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Nach Attentat im Oktober
Henriette Reker wird als Kölner Oberbürgermeisterin vereidigt

Gut acht Wochen ist es her, dass ein Mann an einem Wahlkampfstand in Köln auf Henriette Reker zustürmte und sie mit einem Messer schwer verletzte. Am Tag darauf wurde die 58-Jährige zur Oberbürgermeisterin von Köln gewählt, und heute soll sie nun endlich vereidigt werden. Reker hat sich viel vorgenommen.

Von Moritz Küpper | 15.12.2015
    Die neue Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker auf ihrer ersten Pressekonferenz.
    Am 20. November - fünf Wochen nach dem Attentat - trat Henriette Reker erstmals wieder öffentlich auf. (pa/dpa/Vennenbernd)
    Exakt 58 Tage nachdem die Kölnerinnen und Kölner Henriette Reker zu ihrer Oberbürgermeisterin gewählt haben, wird die parteilose Politikerin nun auch den Eid vor dem Kölner Stadtrat sprechen. Als erste Frau wird Reker damit auch offiziell in das Oberbürgermeister-Amt einer Millionenstadt in Deutschland eingeführt werden.
    Nach der Messer-Attacke auf die ehemalige Sozialdezernentin der Stadt, die der Attentäter mit ihrer Flüchtlingspolitik begründet hatte, war die 59-Jährige wochenlang aufgrund ihrer schweren Hals-Verletzung ans Krankenbett gefesselt. Die Amtsgeschäfte hatte sie dennoch peu à peu übernommen: Erst vom Krankenbett aus stellte sich Reker dann Mitte November der Öffentlichkeit. Die sonst sehr feierlich gehaltene Vereidigung sah die neue Kölner Oberbürgermeisterin schon damals eher pragmatisch. Es würde reichen, einen Tagesordnungspunkt 0 vor die Stadtratssitzung zu setzen:
    "Wir haben alle so viel zu tun, und da ich die Amtskette im Moment sowieso nicht umhängen darf, müssen wir mal gucken, wie die dann präsentiert werden kann. Aber das sind Probleme, die das Protokoll lösen wird, davon bin ich ganz und gar überzeugt."
    Die Amtskette kommt nicht an den Hals, sondern in den Koffer
    Nachdem Sie heute gegen 14 Uhr den Amtseid geleistet hat, wird Reker nun symbolisch ihre Hand auf die im Koffer präsentierte Amtskette legen, teilte die Stadtverwaltung mit. Dann werde sie eine Friedensglocke anschlagen, gefolgt von ihrer Antrittsrede:
    "Ich stehe und ich werbe für einen neuen Politikstil in Köln und möchte aus diesem politischen Blockdenken herausfinden mit den Fraktionen."
    Reker verfolgt einen neuen Politik-Stil
    Denn die Domstadt, immerhin die nach Einwohnern viertgrößte Stadt Deutschlands, machte zuletzt nur durch Pannen und Katastrophen wie den Einsturz des Kölner Stadtarchivs, der verschleppten Kölner Oper-Sanierung oder einer wegen fehlerhaften Wahlzetteln verschobenen OB-Wahl Schlagzeilen. Dauerhaft stabile Finanzen zu bekommen, dem Wohnungsbau Priorität einzuräumen, und für ein besseres Image der Metropole zu sorgen, seien ihre Ziele, so Reker gegenüber der Deutschen Presse-Agentur in ihrem ersten offiziellen Interview zur Amtseinführung. Ein Stil, der bereits Mitte November anklang:
    "Es geht hier nicht darum, Sachfragen in Machtfragen umzudeuten, sondern es geht darum, wirklich Mehrheiten in der Sache zu finden."
    Regieren mit wechselnden Mehrheiten
    Dieser Weg, der für eine Großstadt-Politik in Deutschland angesichts steigender Politik- und Parteienverdrossenheit beispielhaft werden könnte, wird auch nötig sein, denn das ursprünglich rot-grüne Bündnis im Kölner Stadtrat ist zerbrochen. Reker, die von CDU, Grünen, FDP und freien Wählergruppen nominiert worden war, muss daher mit wechselnden Mehrheiten regieren. Aktuell kristallisiert sich ein schwarz-grünes Minderheitsbündnis heraus.
    Dass für Reker – trotz des durch die Flüchtlingsfrage motivierten Attentats – der "Wir schaffen das"-Kurs von Bundeskanzlerin Angela Merkel der richtige ist, machte sie aber nochmals deutlich: "Es ist kein Versprechen und es ist auch keine Einladung. Frau Dr. Merkel nimmt einfach die Realitäten zur Kenntnis",so Reker vor ihrer heutigen Amtseinführung.