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Nach Bischofsrücktritt
"Zeit der Bescheidenheit"

Der Rücktritt des Limburger Bischofs Tebartz-van Elst ermögliche einen Neuanfang, sagte der Kirchenrechtler Thomas Schüller im Deutschlandfunk. Der Bischof habe regiert "wie ein absolutistischer Wahlmonarch". Andere Bistümer gingen zunehmend sensibler mit Geld um.

Thomas Schüller im Gespräch mit Christiane Kaess | 27.03.2014
    Papst genehmigt Rücktritt des Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst.
    Persönliche Selbstüberschätzung, aber auch Fehlinterpretation des bischöflichen Amtes hätten nun zum Rücktritt des Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van-Elst geführt, sagt Thomas Schüller. (dpa / picture-alliance / Fredrik Von Erichsen)
    Christiane Kaess: Am Telefon ist jetzt Professor Thomas Schüller. Er ist Kirchenrechtler an der Universität Münster und er war von 1997 bis 2001 persönlicher Referent des ehemaligen Limburger Bischofs Franz Kamphaus, dem Vorgänger von Tebartz-van Elst. Guten Morgen!
    Thomas Schüller: Guten Morgen.
    Kaess: Herr Schüller, sind auch Sie erleichtert?
    Schüller: Ja, ich bin erleichtert, wie alle Gläubigen im Bistum Limburg, dass nun ein Schwebezustand beendet ist und Klarheit herrscht, dass es einen Neuanfang gibt und dass Bischof Tebartz-van Elst nicht mehr Bischof von Limburg ist.
    Kaess: Sie kennen das Kirchenrecht. Das heißt, Sie haben mit dieser Entscheidung gerechnet?
    Schüller: Die Entscheidung war zwangsläufig, weil der Bericht ja - ich konnte ihn diese Nacht lesen - eindeutig dokumentiert, an wie vielen Stellen der Bischof sich nicht an die vermögensrechtlichen Vorschriften gehalten hat, und auch seine Stellungnahme vom gestrigen Abend zeigt ja noch mal das mangelnde Bewusstsein in seine Taten, und daher war es zwangsläufig, dass der Papst so entscheiden musste.
    Kaess: Es heißt in dem Bericht, der Bischof sei davon ausgegangen, als Bauherr und allein Verantwortlicher des bischöflichen Stuhls bei der Umsetzung des Bauvorhabens nicht auf die Verwaltung und Gremien der Diözese zurückgreifen zu müssen. Hat er sich da selber komplett überschätzt oder ist das nach Kirchenrecht auch durchaus zulässig?
    "Tebartz-van Elst hat regiert wie ein absolutistischer Wahlmonarch"
    Schüller: Das ist nicht zulässig. Das steht im Bericht ja an vielen Stellen drin, dass ein Bischof an die von ihm selbst oder von seinem Vorgänger in Kraft gesetzten vermögensrechtlichen Vorschriften sich halten muss, also an das selbst von ihm gesetzte Recht, und an das Recht, was der Papst für die Vermögensverwaltung festgelegt hat. Es spricht für ein Bischofsverständnis, was überhaupt die ganze Ausübung seines Amtes gekennzeichnet hat, dass er autokratisch regiert hat. Das bedeutet, dass er gesagt hat, wenn man einmal Bischof ist, muss ich mich an keine Spielregeln halten, das Gesetz bin ich selbst: Das war typisch für die sechs Jahre und es ist dann fatal geworden, als es um das Geld ging. Er hätte hier das Domkapitel, den diözesanen Verwaltungsrat zumindest in verschiedenen Rechtsgeschäften anhören müssen. Das hat er nachweislich nicht getan, weil er natürlich genau wusste, dass die explodierenden Baukosten nie genehmigt worden wären, und er wollte auch keine öffentliche Diskussion.
    Kaess: Sie sagen, es ist typisch für ihn. Sie kennen Tebartz-van Elst. Können Sie erklären, wie es zu dieser Selbstüberschätzung gekommen ist?
    Schüller: Ja. Das ist eine persönliche Selbstüberschätzung, aber auch eine Fehlinterpretation des bischöflichen Amtes. Wir hören ja gerade vom neuen Papst Franziskus, gerade gestern noch mal bei der Morgenpredigt beim Gottesdienst, dass ein Bischof der erste Diener seiner Gläubigen ist und nicht der Herrscher über die Gläubigen, und das ist ja auch aus dem Evangelium heraus gut ableitbar. So hat auch Jesus Christus ja selbst zu den Aposteln geredet, wenn ich das mal so ganz biblisch sagen kann. Bischof Tebartz-van Elst hat regiert wie ein absolutistischer Wahlmonarch, der ohne jegliche Rücksprache mit den Gläubigen meinte, alles alleine entscheiden zu müssen. In diesem Habitus ist er scheinbar groß geworden, in diesem Denken. Das ist allerdings erst geschehen in seiner Biografie, als er Weihbischof in Münster wurde. Da sind Dinge mit ihm geschehen, da haben Leute Persönlichkeitsveränderungen wahrgenommen, die zu diesem Fiasko geführt haben, das wir jetzt beobachten können.
    Kaess: Und würden Sie sagen, Tebartz-van Elst ist ein Einzelfall?
    Schüller: In dieser krassen Form der Überhöhung eines Amtes und der Art zu regieren ist es sicherlich sehr einmalig. Ich kann mich nicht erinnern, die letzten vier, fünf Jahrzehnte, dass es so etwas gegeben hat. Aber die Gefahr von Bischöfen, in der Überhöhung ihres Amtes sehr selbstherrlich zu regieren, ohne mit dem Volk zusammen, das ist eine latente Gefahr, die über alle Jahrhunderte immer wieder vorgekommen ist.
    Kaess: Herr Schüller, es heißt in dem Bericht auch, die tatsächlichen Kosten seien gering gerechnet worden, aber die Beteiligten hätten auch zu jeder Zeit gewusst, dass in der Öffentlichkeit die falschen Zahlen präsentiert wurden. Wen trifft also noch Schuld?
    Schüller: Schuld ist eine moraltheologische oder eine moralische Kategorie. Der Bischof hat ja die drei, die überhaupt nur davon wussten -das war der Generalvikar, das war ein junger Mitarbeiter im Finanzdezernat und eben sein Baumeister -, unter Berufung auf das Arbeitsrecht verpflichtet zu schweigen, beziehungsweise er hat sie angewiesen, die Unwahrheit zu sagen. Da würde ich schon sagen, was jetzt die Frage der Schuld angeht, liegt der Hauptteil der Verantwortung beim Bischof selbst. Allerdings wird man schon jetzt im Nachgang, wenn man den Bericht in Ruhe studiert hat, Einzelpersonen fragen dürfen, warum habt ihr nicht den Mund aufgemacht, warum habt ihr euch an diesem Verfahren beteiligt. Da kommt aber das, was im Vorbericht anklang, zum Tragen, dass ein Klima der Angst geherrscht hat und sich keiner mehr traute, seinen Verstand wirklich einzusetzen und dem Bischof die Stirn zu bieten. Im Nachgang bei Lektüre des Berichtes werden sich viele fragen müssen: Haben wir versagt?
    Kaess: Und diese Fragen wären durchaus berechtigt?
    Schüller: Die wären berechtigt, vor allen Dingen zum Beispiel auch die drei Mitglieder des Verwaltungsrates, von denen ja einer sehr medienwirksam alle Schuld auf den Bischof gelegt hat. Da steht im Bericht eindeutig: "Sie haben noch nicht mal kapiert, welche Rechte und Pflichten Sie haben. Sie haben Kredite nachträglich bewilligt, ohne einen Haushaltsplan." Ein ehemaliger Leiter einer Staatskanzlei, das muss man sich vorstellen, da stehen einem die Haare zu Berge. Also es werden da schon noch die Verantwortlichkeiten benannt und auch da wird sicherlich im Nachgang zum Beispiel auch die Staatsanwaltschaft Limburg schauen. Es liegen ja gegen alle Akteure Strafanzeigen vor. Da werden sie prüfen, ob da auch in der Substanz was vorliegt, dass ein Verfahren möglicherweise eingeleitet wird.
    Kaess: Es heißt in dem Bericht auch, dass schon als Tebartz-van Elst das Bistum übernommen hat, die Kostenangaben unrealistisch geplant und kommuniziert worden sind.
    Schüller: Ja.
    Kaess: Man spricht da von einer schweren Hypothek für Tebartz-van Elst. Ist das auf der einen Seite eine Entlastung für ihn und ist das auf der anderen Seite auch eine Mitschuld seiner Vorgänger, vielleicht sogar von Franz Kamphaus?
    Schüller: Von Franz Kamphaus mit Sicherheit nicht. Das kann ich aus der Nähe wirklich bestätigen, dass er gegen alle Planungen des Domkapitels - die begannen so 2004, 2005 - sehr deutlich immer gesagt hat, mit mir geht das so nicht. Er lebte ja im Priesterseminar in einem Seitenflügel in einer kleinen Wohnung. Das Domkapitel, das wird ja auch sehr kritisch gesehen, ob es überhaupt die rechtliche Vollmacht hatte, diese Planung zu initiieren. Und das stimmt, was im Bericht steht, was Sie gerade zitieren: Man ging da von einem sehr niedrigen Ansatz aus, weil man natürlich genau wusste, dass im Bistum Limburg hohe Bausummen für ein solches Bischofshaus nie die Zustimmung finden würden. Insofern war das eine Hypothek, dass das viel zu niedrig geschätzt wurde. Aber ab dem Punkt, wo Bischof Tebartz-van Elst dann die Verantwortung übernahm, hat er sehr schnell das Domkapitel nicht mehr mit der Sache befasst, und ab dem Zeitpunkt ist er für die Kostensteigerung im großen Maße selbst verantwortlich. Aber der Bericht zeigt die Mehrdimensionalität auch der Vorereignisse auf, und in die hinein hat sich der Bischof, der jetzt gestern zurückgetretene Bischof, hinein begeben. Das war schon eine kleine Hypothek, das stimmt.
    Kaess: Und warum, glauben Sie, wusste Franz Kamphaus von den Zusammenhängen nichts?
    Schüller: Nun gut, Franz Kamphaus ging ja Ende 2006, Anfang 2007 in den Ruhestand.
    Kaess: Er war der Vorgänger!
    Schüller: Ja, aber er wusste jetzt nicht, wie ... Er wusste von den Planungen des Domkapitels, dass die insgesamt ein neues Bischofshaus planten. Er war dagegen und er hat, weil ja die Beschlüsse des Domkapitels auch immer der Zustimmung des Bischofs bedürfen, den Beschlüssen nicht zugestimmt. Das steht auch im Bericht drin. Von daher kann ich nicht erkennen, dass er eine Verantwortung für das trägt, was jetzt geschehen ist.
    "Einen solchen Bericht können Sie nicht aus der Welt schaffen"
    Kaess: Herr Schüller, diese Entscheidung, die gestern aus dem Vatikan kam, wäre die vorstellbar gewesen unter einem der Vorgänger von Papst Franziskus?
    Schüller: Ja, eine interessante Frage. Ich glaube schon, weil der Bericht so eindeutig und klar ist, dass auch Papst Benedikt oder Papst Johannes-Paul II., hätten sie so einen Bericht vorgelegt bekommen, nicht anders hätten entscheiden können. Möglicherweise wäre man etwas gnädiger noch mit Bischof Tebartz-van Elst umgegangen, was seine zukünftige Verwendung angeht. Die ist aber vollkommen offen. Aber einen solchen Bericht können Sie nicht aus der Welt schaffen. Der legt so offen dar, welche Verantwortung der Bischof trägt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ein anderer Papst anders entschieden hätte. Aber in der Schnelligkeit, in der Entschiedenheit, wie das Franziskus vorgenommen hat, das ist sicherlich bemerkenswert.
    Kaess: Was bedeutet diese Entscheidung von Papst Franziskus für die Amtsführung der Bischöfe generell?
    Schüller: Es bedeutet das, was man schon, wenn man in Rom ist, beobachten kann, aber auch hier in Deutschland, wenn man die Bischöfe beobachtet, dass die Zeit der Bescheidenheit angebrochen ist, dass sich alle gut überlegen müssen, wie sie in ihrer äußeren Kleidung, in ihren Besitztümern, in der Art der öffentlichen Darstellung, wie sie da auftreten. Es steht heute nicht mehr gut einem Bischof zu Gesicht, wenn er Reichtümer anhäuft, wenn er persönlich sehr wohlhabend lebt. Das ist übrigens kein europäisches oder amerikanisches Phänomen; das trifft auch Bischöfe in Afrika, Asien und Lateinamerika.
    Kaess: Und sehen Sie da Veränderungen?
    Schüller: Ich sehe die Veränderungen. Ich sehe eine zunehmende Sensibilisierung im Umgang mit Geld. Die Frage ist nur, wie lang andauernd diese Wirkung sein wird, denn ein Papst ist 77 und wir wissen ja nicht, wer sein Nachfolger werden wird. Ich hoffe, dass das Langzeitwirkung hat.
    Kaess: Ganz kurz zum Schluss bitte noch im Blick auf die Zeit. Wer wird Tebartz-van Elst nachfolgen?
    Schüller: Wer, weiß ich nicht. Er tritt auf jeden Fall ein schweres Erbe an und darum wird es auch eine gewisse Zeit dauern, bestimmt über ein Jahr, bis man drei Kandidaten gefunden hat, die auf die Liste kommen, aus der man wählt. Möglicherweise wäre es fürs Bistum ganz gut, einen vielleicht erfahreneren Bischof zu bekommen, der nicht durch die Vorgänge, die jetzt geschehen sind, beschädigt ist.
    Kaess: Danke schön für diese Einschätzungen - Thomas Schüller, Kirchenrechtler an der Universität Münster.
    Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Der Deutschlandfunk macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.