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"Muslimisches Leben gehört zur Gesellschaft"

Der Integrationsbeauftragte der Unionsfraktion, Stefan Müller, hat die Äußerungen von Bundespräsident Wulff über die Stellung des Islam in Deutschland unterstützt. Muslimisches Leben gehöre selbstverständlich zur gesellschaftlichen Realität, sagte der CSU-Politiker. Die Werteordnung Land gründe sich aber auf das Christentum.

Stefan Müller im Gespräch mit Sandra Schulz | 07.10.2010
    Sandra Schulz: Was hat Bundespräsident Wulff da genau gesagt, dass in diesen Tagen so viel Kritik auf ihn einprasselt? Verunglückt sei seine Formulierung zum Islam gewesen, heißt es aus der CSU, und auch die Kanzlerin hat gestern sicherheitshalber ihre Interpretation noch einmal angeboten, es gelte das Grundgesetz in Deutschland und nicht die Scharia, was Wulff ja allerdings auch gar nicht behauptet hatte. Bei seiner Rede am Tag der Deutschen Einheit hatte er ja an die christlich-jüdischen Wurzeln Deutschlands erinnert und dann aber eben auch den Satz hinterhergeschoben, an dem sich die Geister scheiden, inzwischen gehöre auch der Islam zu Deutschland. – Und wieder beschäftigt uns die Integrationsdebatte, heute auch den Bundestag.

    Wir wollen das in den kommenden Minuten weiter diskutieren. Am Telefon begrüße ich den CSU-Politiker Stefan Müller, Integrationsbeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Guten Tag!

    Stefan Müller: Ich grüße Sie!

    Schulz: Herr Müller, inzwischen gehöre auch der Islam zu Deutschland. Warum sorgen diese Worte für solche Aufregung in der Union?

    Müller: Mein Eindruck ist, dass im Augenblick insgesamt bei allen Parteien und in der Bevölkerung viel in die Worte des Bundespräsidenten auch hineininterpretiert wird. Er sagt, das Christentum gehöre selbstverständlich zu Deutschland, das Judentum gehöre selbstverständlich zu Deutschland und mittlerweile auch der Islam.

    Wenn man sich die Frage stellt, gehört der Islam zu Deutschland, muss man natürlich schon sehen, dass in Deutschland mittlerweile circa vier Millionen Muslime leben, und damit gehört selbstverständlich muslimisches Leben zur gesellschaftlichen Realität. Es gibt ein reges Miteinander in Vereinen zum Beispiel, viele islamische Gemeinden und Vereine beteiligen sich auch am öffentlichen Leben. Man muss aber dann schon differenzieren, wenn es um unsere Kultur und unsere Werteordnung geht.

    Schulz: Ja. Können Sie uns denn dann erklären, wenn das alles so ist, warum die Worte von Wulff dann verunglückt gewesen sein sollen, was ja Hans-Peter Uhl, Ihr CSU-Parteifreund, sagt?

    Müller: Weil er natürlich diese Differenzierung nicht in der Deutlichkeit vornimmt, wie er sie vermutlich auch gemeint hat. Wenn es um unsere Kultur und die Werteordnung geht, muss man ganz klar feststellen, dass die auf dem Christentum gründen und eben nicht auf dem Islam.

    Schulz: Und welche Rolle spielt dabei die Umfrage jetzt jüngst aus den letzten Tagen, nach der die große Mehrheit der Deutschen sagt, Wulff habe nicht Recht gehabt?

    Müller: Das liegt meines Erachtens auch daran, dass er an der Stelle sicher auch falsch verstanden worden ist und dass diese Umfrage aber auch zeigt, dass das Bewusstsein in der Bevölkerung sehr stark verankert ist, dass eben unsere Kultur und unsere Werteordnung, auch das, was unsere freiheitliche Verfassung garantiert, maßgeblich auf Werten und Traditionen des Christentums und des Judentums auch gründet.

    Schulz: Herr Müller, Sie können es jetzt ja noch mal, oder wir können es ganz klar besprechen: Gehört der Islam zu Deutschland?

    Müller: Muslimisches Leben gehört zur gesellschaftlichen Realität in Deutschland.

    Schulz: Dann verstehe ich nicht – und die Frage, die ich Ihnen eben auch gestellt hatte, ist auch immer noch offen -, warum es in der Union, in der CSU dann diese Aufregung gibt.

    Müller: Die Aufregung gibt es deswegen, weil die Aussagen des Bundespräsidenten nun auch so interpretiert werden, als würde gewissermaßen auch der Islam unsere Kultur und Werteordnung prägen. Das tut er ausdrücklich nicht.

    Schulz: Aber dazu leistet die CSU selbst doch mit diesen kritischen Äußerungen auch einen Beitrag, wenn Sie sagen, das ist ein Missverständnis?

    Müller: Nein. Es ist nur die Feststellung, dass einerseits der Islam und auch das Leben von Muslimen in Deutschland zur Realität in unserer Gesellschaft gehört, dass aber alles das, worauf wir uns berufen, auch in unserem freiheitlichen Rechtsstaat, selbstverständlich auf christlich-jüdischen Traditionen beruht.

    Schulz: Und das hatte Christian Wulff bestritten?

    Müller: Nein! Ich sage ja, er hat ja ausdrücklich gesagt, dass Christentum und Judentum zu Deutschland gehört, und die Aussage, der Islam gehört zu Deutschland, ist nach meiner Einschätzung so gemeint, dass eben auch Muslime selbstverständlich zur Gesellschaft in Deutschland gehören.

    Schulz: Das heißt, Sie kritisieren dann auch die Kritik, die es jetzt in den letzten Tagen an Christian Wulff aus der CSU gegeben hat?

    Müller: Nein, sondern ich kritisiere, dass Politiker anderer Parteien, insbesondere aus der Opposition, den Bundespräsidenten für etwas vereinnahmen und seine Aussage so interpretieren, als würde Islam und Christentum auf der gleichen Ebene stehen, wenn es darum geht, welche Religion auch unsere Kultur und Werteordnung geprägt hat.

    Schulz: Jetzt hat Edmund Stoiber, der CSU-Ehrenvorsitzende, auch kritisiert, man habe Wulff so verstehen können, als habe er den Islam als Teil der deutschen Leitkultur bezeichnet. Wenn das alles nur ein Missverständnis war, warum trägt die CSU dann nicht dazu bei, dieses Missverständnis aufzulösen?

    Müller: Das tun wir ja gerade, indem wir zum Beispiel miteinander reden.

    Schulz: Und Sie sagen, der Islam gehört zu Deutschland? Das haben Sie eben ja klar bejaht. Heißt das auch, dass Sie dann für den Vorschlag aus der Opposition sind, den Islam als Religionsgemeinschaft anzuerkennen?

    Müller: Ich habe gesagt, der Islam und muslimisches Leben gehört zur Gesellschaft und zur gesellschaftlichen Realität. Aber alles das, was unseren Staat, unser Gemeinwesen prägt, gründet auf dem Christentum, und von daher ist die besondere Stellung des Christentums in Deutschland selbstverständlich weiterhin gerechtfertigt.

    Schulz: Hat das jetzt einen besonderen Grund, dass Sie das Christentum nennen und die jüdischen Wurzeln nicht?

    Müller: Beides gehört ja zusammen. Es sind die christlich-jüdischen Traditionen und Wertevorstellungen, die auch unsere Gesellschaft prägen.

    Schulz: Trotzdem habe ich noch nicht verstanden. Sie sagen – wie gesagt, das haben Sie eben im Interview hier ja bejaht -, der Islam gehöre zu Deutschland. Warum dann nicht die Anerkennung als Religionsgemeinschaft?

    Müller: Ich sage noch mal: Ich habe gesagt, der Islam gehört und muslimisches Leben gehört zur Gesellschaft und zur gesellschaftlichen Realität, und das Christentum gründet seine besondere Stellung letztendlich auch daraus, dass die Grundlagen unseres Zusammenlebens und unserer Gesellschaft, unserer Wertevorstellungen, auch die Wertevorstellungen, die in unserem Grundgesetz dargelegt sind, sich nun maßgeblich auf diese christlich-jüdische Tradition gründen.

    Schulz: Herr Müller, der Streit, die Diskussion, die wir gerade führen, nutzt der der Integration?

    Müller: Ich glaube schon und ich finde es richtig, dass wir auch in diesem Zusammenhang über Integration reden. Wir haben wie gesagt vier Millionen Muslime in Deutschland, alle mit einem Migrationshintergrund, und wir erleben ja gerade auch eine sehr intensive Debatte darüber, wie Integration in Deutschland stattfinden kann. Meine Einschätzung ist, dass Integration in Deutschland besser funktioniert, als es allgemein hin in der Bevölkerung wahrgenommen wird, und deswegen dient eine solche Diskussion selbstverständlich auch.

    Schulz: Und dass der Bundespräsident, der ja noch nicht lange im Amt ist, möglicherweise über diese Debatte auch beschädigt wird, das nehmen Sie dann auch gerne in Kauf?

    Müller: Ich sehe keine Beschädigung, sondern ich finde es bemerkenswert, dass insbesondere Politiker aus den Parteien, die Christian Wulff ihre Stimme nicht gegeben haben, jetzt ihn verteidigen, und dass insgesamt in Deutschland über die Rede des Bundespräsidenten so diskutiert wird, das ist gut für die Person Christian Wulff, das ist aber auch gut für das Amt des Bundespräsidenten, finde ich.

    Schulz: Heute Mittag im Deutschlandfunk-Interview Stefan Müller, parlamentarischer Geschäftsführer der CSU-Landesgruppe und Integrationsbeauftragter der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Danke schön!

    Müller: Danke Ihnen.