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Nach Brüssels Pfeife? - Teil 3
Chronologie der europäischen Sportpolitik

Sport bleibt in der Europäischen Union ein zartes Pflänzchen. Etwa 24 Jahre nach der ersten Erwähnung im Adoninno-Bericht 1985 erhielt der Sport 2009 im Vertrag von Lissabon endlich eine rechtliche Grundlage.

Von Heinz Peter Kreuzer | 11.05.2014
    Flaggen der Europäischen Union vor dem Gebäude der Europäischen Kommission in Brüssel, Belgien (14.5.2012)
    Bis der organisierte Sport die Bedeutung von Brüssel erkannte, war es ein weiter Weg. (picture alliance / dpa / CTK Photo / Vit Simanek)
    Der Vertrag von Lissabon lässt dem Sport seine Autonomie. In wirtschaftlichen Angelegenheiten des Sports gilt aber EU-Recht. Neu ist: Die Europäische Union darf jetzt Sport-Projekte finanziell fördern. Für die niederländische EU-Parlamentarierin Emine Bozkurt eine längst überfällige Entwicklung:
    "Die Prioritäten der EU im Sport sind Fairplay, Dopingbekämpfung, Schutz junger Athleten, Kampf gegen Rassismus und die Förderung des Breitensports. Und wenn man in diesen Feldern helfen will, dann muss man Geld bereitstellen."
    Bozkurt weist auch auf die dunklen Seiten des Sports hin, die aber erst in den vergangenen Jahren verstärkt auf die EU-Agenda gelangt sind:
    "Der Sport hat viele Facetten, darunter die Bekämpfung grenzübergreifender Kriminalität wie Wettmanipulation, Sportverbrechen, Dopingbekämpfung. Das sind nicht nur Angelegenheiten des Sports, sondern auch der Kriminalität. Die EU hat in den letzten Jahren Fortschritte im Kampf gegen die organisierte Kriminalität gemacht."
    Der lange Weg nach Brüssel
    Insgesamt hat der Sport jedoch eine zähe Entwicklung hinter sich. In den ersten Jahrzehnten der Europäischen Gemeinschaft war von Sport nicht die Rede. Erst im Adoninno-Bericht "Europa der Bürger" von 1985, wurde der Sport erstmals erwähnt. Die nächste Stufe folgte 1997 im Vertrag von Amsterdam. Alle Mitgliedsstaaten gaben eine gemeinsame Erklärung ab. Diese hatte aber nur eine politische und keine rechtliche Bedeutung. Im Vertrag von Nizza wurden dann die sozialen, kulturellen sowie die Bildungswerte des Sports betont. Der damalige parlamentarische Staatssekretär im Bundesinnenministerium, Christoph Bergner, fasst zusammen.
    "Wir haben auf der Basis der bisherigen Verträge, das Protokoll von Nizza, das die besondere Rolle des Sports verdeutlicht, und das ist die Basis für die Diskussionen. Und die vor allem dem Ziel dient, die besondere Rolle des Sports, insbesondere auch des europäischen Sportmodells zu erhalten, angesichts europäischen Wettbewerbsrechts und anderer übergreifender Rechtsvorschriften."
    Die EU-Kommission und der Europäische Gerichtshof griffen immer wieder in das Geschäft mit dem Sport ein. Ein wichtiger Meilenstein war 1995 das Bosman-Urteil des Europäischen Gerichtshofes in Luxemburg. Diese Entscheidung besagt, dass Profi-Fußballspieler in der Europäischen Union nach Ende des Vertrages ablösefrei zu einem anderen Verein wechseln dürfen. Und zum anderen brachte es die im europäischen Sport bestehenden Restriktionen für Ausländer zu Fall.
    Entwicklung seit 1995
    Das Bosman-Urteil ist ein Beweis dafür, dass der organisierte Sport und speziell die UEFA die EU lange Zeit nicht ernst genommen haben. Diese Haltung änderte sich nach dieser Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes. Der Sport und vor allem die Europäische Fußball-Union suchten nun den Kontakt zur EU und ihren Institutionen.
    Das zeigte sich insbesondere bei der Diskussion um das Weißbuch Sport, dass 2007 verabschiedet wurde. Dieses Dokument betonte die wirtschaftliche sowie die gesellschaftliche Rolle des Sports. Es war in erster Linie eine Auseinandersetzung zwischen dem Fußball und dem Rest des Sports. Die UEFA hatte in den Diskussionen zum Entwurf des Dokumentes massive Lobbyarbeit betrieben. Der damals verantwortliche Sportkommissar Jan Figel mahnte:
    "Ich sehe wachsende Bedenken gegen den Arnaut-Bericht, wir sollten in der Europäischen Union wirklich die Werte des Sports schützen. Wir müssen gesetzliche Klarheit und Sicherheit für jeden in der Welt des Sports schaffen. Dazu brauchen wir die Hilfe der Mitgliedsländer und autonomer Verbände."
    Der Sport hatte gegen die Pläne der UEFA seine Autonomie bewahrt. Neben den wirtschaftlichen Interessen werden auch verstärkt gesellschaftliche Positionen von der EU behandelt. Die für Sport und Bürgerrechte kämpfende Emine Bozkurt blickt mit Stolz auf zehn Jahre als EU-Parlamentarierin zurück.
    "2006 habe ich mit Kollegen eine Kampagne gegen Rassismus im Sport initiiert. Viele Sportorganisationen haben uns anfangs belächelt, Aber als wir sehr viel Unterstützung von Menschenrechtsorganisationen, in den Medien und vom Europäischen Parlament bekamen, wurde die Kampagne populär. Da haben es die Sportorganisationen ernst genommen. Vor der Fußball-WM 2006 in Deutschland wurden die Regeln geändert und es gab eine Null-Toleranz-Politik gegen Rassismus im Fußball. Das war ein großer Moment."