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Muslime und Nicht-Muslime in Deutschland
Wann sagt man "Salam aleikum"?

Kurz vor dem 11. September 2001 erschien Peter Heines "Kulturknigge für Nichtmuslime", ein Plädoyer für Höflichkeit gegenüber Zuwanderern aus islamisch geprägten Staaten. Jetzt gibt es eine Neuauflage des Buches und der Autor glaubt mehr denn je, dass Kleinigkeiten im Alltag - etwa die richtige Begrüßung - über große Fragen des Zusammenlebens entscheiden.

Von Thomas Klatt | 16.03.2017
    Eine kleines Glas Tee steht mit Würfelzucker auf einem Tisch.
    Schwarzer Tee wird in tulpenförmigen Gläsern serviert, ein Zeichen von Gastfreundschaft in vielen muslimischen Ländern (imago / Westend61)
    "Ich habe dem Verlag die Überarbeitung dieses Buches vorgeschlagen, weil nach der Zuwanderung, die wir im letzten Jahr vor allen Dingen hatten, sich sehr viele Leute den Flüchtenden zugewandt haben. Ich sah daher eine Notwendigkeit einfach noch mal zu sagen, was kann einem alles passieren, wenn man mit Muslimen hier zu tun hat."
    So der Berliner Islamwissenschaftler Peter Heine. Auf gut 200 Seiten gibt sein Kulturknigge für Nichtmuslime eine Einführung in die islamische Theologie. Hinzu kommt eine Übersicht der wichtigsten konfessionellen Strömungen und Schulen. Lexikalisches Grundwissen also. Dann aber wird es praktisch. Zum Beispiel, warum kommen Muslime oft nicht pünktlich?
    "Das gilt übrigens nicht nur für Muslime, sondern für orientalische Christen auch. Das ist kein böser Wille oder Missachtung desjenigen, mit dem man eine Verabredung getroffen hat, sondern dass man in großen orientalischen Städten wie Kairo oder Bagdad außerordentlich schwer pünktlich sein kann. Man ist darauf eingerichtet, dass jemand 'ne halbe oder ganze Stunde später kommt. Das weiß man. Man macht darum auch keine festen Terminabsprachen. Man sagt, ich komm dann nach dem Frühstück oder nach dem Mittagsgebet, also etwas entspanntere Termine."
    So seien viele Flüchtlinge aus arabischen Ländern überrascht, dass in Deutschland Busse, Bahnen und Züge annähernd pünktlich fahren. Grundsätzlich erwartet Peter Heine, dass sich die Eingewanderten integrieren wollen und sich somit auch an klare Terminabsprachen halten. Dazu gebe es schon reichlich Aufklärungsliteratur auf Arabisch, Farsi und vielen anderen Sprachen, um Migranten das Einleben zu erleichtern.
    Der Islam-Experte Peter Heine lächelt in die Kamera
    Der Islam-Experte Peter Heine (dpa/Erwin Elsner)
    Islamwissenschaftler Heine aber legt einen anderen Fokus. Er mischt sich nicht in Grundsatzdebatten über Leitkultur ein. Er liebt die orientalische Kultur und denkt pragmatisch. Es geht leichter, wenn Deutsche Kenntnis der muslimischen Kultur haben und auch Verständnis dafür entwickeln. Schon bei der Begrüßung lassen sich so Missverständnisse vermeiden.
    "Salam aleikum, das heißt, Frieden sei mit Dir. Und der andere antwortet dann aleikum asalam, der Friede sei mit Dir. Hin und her, das ist aber ein Gruß, den Muslime nur gegenüber Muslimen verwenden. Und in dem Fall, wenn man als erkennbarer Nicht-Muslim einen Muslim so begrüßt, dann ist das für den unangenehm."
    Sonst aber gebe es zahlreiche Begrüßungsformeln. Sabah al-khair. Sabah An-nur.
    "Einen Guten Morgen und Sie haben gesagt, einen Morgen des Lichts. Man versucht sich in den Formeln jeweils zu übertreffen. Ich würde jetzt antworten Sabah alward – einen Morgen der Rosen, und Sie würden sagen Sabah alyasmin, also einen Jasmin-Morgen."
    Das heißt aber nicht, auf die deutsche Begrüßung "Guten Tag" zu verzichten. Peter Heine hofft auf ein gegenseitiges Lernen und Verstehen.
    Auch gut zu wissen: Dass islamische Verbandsvertreter in deutschen Talkshows oftmals steif und breitbeinig sitzen, habe keine orthopädischen Gründe, sondern einen kulturellen Hintergrund.
    Von Frauen, Männern und Großfamilien
    "Die europäischen Gäste schlagen die Beine übereinander und die sitzen da so mit den Sohlen auf dem Fußboden, dies hängt damit zusammen, dass so 'ne Parallele zwischen Hand und Fuß gezogen wird. Und wenn man jemandem seine Fußsohle hinhält, dann ist das so ähnlich, wie wenn man ihm seine Handfläche entgegen hält. Das ist so eine Art von Abwehrgestus."
    Natürlich ist sich der Islamwissenschaftler bewusst, dass eine Integration in die deutsche Gesellschaft langwierig sein wird. Araber etwa haben oftmals ein strengeres Geschlechterverständnis. Deutsche Männer sollten zur Begrüßung nicht einfach arabische Frauen körperlich berühren, geschweige denn umarmen, meint Heine.
    "Ich würd's zunächst mal nicht machen, sondern abwarten. Wenn man sich denen so aufdrängt, dann ist das ein Problem, weil vor allem die jungen Frauen, die hierher gekommen sind, auch sehr auf ihren Ruf achten müssen."
    In arabischen Ländern haben Großfamilien zudem eine viel höheres Ansehen und Einfluss. Kaum verwunderlich, dass gerade jungen Zuwanderern das großelterliche Korrektiv in der Fremde fehlt.
    Trotz aller Probleme, Peter Heine ist sich sicher, dass sich Muslime auch in der hiesigen Kultur auf Dauer werden einleben können. Nur müssten die Deutschen eben auch genug von deren Kultur wissen, um ihnen dabei möglichst gut helfen zu können.
    Peter Heine, Kulturknigge für das Zusammenleben mit Muslimen, Herder, 224 Seiten, 19,99€