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Mythos Fremdenlegion (2/5)
Offen für viele, aber nicht für alle

Von ihren Rekruten verlangt die Fremdenlegion keinen Schulabschluss und keine Ausbildung. Vorstrafen sind nicht unbedingt ein Hindernis, Mörder oder Drogenhändler aber sind unerwünscht. Viele Bewerber scheitern jedoch aus viel einfacheren Gründen.

Von Gerwald Herter | 16.07.2019
Legionäre üben im Hauptquartier der Fremdenlegion in Aubagne
Exerzieren - auch für die Parade am Nationalfeiertag in Paris. Die Fremdenlegion nimmt regelmäßig teil. (Deutschlandradio / Gerwald Herter)
"A new start" - in ihrer englischen Werbebroschüre verspricht die Legion Männern aus aller Welt einen Neuanfang. Doch nach einem vielleicht planlosen Lebenswandel ist selbst der von Bürokratie begleitet. Hier im Hauptquartier der Fremdenlegion in Aubagne, nahe Marseille zeigt sich das schon beim ersten Kontakt:
Auf der einen Seite des Schreibtischs sitzt der Caporal-Chef vom Dienst im grünen Fleckentarn; auf der anderen Seite ein junger, etwas schüchterner Mann aus der früheren Sowjetrepublik Moldau. Kurze Haare, sympathischer Blick und zum Glück spricht er auch schon etwas Französisch.
Spezialisten überprüfen die Angaben der Bewerber
Das kleine Empfangszimmer ist spärlich eingerichtet. Der Caporal-Chef stellt vorerst wenige, aber wichtige Fragen. Schwierigkeiten mit dem Gesetz, Probleme mit Drogen?
Zwei Mal "Nein" - der junge Moldauer scheint zu wissen, worauf es hier ankommt. Die Fremdenlegion wird seine Angaben in den nächsten Tagen genau überprüfen - mit eigenen Spezialisten und mit Hilfe von Interpol und anderen Behörden.
Im Vorraum des Empfangsbüros, auf einem abgeschabten Holztisch liegen einige Nagelscheren und Medikamente, auch ein Kopfhörer ist hier geblieben, die weißen Kabel liegen im Aschenbecher. Aus Sicherheitsgründen müsse die Legion ihre Bewerber durchsuchen, sagt Adjudant Jean-Pierre, nur das Nötigste können sie mitnehmen.
"Messer und Scheren bewahren wir hier auf. Wenn die Bewerber durchfallen, können sie sich das wieder abholen. Messer sind verboten. Medikamente sind nur erlaubt, wenn sie ein Attest haben, dann wir schicken wir sie erst einmal zum ärztlichen Dienst."
Etwa die Hälfte der Anwärter schafft Klimmzüge nicht
Draußen an der Wand ist ein Metallgestell solide verankert. Noch bevor es an der Wache vorbei auf den Stützpunkt geht, muss jeder Bewerber hier fünf Klimmzüge machen. Das zahlt sich aus, wie der Unteroffizier versichert:
"Etwa die Hälfte schafft die Klimmzüge nicht, dann sind es auch gefälschte Papiere und dann anderes, wie gesundheitliche Probleme. 50 oder 60 Prozent werden hier schon abgewiesen."
Eine Klimmzugstange hängt neben dem Eingang des Bewerbungsbüros im Hauptquartier der Fremdenlegion
Fünf Klimmzüge sind für viele Bewerber zu viel (Deutschlandradio / Gerwald Herter)
Auf dem Gelände des Stützpunkts geht es dann den Hügel hinauf. Auch das eine erste Prüfung sagt Jean-Pierre. Denn wer hier schon ins Keuchen kommt, der werde oben, im Rekrutierungszentrum noch größere Schwierigkeiten haben.
Legionäre kommen derzeit aus fast 150 Ländern
Nach diesem Countdown müssen die Bewerber eine Strecke von 20 Metern ablaufen - zunächst langsam, dann immer schneller. Ein Test, den auch die französische Armee nutzt. Hinzu kommen schriftliche Prüfungen und Einzelgespräche, um herauszufinden, wie intelligent die Bewerber sind, wofür sie sich eignen.
Adjudant Jean-Pierre sagt, dass gute Französischkenntnisse im Zweifelsfall den Ausschlag geben können. Die Legionäre kommen derzeit aus fast 150 Ländern. Damit alle die Chance haben, die Sprache zu lernen, muss etwa jeder zehnte Legionär aus frankofonen Ländern stammen. Schon deshalb wirbt die Legion auch in Frankreich um Rekruten. Früher mussten Franzosen eine andere Nationalität annehmen, um einzutreten. Das hat sich geändert. Ausländer können immer noch eine neue Identität annehmen, aber das ist nicht mehr verpflichtend. Nach einer bestimmten Dienstzeit haben sie die Wahl. Im Vergleich zu früheren Zeiten ist in der Legion jetzt vieles offener geregelt. Das hängt auch mit dem Bedarf zusammen.
Die Kapelle der französischen Fremdenlegion steht in Reih und Glied an der Uferpromenade in Cassis.
Die Fremdenlegion sucht auch Militärmusiker (Deutschlandradio / Gerwald Herter)
Frauen sind im Bewerbungsverfahren unerwünscht
Seit einigen Jahren wächst die Zahl der Legionäre wieder. Allein 2018 sollen 1300 Rekruten eingestellt werden. An einem Prinzip hat sich trotzdem nichts geändert: Frauen sind in diesem Bewerbungsverfahren unerwünscht. Ein brasilianischer Unteroffizier, der sich ebenfalls um die Rekrutierung kümmert, kann sich nicht daran erinnern, dass Frauen daran jemals etwas ändern wollten:
"Ich habe noch nie erlebt, dass sich eine hier beworben hat. Allerdings sind Frauen in der Legion akzeptiert, Spezialistinnen, wie Psychologinnen, Ärztinnen, Zahnärztinnen."
Wie zum Beispiel auch männliche Offiziere kommen sie auf anderen Wegen in die Legion - über die Laufbahn in der regulären französischen Armee.
Fragen nach der sexuellen Orientierung sind tabu
Die Zusammensetzung der Legion ändert sich ständig. Deutsche spielen nur noch eine geringe Rolle, ein Großteil der Legionäre kommt heutzutage aus Osteuropa und den Balkanstaaten. Derzeit bewerben sich auch in Aubagne viele Brasilianer und Nepalesen. Selbst Syrer können kommen, trotz des Krieges in ihrer Heimat. Fragen nach der sexuellen Orientierung der Rekruten, also hetero- oder homosexuell, sind im Bewerbungsverfahren tabu. Das versichert zumindest der brasilianische Unteroffizier:
"Wir sind Teil der französischen Armee. Diese Frage hat mit unseren Anforderungen nichts zu tun"
Der Fremdenlegion geht es offensichtlich darum, dass sich möglichst viele Bewerber in ihren Zentren melden und ihr dann die Wahl bleibt. Im Gespräch nennen die Unteroffiziere immer wieder die französischen Städte, in denen die Legion Informationszentren betreibt - oft in der Nähe der Grenzen. Journalistische Berichterstattung ist nützlich, denn schon das "Anwerben für den Wehrdienst einer fremden Macht" ist in Deutschland und vielen anderen Ländern bei Strafe verboten. Andererseits ist die Legion auf Ausländer angewiesen, die sich freiwillig melden.
Der junge Mann aus der Republik Moldau dürfte sich im Internet über die Fremdenlegion informiert haben. Er war lange unterwegs, bevor er in Aubagne ankam, hat viel Zeit und Geld investiert, obwohl er nicht weiß, ob ihn die Legion tatsächlich aufnehmen wird. Der Versuch eines Neubeginns begleitet von Verständigungsproblemen.
Dieser Beitrag wurde erstmals gesendet am 3. Juli 2018.