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Nach Boykottaufrufen und Pöbeleien
dm sagt Spendenaktion für Flüchtlinge ab

Rupert Neudeck, ehemals als Journalist auch für den Deutschlandfunk tätig, seit vielen Jahren als Menschenrechtsaktivist bekannt - als Verkäufer bei dm? So war es geplant. Als einmalige Spendenaktion. Doch nun sagt die Drogeriekette Nein, aus Angst vor Gewalt.

13.10.2015
    Eine Filiale der Drogeriemarkt-Kette dm, hier in Köln
    Eine Filiale der Drogeriemarkt-Kette dm, hier in Köln (picture alliance/dpa/Oliver Berg)
    "Ich möchte nie mehr feige sein. Cap Anamur ist das schönste Ergebnis des deutschen Verlangens, niemals wieder feige, sondern immer mutig zu sein." Das sagte Rupert Neudeck anlässlich des 30. Jubiläums der Organisation. Die hatte er gegründet, um Flüchtlingen aus Vietnam zu helfen, den sogenannten boat people. Tausende nahm er in den frühen 1980er-Jahren auf und brachte sie nach Deutschland.
    Der Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur, Rupert Neudeck
    Der Gründer der Hilfsorganisationen Cap Anamur, Rupert Neudeck (dpa picture-alliance / Rainer Jensen)
    Auch heute noch sind Flucht und ihre Folgen das Thema des inzwischen 76-Jährigen, die Hilfe für Menschen in Not. Und wieder sind es "boat people", für die er sich einsetzt, Familien, die in Booten ihre Heimat verlassen und Schutz in Europa suchen. Syrer, Afghanen, Eritreer. Um ihnen zu helfen, hätte sich der kleine Mann mit dem vollen weißen Bart auch hinter die Kasse einer dm-Filiale im nordrhein-westfälischen Troisdorf gesetzt. Die Einnahmen sollten für Deutschunterricht verwendet werden, den die kurdische Gemeinschaft in der Stadt für Flüchtlinge anbietet.
    Vergangenen Samstag war die Ankündigung der Spendenaktion öffentlich geworden - und hatte in den Sozialen Netzwerken heftige Reaktionen provoziert. Unter dem Hashtag #dmunterstütztterror wurde zum Boykott des Unternehmens aufgerufen.
    dm hat darauf nun reagiert und die Aktion abgesagt. "Wir haben wenig Verständnis dafür, dass soziale Hilfsaktionen Anlass sein sollen zur politischen Interessensvertretung oder gar zu verbaler oder physischer Gewaltausübung", heißt es in einer Erklärung des Chefs des Karlsruher Unternehmens, Erich Harsch. Man wolle aber keinen Nährboden für Eskalation bieten. "Um mögliche Ausschreitungen vor Ort zu vermeiden, mussten wir die Aktion absagen", sagte ein dm-Sprecher. Vor allem türkische Gruppierungen hatten zu Gewalt aufgerufen.
    "Das ist in einem Rechtsstaat inakzeptabel" - so kommentiert Volker Beck, innenpolitischer Sprecher der Grünen im Bundestag, die Absage im Kurznachrichtendienst Twitter:
    Rupert Neudeck äußerte im "Kölner Stadtanzeiger" Verständnis für die Absage, könne sie aber nicht billigen, weil er gegen "Vorausbesorgnisse" sei. Er sprach von einem "Skandal, der dadurch entsteht, dass ein paar wildgewordene Leute irgendetwas in die Welt setzen, das mit der Realität nichts zu tun hat".
    (bor/ach/pr)