber auch muslimische Länder um den Irak herum, das darf man nicht vergessen.

    Müller: Und die Unterstützung vor Ort, das heißt, den Menschen vor Ort so zu helfen, dass sie eine Perspektive sehen, vor Ort auch zu bleiben? Reicht das aus?

    Schick: Noch nicht. Aber wir müssen alles tun. Die Lage im Irak verbessert sich, das sagen alle. Es waren ja jetzt gerade auch vier kaldäische Bischöfe in Deutschland, mit denen wir uns getroffen haben. Aber es ist noch nicht stabil genug.

    Müller: Bischof Schick, ist es politisch legitim, in der Auseinandersetzung, in der Diskussion um irakische Flüchtlinge zu unterscheiden zwischen christlichen und nichtchristlichen?

    Schick: Also, zunächst, wenn es um die Flüchtlinge an sich geht, darf man nicht unterscheiden. Für uns Christen sind alle Menschen gleich. Wenn sie in Not sind, müssen sie uneingeschränkt und undifferenziert Hilfe bekommen. Das ist Grund unseres christlichen Glaubens. Aber wenn es darum geht, die Fliehenden dann auch zu verteilen, dann muss man auch Verstand anwenden und sagen, wo fühlen sich die einzelnen Flüchtlingsgruppen am wohlsten, wo können sie am ehesten auch leben und sich entfalten für die Zeit der Aufnahme. Und da denke ich, sind christliche Flüchtlinge in christlichen Ländern besser aufgehoben, als muslimische. Die sind dann in muslimischen Ländern besser aufgehoben. Von daher darf es diese Differenzierung geben und sie ist vernünftig.

    Müller: Also das hat nichts damit zu tun, was ein Land bieten kann und welche Perspektive ein Land für diese Flüchtlinge entwickeln könnte.

    Schick: Nein, kann es nicht. Es muss darum gehen, wo sie sich am besten wohlfühlen können mit ihrem Glauben, mit ihrer Herkunft. Und da denke ich Christen mehr in christlich geprägten Ländern, Muslime mehr in muslimisch geprägten Ländern.

    Müller: Das ist für Sie also ausgemachte Sache, dass das auch für jeden Einzelnen, für die meisten jedenfalls, das entscheidende Kriterium ist, die Religionszugehörigkeit.

    Schick: Also, wo sie dann bleiben in der Zeit. Aber der Flüchtling ist Flüchtling und muss überall Hilfe bekommen. Wenn zum Beispiel islamische Flüchtlinge nach Deutschland oder Europa kommen, dann müssen sie zunächst aufgenommen werden wie alle anderen auch. Wo sie dann endgültig, oder für diese Zeit, bleiben, das muss klug entschieden werden, auch mit ihnen.

    Müller: Können Sie, Bischof Schick, das Argument nachvollziehen, was in der Union kursiert, dass, wenn wir muslimische Flüchtlinge aufnehmen, aufgrund dessen auch ein höheres Gefahrenpotential eingehen, Terroristen einzuschleusen?

    Schick: Ich kann das so nicht genau beurteilen. Nur, wir dürfen natürlich auch nicht aufgrund solcher Ängste, die eventuell auch sogar geschürt werden, die Aufnahme von wirklichen Flüchtlingen verhindern. Da muss man sehr klug und vernünftig, aber auch offen mit allen Flüchtlingen umgehen.

    Müller: Was tut die katholische Kirche für die Christen im Irak vor Ort?

    Schick: Wir unterstützen die irakischen Christen und helfen ihnen auch, dass sie ihr Schulsystem, ihr Sozialsystem, die ja die besten im Lande sind, das hat ja auch Maliki jetzt beim Deutschlandbesuch gesagt, dass das aufrechterhalten wird und dass jetzt in dieser Krisenzeit nicht alles zerstört wird, sondern reduziert weitergeführt wird, und sobald es möglich ist, wieder aufgebaut werden kann. Wir, und ich bin ja auch Vorsitzender der Kommission ) der Deutschen Bischofskonferenz Weltkirche, wir beschäftigen uns mit diesen Fragen, haben auch schon darüber nachgedacht, ob wir nicht bald einen Besuch im Irak bei den Christen machen, um dort zu unterstützen und auch Hilfsmaßnahmen einzuleiten.

    Müller: Wir hatten, Bischof Schick, auch zu Beginn des Interviews schon einmal darüber gesprochen. Ich muss das noch einmal fragen. Haben Sie in irgendeiner Form eine konkrete Rückmeldung, wie groß der Bedarf bei den Christen im Irak ist?

    Schick: Nein. Das liegt einfach daran: Obwohl wir mit den Bischöfen in Kontakt sind, die Bischöfe sagen, die sollen möglichst hierbleiben. Das gibt es jetzt nicht, weil die Situation ist, wie sie ist. Und Faktum ist, dass schon sehr viele Christen geflohen sind in dieser Situation. Das liegt auch daran, dass die Christen zu den Bestausgebildetsten im Irak gehören, die natürlich dann auch schneller das Land verlassen können als andere Menschen. Die Zahl der Christen hat sich ja in den letzten Jahren stark, stark reduziert. Wie viele jetzt noch fliehen wollen, das kann man nicht sagen, das können selbst die Bischöfe nicht sagen, die, und ich sage es noch mal, immer wieder darauf drängen, sie sollen bleiben. Der Irak gehört zu den Kernlanden des Christentums und es wäre fatal, wenn die Christen dort nicht mehr oder immer weniger leben würden.

    Müller: Ich möchte Sie das auch noch mal gerne fragen, weil in den Hintergrundberichten gibt es dort verschiedene Interpretationen. Haben Sie denn Erkenntnisse darüber, dass die Christen im Irak spezifisch bedroht sind?

    Schick: Ja. Und zwar, es gibt einen Bürgerkrieg und alle Iraker sind bedroht durch diese Kämpfe untereinander. Aber die Christen werden noch mal spezifisch bedroht, weil es radikale Islamisten gibt unter diesen Bürgerkriegskämpfergruppen, die halt auch in besonderer Weise die Christen bedrohen. Das sagen die Bischöfe von Irak uns sehr deutlich.

    Müller: Bei uns heute morgen live im Deutschlandfunk Bischof Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg und Vorsitzender der Kommission Weltkirche. Vielen Dank für das Gespräch und auf Wiederhören.