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"Muttis" neuer Kronprinz?

Es wird einsam im Schatten Angela Merkels: Die Reihen möglicher Kanzler-Nachfolger haben sich in der CDU deutlich gelichtet. Daher richten sich nun alle Augen auf David McAllister. Der niedersächsische Ministerpräsident und CDU-Spitzenkandidat bei der Landtagswahl am 20. Januar 2013 spürt den Druck im Nacken.

Von Susanne Schrammar | 02.08.2012
    Ein Fernsehstudio am Rande von Lüneburg. David McAllister steht in einem Meer aus Plastikblumen am Set von "Rote Rosen", einer Telenovela, die hier in Lüneburg für die ARD gedreht wird. Der niedersächsische Ministerpräsident macht auf seiner Sommerreise Station im nachgestellten Blumenladen der Hauptfigur. Wie es denn um seine eigenen schauspielerischen Fähigkeiten bestellt sei, will ein Reporterkollege wissen. McAllister zögert. Politiker sollten sich lieber nicht als Schauspieler versuchen, sagt der 41-jährige dann, aber:

    David McAllister: "In Wahlkampfzeiten sollte ein Politiker eben auch in der Lage sein, sich nicht immer alles anmerken zu lassen. Pokerface, immer gelassen bleiben, sich freuen, nichts anmerken lassen."

    Journalistin: "Schauspielern Sie grad?"

    McAllister: "Niemals eine Schwäche zeigen. Wie kommen Sie darauf, dass ich jetzt gerade schauspielere?"

    Nein, in diesem Moment ist da nichts Gekünsteltes bei David McAllister. Es ist das ehrliche Bekenntnis eines Politikers, der unter enormem Druck steht. Wenn die Niedersachsen am 20. Januar des kommenden Jahres einen neuen Ministerpräsidenten wählen, stellt sich der Sohn eines schottischen Soldaten seiner bislang größten politischen Bewährungsprobe: Ins Amt gerutscht als Christian Wulff Bundespräsident wurde, muss der CDU-Hoffnungsträger zum ersten Mal eine Wahl gewinnen. Der Niedersachse soll für Angela Merkel die Kohlen aus dem Feuer holen: Nach Baden-Württemberg darf nicht auch das Land zwischen Nordsee und Harz für die Christdemokraten verloren gehen. Schließlich wird nur acht Monate nach der Landtagswahl auch im Bund gewählt. McAllisters Schultern sind breit, die Last dürfte der zweifache Familienvater dennoch spüren. Sein sozialdemokratischer Herausforderer, Stephan Weil tourt seit Monaten emsig durchs Land und bespöttelt seinen Konkurrenten als den "Wackeldackel auf der Heckablage der Kanzlerin". Der reagiert wie ein aufgepumpter Boxer vor dem Kampf.

    "Der Wahlkampf ist doch noch lang hin. Wenn andere Mitbewerber meinen, schon Wahlkampf zu machen, dann ist das ihr Problem. Die große Mehrzahl der Menschen will, dass die Politiker ihre Arbeit machen. Und die mach ich und andere können Wahlkampf machen, das interessiert mich nicht."

    Gerede. Selbstverständlich nutzt der amtierende Ministerpräsident schon jetzt jede Gelegenheit, um für sich zu werben, erzählt zum Beispiel stolz, die "New York Times" habe sich für einen Besuch bei ihm angemeldet oder geht nun – was er früher oft abgelehnt hat – zum Interview auch in die Tagesthemen oder ins Frühstücksfernsehen. 90 Prozent der Niedersachsen kennen David McAllister; sein Herausforderer von der SPD kommt nur auf einen Bekanntheitsgrad von knapp 40 Prozent. Dennoch hat es die schwarz-gelbe Koalition seit Monaten nicht geschafft, in Umfragen eine Mehrheit zu erringen. Vor wenigen Wochen kam die CDU im Meinungsbild eines Privatsenders sogar auf nur 31 Prozent. Den Landesvorsitzenden McAllister erreichten daraufhin massenweise SMS besorgter Parteifreunde. Vor wenigen Tagen dann eine neue Umfrage: Darin liegt die CDU in Niedersachsen mit 38 Prozent klar vor der SPD.

    "Meinungsumfragen sind immer nur Momentaufnahmen, und entscheidend ist, was am Wahltag passiert. Alles andere ist letztlich unerheblich. Aber – ist natürlich schöner, man liegt vorn, als wenn man hinten liegt."

    Gespielte Gelassenheit. Der Ministerpräsident erfährt das neueste Umfrageergebnis im Kreise von Journalisten. Erst als die Mikrofone aus sind, ballt der 41-Jährige die Faust, ruft freudig "Mäc is back" und wirkt wie aufgedreht. Verständlich, denn so viel ehrliche Erleichterung könnte bei laufenden Mikrofonen als Zeichen der Schwäche ausgelegt werden. Doch McAllister kontrolliert sich auch sonst oft mehr als nötig – oder sogar mehr als ihm guttut. Viele Interviewantworten sind druckreif und ungefährlich, was zudem fehlt, ist der persönliche Touch a la Hannelore Kraft, ein Schuss Sympathie also. Seitdem er samt Regierungskabinett vor wenigen Wochen bei einem Drachenbootrennen baden gegangen ist, wirkt er bei öffentlichen Auftritten manchmal fast so steif wie sein Vorgänger Wulff. Dabei kann er ganz anders, ist in privaten Momenten lustig, kumpelhaft, Mäc zum Anfassen. Michael Ahlers, landespolitischer Korrespondent der Braunschweiger Zeitung, kennt ihn seit seiner Zeit als CDU-Fraktionsvorsitzender im Landtag.

    "Er ist in seiner neuen Rolle viel unfreier als früher. Und es spielt eine sehr große Rolle, einfach jedes Wort zu kontrollieren. Er kann nicht mehr reden, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, wie er es dann gerne mal macht, wenn die Mikrofone ausgeschaltet sind, dann lacht er, dann macht er Witze. Aber das Ganze findet eben kaum noch statt, wenn er in seiner offiziellen Rolle als Ministerpräsident auftritt. Und dadurch nimmt er sich natürlich auch einen Teil seiner Stärke."

    Einen ganz anderen David McAllister erlebten die Menschen auf seiner Sommertour in Hitzacker. Als der örtliche Shanty-Chor das Niedersachsen-Lied anstimmt, eilt der Regierungschef nach vorn, singt gelöst, lautstark und textsicher mit. So sieht sich Mäc auch am liebsten: bodenständig, mit Land und Leuten eng verwachsen. Einer, mit dem man an der Theke einen Schnaps trinken kann. Und das passt auch zu seiner zur Schau gestellten Allergie gegen den Politikbetrieb in Berlin. Wenn McAllister sich über den - seiner Ansicht nach - dort herrschenden Stil ärgert - das Durchstechen von Informationen, das Gerede hinter dem Rücken von Parteifreunden – klingt das zwar glaubhaft. Doch der Provinzfürst weiß auch, dass er ohne den Berliner Rückhalt nichts werden kann. Seine Strategie: auch hier besonders vorsichtig agieren. Heißt zum Beispiel: Lieber abseits der Medien Strippen ziehen als vorne zu tönen. Schließlich hat er – etwa bei Wulff - miterlebt, was aus denen werden kann, die schnell hoch hinaus wollten.

    "Also, ich will in Berlin nix werden. Und deshalb können alle in Berlin auch ganz entspannt sein. Aber sie können mich unterstützen. Und ansonsten: Ich bin so jung. Was weiß ich, was noch alles passieren kann."