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Mythos oder Realität
Beweise für Chinas Große Flut

Laut eines Mythos soll Kaiser Yu die Große Flut bezwungen haben. Damit soll er den Grundstein für das Aufblühen der Kultur entlang des Gelben Flusses gelegt haben. Doch das war bisher umstritten. Nun liefern Forscher erstmals Beweise für die gigantische Flut.

Von Dagmar Röhrlich | 05.08.2016
    Menschen der Autonomen Region Beichuan Qiang feiern den Geburtstag des legänderen Kaisers Yu der Große, welcher dem Mythos nach das Wasser nach der Großen Flut zurückgedrängt haben soll und als Begründer der Xia-Dynastie gilt
    Menschen der Autonomen Region Beichuan Qiang feiern den Geburtstag des legänderen Kaisers Yu der Große, welcher dem Mythos nach das Wasser nach der Großen Flut zurückgedrängt haben soll und als Begründer der Xia-Dynastie gilt (MAXPPP/Chen Dongdong/ChinaFotoPress/dpa picture alliance)
    Die ältesten chinesischen Schriftzeichen bringen es lediglich auf etwa 3.500 Jahre. So gibt es aus der Zeit, als die chinesische Kultur entstand, nur Sagen. Eine dieser Mythen erzählt von einer Großen Flut. Überall soll Wasser gewesen sein, gegen das niemand anzukommen schien - bis Yu der Große es zurückdrängte und damit Ordnung ins Chaos brachte. Ob es Yu und diese verheerende Flut gegeben hat, ist Gegenstand von Debatten, fehlten bislang doch alle Beweise. Zumindest die für die Große Flut könnten nun entdeckt worden sein:
    "Im April 2007 haben wir bei Geländearbeiten am Rand des Hochlands von Tibet im Tal des Gelbes Flusses die Reste eines großen Erdrutsches gefunden. Er hat den Fluss eine Zeit lang aufgestaut, bis die Wassermassen den Damm durchbrachen. Wir dachten, dass es eine Verbindung geben könnte zwischen diesem Dammbruch und dem Verschwinden einer steinzeitlichen Siedlung 25 Kilometer flussabwärts. Und wir fanden dann auch Ablagerungen, die durch diesen Dammbruch und die katastrophale Flutwelle danach entstanden sind", beschreibt Qinglong Wu von der Nanjing Normal University. Ausgelöst wurde der Erdrutsch wahrscheinlich durch ein Erdbeben in grauer Vorzeit, erklärt Darryl Granger von der Purdue University:
    "Anhand von Ablagerungen aus der Nähe dieser steinzeitlichen Siedlung konnten wir sehen, dass sich dort die Flutwelle mit einer Höhe von 38 Metern über dem heutigen Flussniveau durch das Tal gewälzt haben muss. Der Abfluss lag zwischen 300- und 500.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde. Damit zählt diese Flutwelle zu den schwersten der vergangenen 10.000 Jahre. Der See, der sich hinter dem natürlichen Damm aufgestaut hatte, war mindestens 200 Meter tief."
    Nach dem Erdrutsch hatte sich das Wasser wohl über sechs bis neun Monate hinweg aufgestaut. Als es schließlich den Damm überströmte, gab er nach. Vielleicht 16 (*) Kubikkilometer Wasser stürzten ins Tal, so Granger:
    "Um zu bestimmen, wann die Flut stattfand, haben wir die Radiokarbon-Methode eingesetzt. Wir datierten damit sowohl die Sedimente, als auch die Skelette von drei Kindern, die bei dem Erdbeben getötet worden waren. Beben und Überflutung haben sich im selben Jahr ereignet, denn die Risse im Boden, die bei dem Beben entstanden waren, sind ganz mit Überflutungssedimenten gefüllt. Demnach ereigneten sich beide Katastrophen 1922 vor Christus - plus/minus 28 Jahre."
    Kaiser Yu ließ Entwässerungsgräben ziehen
    Weil sich ein Fluss nach einer solchen Flutwelle über weite Bereiche hinweg ein neues Bett graben muss, kam es vielleicht 20 Jahre lang immer wieder zu Überschwemmungen. Deswegen schien das Chaos kein Ende zu nehmen, bis Kaiser Yu es überwand, indem er Entwässerungsgräben ziehen ließ, erzählt David Cohen von der National Taiwan University:
    "Diese Flutwelle liefert uns einen aufregenden Hinweis darauf, dass Yu und die Xia-Dynastie wirklich existiert haben könnten. Wir argumentieren, dass in den Sagen die Gründung der Xia-Dynastie mit der Großen Flut verknüpft ist. Mit rund 1900 vor Christus passt diese katastrophale Flutwelle zeitlich sehr gut zu den bisherigen Datierungen, die unter anderem auf astronomischen Berechnungen basierten."
    Falls die Theorie stimmt, wären die Sagen mindestens über 1.000, zum großen Teil sogar über 1.400 Jahre hinweg nur mündlich weitergegeben worden. Auch deshalb bleiben andere Historiker skeptisch. Sarah Allen vom Darthmouth-College schreibt in ihrer Einschätzung, dass sich in diesem Zeitraum wohl viele Überflutungen ins kollektive Gedächtnis eingeschrieben haben dürften. Für sie ist die Große Flut eher Schöpfungsmythos denn konkretes Ereignis - eine Geschichte darüber, wie die Welt bewohnbar gemacht wurde, nachdem überall Wasser war.
    (*) Anmerkung der Redaktion: An dieser Stelle wurde eine falsche Maßeinheit korrigiert.