Samstag, 20. April 2024

Archiv


Muster an geistiger Unerschrockenheit

Martin Luther schimpfte ihn einen "Narren", sein Werk landete auf dem Index. Mit der Veröffentlichung von "Vom Umschwung der Himmelskreise" stellte der Astronom Nikolaus Kopernikus das damalige Weltbild infrage. Die volle Tragweite der Entdeckung wurde vielen erst ein halbes Jahrhundert später bewusst, als Galileo Galilei als erster Astronom ein Fernrohr benutzte.

Von Irene Meichsner | 19.02.2008
    Die Erde kreist, wie alle Planeten, um die Sonne. Und sie dreht sich dabei in rasendem Tempo auch noch um sich selber. Das war die Antwort von Nikolaus Kopernikus auf das alte Weltbild, in dem die Erde als ruhender Pol im Mittelpunkt stand - und das so übermächtig schien, weil es sich mit der sinnlichen Anschauung deckte. Im Vorwort zu seinem 1543 gedruckten Hauptwerk "De Revolutionibus Orbium Coelestium" - "Vom Umschwung der Himmelskreise" stellte Kopernikus fest, dass es aus "geozentrischer" Perspektive immer schwerer falle, die Fülle astronomischer Beobachtungen mathematisch auch nur halbwegs plausibel zu machen.

    "Weil kein Teil zum andern passt, ähnelt das Ergebnis eher einem Monstrum als einem Menschen."

    Doch was war die Alternative?

    "Ich dachte oft darüber nach, ob sich vielleicht eine vernünftigere Art von Kreisen finden ließe, von denen alle sichtbare Ungleichheit abhinge, wobei sich alle in sich gleichförmig bewegen würden, wie es die vollkommene Bewegung an sich verlangt."

    Kopernikus fand eine Lösung, die dem antiken und mittelalterlichen Prinzip der Einfachheit natürlicher Vorgänge entsprach.

    "In der Mitte von allen aber hat die Sonne ihren Sitz. So lenkt sie, gleichsam auf königlichem Thron, die sie umkreisende Familie der Gestirne. In dieser Anordnung finden wir die wunderbare Symmetrie der Welt und den festen harmonischen Zusammenhang."

    Kopernikus, am 19. Februar 1473 als Sohn einer Kaufmannsfamilie in Thorn an der Weichsel geboren, studierte Astronomie, Kirchenrecht und Medizin in Krakau, Bologna, Padua, Ferrara und Rom. 1497 wurde er - auf Empfehlung seines Onkels, Bischof Lucas Watzelrode - in das Frauenburger "Domkapitel" berufen, das einer modernen Kreisverwaltung ähnelte. Er übernahm leitende Funktionen, überwachte die Finanzen. Wann immer möglich, nahm er sich Zeit für seine mathematisch-astronomischen Studien. Erste Entwürfe, die in gelehrten Kreisen die Runde machten, stießen auf ein geteiltes Echo. Während Martin Luther Kopernikus einen "Narren" schimpfte, fanden manche Katholiken an der Vorstellung einer um die Sonne kreisenden Erde zunächst sogar Gefallen.

    "Ich gab meiner Freude darüber Ausdruck, dass Dein Ruhm so herrlich erblüht","

    schrieb Kardinal Nikolaus von Schönberg 1536 an seinen Freund Kopernikus.

    ""Ich hatte nämlich erfahren, dass Du nicht nur die Entdeckung der alten Mathematiker glänzend verstehst, sondern sogar eine neue Welttheorie aufgestellt hast."

    Von dem Wittenberger Mathematik- und Astronomieprofessor Georg Joachim Rheticus ließ Kopernikus sich schließlich zur Veröffentlichung drängen. Ein druckfrisches Exemplar seines Hauptwerks wurde Kopernikus auf dem Sterbebett noch gebracht, er soll es gesehen und berührt haben, kurz bevor er am 24. Mai 1543 in Frauenburg starb.

    Die volle Tragweite der "kopernikanischen Wende" wurde vielen erst ein halbes Jahrhundert später bewusst, als Galileo Galilei als erster Astronom ein Fernrohr benutzte - und damit den anschaulichen Beweis lieferte, dass die Erde sich wirklich um die Sonne drehte, Kopernikus also Recht gehabt hatte. Es sei eben keineswegs das Gleiche, betonte die Philosophin Hannah Arendt, ob eine Hypothese den Erscheinungen am besten gerecht wird - oder ob man die Bewegung der Erde empirisch demonstriert.

    "Indem Galilei seine Vorgänger ‚bestätigte’, etablierte er als tatsächliche Wirklichkeit, was bis dahin nur im Flug der Spekulation und der Einbildungskraft gesichtet worden war."

    Der Klerus reagierte konsequent: Nicht nur Galileis Werk kam auf den Index, sondern auch das von Kopernikus - was ihn erst richtig berühmt machte. Viele bewunderten ihn. Von Galileo über Goethe bis hin zu Erich Kästner, der diesem Muster an geistiger Unerschrockenheit in seinem Lied "Kopernikanische Charaktere gesucht" ein Denkmal setzte.