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Nach Brüssels Pfeife? - Teil 2
Nur Stillstand und Leerlauf?

Wo steht die Sportpolitik in Europa aktuell und was ist erreicht worden in den vergangenen fünf Jahren? Eine Bestandsaufnahme zur Europawahl am 25. Mai.

Von Matthias Friebe | 04.05.2014
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    Die Fahne der Europäischen Union (picture-alliance/ dpa / Rene Ruprecht)
    In den vergangenen Jahren wurde eine Reihe von neuen Initiativen angestoßen, die die Sportpolitik in Europa auf eine ganz andere Basis stellen. Die Europäische Union hat die Bedeutung des Sports erkannt, ihr sogar zum ersten Mal vertraglich festgehaltene Kompetenzen im Vertrag von Lissabon gegeben. Helga Trüpel, Mitglied für die Grünen im Ausschuss für Kultur und Bildung des Europäischen Parlaments, der auch alle Sportfragen behandelt, meint:
    "Das ist ein wesentlicher Schritt nach vorne, weil wir jetzt eine sogenannte legale Grundlage haben für die Sportförderung. Meine Kolleginnen und Kollegen, die schon lange im Parlament waren, haben dafür gekämpft und deswegen ist es jetzt mit dem Lissabon-Vertrag wirklich zu einer deutlichen Veränderung gekommen, was die Sportförderung angeht."
    In dem entsprechenden Paragraphen im Vertrag von Lissabon geht es vor allem um die "Förderung der europäischen Dimension des Sports" und dabei um die integrative Strahlkraft des Sports. Diese soziale und gesellschaftliche Dimension betont Trüpels Ausschusskollegin Sabine Verheyen von der CDU.
    "Sport hat eine unwahrscheinlich starke integrative Leistung. Ich sag mal, ob ich als Ausländer in einem Sportverein im Land, in dem ich gerade lebe bin oder auch bei internationalen Sportevents. Ob im ehrenamtlichen, im Breitensportbereich oder auch im professionellen Bereich. Das prägt unwahrscheinlich stark auch das Zusammenwachsen."
    Damit sind schon die Hauptarbeitsfelder der Sportpolitik in Europa angesprochen. Neben den Belangen des Spitzensports geht es vor allem um eine Förderung von in der Regel ehrenamtlichen Breitensport-Engagements. Dazu sollten bereits nach Inkrafttreten des Lissabon-Vertrags Fördermittel zur Verfügung gestellt werden. Für die Jahre 2012 und 2013 in finanziell beschränktem Maße und dann ab 2014 für den neuen Finanzplanungszeitraum bis 2020 fest eingeschrieben im europäischen Haushalt.
    Soweit der Plan zu Beginn der Legislaturperiode. Doch ein Nein der EU-Kommission führte zu einem Scheitern des Förderprogramms. Weder die Sportminister der EU-Mitgliedsländer noch die zuständige Kommissarin Androulla Vassiliou konnten sich für das Sportprogramm stark genug machen. Eine verbesserte Sportförderung in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode blieb aus. Lediglich zwölf transnationale Projekte zum Thema "Gewaltfreiheit und Toleranz im Sport" unterstützte die EU-Kommission Ende 2011 mit Zuschüssen in Höhe von 125.000 und 200.000 Euro. Enttäuschung vor allem auf Seiten der Sportverbände machte sich breit. Trotz erstmals rechtlichen Grundlagen für den Sport im Lissabon-Vertrag ist keine Verbesserung auf dem Gebiet der Förderung feststellbar.
    Neben der Förderung des Breitensports, so ein zweites Hauptarbeitsfeld soll der Einfluss auch auf den Spitzensport stärker wahrnehmbar werden. Insbesondere sind es mehrere Gerichtsentscheidungen in den vergangenen Jahren, beispielsweise zum Online-Glückspiel, die die sportpolitischen Aktivitäten beeinflussten. Fragen sind da zum Beispiel:
    "Wie weit nehmen zum Beispiel Wettbüros Einfluss auf den Ablauf von Sport? Wie wird der Sport missbraucht oder auch verzerrt? Das sind natürlich Themen, wo man wirklich auch auf europäischer Ebene ran muss, weil das natürlich auch vor Grenzen nicht aufhört. Und ich denke, dass das ein Problem ist, weil es in vielen Bereichen fast mit organisierter Kriminalität einhergeht, wo wir uns auf europäischer Ebene natürlich in Kooperation mit Europol ganz anders auseinander setzen müssen."
    Sabine Verheyen und ihre Kollegen im Ausschuss für Kultur und Bildung müssen sich nach den Vorgaben des Lissabon-Vertrags auch verstärkt um den Kampf gegen Doping kümmern. Europäische Initiativen könnten dem Kampf zumindest helfen, ist sich die CDU-Abgeordnete sicher, wenngleich sie sagt:
    "Europa kann sicherlich nicht leisten, allein schon aus finanziellen Gründen, dass von Europa aus die Kontrollen stattfinden. Aber wir können fördern, dass es verbesserte Netzwerke gibt, dass die Zusammenarbeit und der Austausch zwischen den Verbänden intensiviert wird."
    Auch das geht vor allem über finanzielle Unterstützung, wie Helga Trüpel von den Grünen erklärt:
    "Es ist zum Beispiel möglich, wenn man konkrete Vorhaben hat, Tagungen, die sich Doping oder Spielmanipulationen widmen, um zu konkreten Vorschlägen zu kommen, dass solche Aktivitäten aus dem Sportprogramm gefördert werden."
    Über diese finanzielle und unterstützende Förderung geht aber ein Ansatz noch hinaus, den Sabine Verheyen ist Spiel bringt, eine europäische Anti-Doping-Gesetzgebung.
    "Zumindest da, wo es in den Bereich der Gesundheitsgefährdung reinkommt oder auch in dem Bereich meines Erachtens nach, wo es wirklich zu Wettbewerbsverzerrungen kommt. Das wird zwar bislang über die Sportgerichte geregelt, da gehört es ja auch hin. Aber wo es in den Bereich der Gesundheitsgefährdung kommt ist es mehr, als nur eine rein sportliche Angelegenheit."
    Ob nun der Kampf gegen Doping, die Förderung des Ehrenamtes, auf jeden Fall befürworten beide eine gemeinsame europäische Sportpolitik. Länderübergreifend sportpolitisch zu arbeiten, davon ist Helga Trüpel überzeugt, könnte auch dazu beitragen, die Verdrossenheit der Menschen gegenüber Europa abbauen zu helfen.
    "Sie bringt vor allem Menschen aus verschiedenen Ländern bei und das trägt ja in der Regel dazu bei, dass man Vorurteile abbaut, wenn man konkrete Erfahrungen macht, wenn man mit Leuten direkt sprechen kann, wenn man selber in anderen Ländern unterwegs sein kann, wenn man sich umtun kann. Das führt einfach dazu, dass die Mauern im Kopf eingerissen werden und darum ist auch dieser Ansatz in der Sportpolitik richtig."
    Auf dem Weg, dieses Ideal zu erreichen, muss in der Zukunft mehr getan werden. Insbesondere die finanzielle Ausstattung ist noch verbesserungsbedürftig. In der abgelaufenen Legislaturperiode ist zu wenig passiert. Die Förderung trotz des "Meilensteins" der rechtlichen Verankerung im Lissabon-Vertrag bisher mehr als mangelhaft. Das gibt auch Helga Trüpel zu:
    "Ich finde, dass man mit diesem europäischen Sportprogramm durchaus mehr machen könnte. Man könnte mehr Leute erreichen, man könnte den Breitensport noch intensiver fördern, wenn man mehr finanzielle Möglichkeiten hätte. Jetzt ist es ein Einstieg überhaupt in die Möglichkeit, europäische Sportpolitik zu machen und es wird darum gehen, das in den nächsten Jahren auszubauen."
    Ein Anfang ist gemacht, der Sport rechtlich verankert. Aber eine Menge Potenzial ist noch vorhanden. In der abgelaufenen Legislaturperiode hat es trotz anders lautender Absichtserklärungen gerade auf finanziellem Gebiet noch keinen Fortschritt gegeben. Im schon verabschiedeten Finanzplan für die Jahre 2014 bis 2020 sind aber zumindest jetzt Sportfördermittel aufgeführt.