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Muslimische Organisationen
Neue Wege der Finanzierung gesucht

Muslimische Organisationen nehmen Mitgliedsbeiträge und Spenden ein. Auch aus dem Ausland kommt Geld. Auf Einladung der Friedrich-Ebert-Stiftung wurde in Berlin nach transparenten Wegen der Finanzierung gesucht.

Von Kemal Hür | 16.03.2018
    Über die Finanzierung deutscher muslimischer Organisationen diskutieren u. a. für DITIB Bekir Alboga (li.) und für den Zentralrat der Muslime Aiman Mazyek (re.)
    Über die Finanzierung deutscher muslimischer Organisationen diskutieren u. a. für DITIB Bekir Alboga (li.) und für den Zentralrat der Muslime Aiman Mazyek (re.) (imago stock&people)
    "Die muslimische Infrastruktur, die muslimische Community ist seit Jahrzehnten chronisch absolut unterfinanziert – in jeder Hinsicht", sagt Aiman Mazyek.
    "Jetzt, da so viele Flüchtlinge da sind, möchten wir sehr gerne unseren Beitrag dazu leisten. Da sind unsere Kassen sehr knapp", sagt Bekir Alboga.
    Aiman Mazyek vom Zentralrat der Muslime und Bekir Alboga vom türkisch-islamischen Moscheeverband DITIB klagen über eine Ungleichbehandlung bei der Finanzierung muslimischer Organisationen durch den Staat. Der Kirchenstaatsrechtler Stefan Muckel von der Universität zu Köln spricht nicht von einer Benachteiligung muslimischer Organistionen. Es gebe zwar eine Ungleichbehandlung, aber der Grund sei, dass Moscheen, bzw. muslimische Verbände einen anderen rechtlichen Status haben wie die Kirchen.
    "Die sind rechtlich nicht den Kirchen gleichgestellt, weil sie nicht Körperschaften des öffentlichen Rechts sind. Das können sie nach dem Grundgesetz werden; dafür müssen sie bestimmte Voraussetzungen erfüllen. Und es ist nicht mehr ausgeschlossen, dass sie es schaffen. Dann hätte man eine Gleichstellung mit den Kirchen in dieser Hinsicht. Die Kirchen sind Körperschaften des öffentlichen Rechts, weil sie historisch diese rechtliche Stellung haben aus dem 19. Jahrhundert. Finanzierungen sind nicht davon abhängig, dass der Status der Körperschaft des öffentlichen Rechts dahinter steht. "
    Ungeliebte Körperschaft
    Den Status Körperschaft des öffentlichen Rechts hat bisher nur eine einzige islamische Organisation, nämlich die Ahmadiyya-Gemeinde in Hessen und Hamburg. Andere muslimische Gemeinden hätten keinen Antrag zur Anerkennung gestellt, sagt Muckel. Bekir Alboga, dessen Verband DITIB nach eigenen Angaben bundesweit 900 Moscheen betreibt, beschwert sich zwar, wenig Geld für soziale Projekte zu haben, aber den Status einer Körperschaft strebe er trotzdem nicht an.
    Er sagt: "Wir müssen nicht Körperschaft sein. Wir sind wie die Kirchen eine Religionsgemeinschaft. Wenn die Politik das einsieht, einsehen möchte, wenn der politische Wille da ist, erfüllen wir auch die Voraussetzungen für die Anerkennung. Aber Körperschaft hin, Körperschaft her – es geht hier um ein friedliches Zusammenleben, um den friedlichen Zusammenhalt."
    Es bleibt in der Diskussion unklar, wo Alboga eine Ungleichbehandlung seines Verbandes bei der Finanzierung sieht. Er berichtet, dass die DITIB ihre religiösen Aufgaben selbst finanziere – über Spenden und vor allem aus den Mitgliedsbeiträgen, die sie als eingetragener Verein einnehme. Was er nicht erwähnt, ist, dass der Verband auch Projektgelder bekommt. So zahlte allein das Bundesfamilienministerium der DITIB im Jahr 2017 gut eine Million Euro. Andere Projekte wurden gestoppt, nachdem bekannt wurde, dass Imame in Deutschland Menschen bespitzelt haben. Außerdem könne der Staat Finanzierungen kürzen oder stoppen, wenn Organisationen – wie im Fall DITIB - aus dem Ausland gesteuert werden, sagt Rechtswissenschaftler Stefan Muckel:
    "Der Staat muss pflichtgemäßes Ermessen ausüben. Er darf nicht willkürlich einem Verband etwas streichen und es dem anderen geben. Aber wenn es Anhaltspunkte dafür gibt, dass eine zweckwidrige Verwendung von Mitteln nicht ganz ausgeschlossen ist, dann kann der Staat die Mittel zunächst runterfahren und dem nachgehen, um vielleicht dann zu einem späteren Zeitpunkt die Bezuschussung in vollem Umfang wiederaufzunehmen."
    Von Stiftung zu Stiftung
    Nushin Atmaca, Vorsitzende des Liberal Islamischen Bundes, sagt, die Zugangsvoraussetzungen zu Projektfinanzierungen seien für alle Vereine dieselben, egal ob es sich um religiöse oder andere Vereine handelt. Es gebe aber eine Einschränkung:
    "Es gibt teilweise ein Misstrauen gegenüber staatlicher Förderung durch Deutschland, weil die Debatte oft so läuft, dass der deutsche Staat oder die Politik Forderungen formuliert, wie ein Islam in Deutschland auszusehen hat. Ich glaube, solange es da Misstrauen und Konflikte gibt und kein Fundament der vertrauensvollen Zusammenarbeit, nützen auch die Angebote wenig, die es de facto vielleicht geben mag."
    Die Friedrich-Ebert-Stiftung, die die Experten und muslimischen Vertreter zusammengebracht hat, macht eigene Vorschläge, wie muslimische Organisationen finanziert werden können. Neben den für alle Vereine zugänglichen Fördermöglichkeiten empfiehlt Dietmar Molthagen die Gründung einer deutschen Stiftung.
    "Man könnte doch eine Stiftung nach deutschem Recht mit hiesigen Interessen, mit Gremien, die hier besetzt werden, gründen, wo dann ausländische Geldgeber, wenn denn jemand aus dem Ausland Geld geben will, quasi in diese deutsche Stiftung einzahlt. Dann könnte man aus dieser Stiftung heraus hier in Deutschland diese Gelder dann auch verwenden."