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Nach dem Anschlag
Gedenken am Breitscheidplatz

Am Tag nach dem Anschlag herrscht Sprachlosigkeit auf dem Breitscheidplatz. Trauernde haben Tränen in den Augen, Nachdenklichkeit zeichnet sich in ihren Gesichtern ab. Sie können ihre Gefühle kaum in Worte fassen. Wie soll man mit solch einem Schock umgehen?

Von Dieter Nürnberger | 20.12.2016
    Zahlreiche Bürger haben am Anschlagsort nahe der Berliner Gedächtniskirche Kerzen und Blumen niedergelegt.
    Zahlreiche Bürger haben am Anschlagsort nahe der Berliner Gedächtniskirche Kerzen und Blumen niedergelegt. (dpa / picture alliance / Maurizio Gambarini )
    "Ich wollte mir das Ganze mal ansehen. Ich habe es bis in die Nacht hinein am Fernseher verfolgt. Grausam, ich bin schockiert und sprachlos. Ich war vorige Woche selbst noch hier. Bin auch genau über diese Straße, über diesen Weihnachtsmarkt gelaufen. Ich habe hier gestern Abend noch Hirtenbrot gegessen und Glühwein getrunken. Das war eine Stunde davor. Ich war den ganzen Tag durch Berlin gelaufen, ich war müde und bin dann gegangen. Das war nur ein paar Meter weiter. Man weiß nie."
    Der Weihnachtsmarkt an der Berliner Gedächtniskirche ist bereits am Vormittag schon wieder weitgehend passierbar, allerdings sind die Buden und Verkaufsstände allesamt geschlossen. Die Sicherheitsbehörden haben lediglich den unmittelbaren Tatort abgesperrt, hier stehen hunderte von Berlinern und Besuchern, um das Unfassbare irgendwie in Worte zu fassen.
    Viele haben Tränen in den Augen, einige machen etwas verschämt Aufnahmen mit ihrer Handykamera. Sie erzählen davon, dass sie in den vergangenen Tagen selbst auf den Weihnachtsmärkten der Stadt unterwegs gewesen seien, nun schildern sie unzähligen Kamerateams aus aller Welt ihre Betroffenheit.
    Ort des Gedenkens
    Der LKW, der am gestrigen Abend mit enormer und tödlicher Geschwindigkeit in die Besuchermenge raste, steht noch lange Zeit am Tatort. Erst im Laufe des Vormittags beginnt die Polizei mit dem Abschleppen. Der Weihnachtsmarkt an der Gedächtniskirche wird heute auf jeden Fall geschlossen bleiben. Aus Gründen der Rücksichtnahme auf die Opfer, so Berlins Innensenator Andreas Geisel, sollen die Betreiber auf eine heutige Öffnung verzichten. In der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche wird am Mittag ein Kondolenzbuch für die Bevölkerung ausgelegt werden. Da der direkte Ort des Geschehens noch abgesperrt ist, legen Passanten und Trauernde erste Blumen an einer nahen Litfaßsäule nieder. Die Worte fallen schwer:
    "Ich habe halt einfach Blumen für die Opfer mitgebracht. Ich sage mir, dass ein Attentat überall passieren kann. Aber, ja, wir müssen weiter leben."
    Der Ort des Gedenkens mit den Blumen und den Trauerkränzen wird im Lauf des Tages sicher noch anwachsen. Nachdenklichkeit auf vielen Gesichtern. Verbunden mit der ganz persönlichen Frage, wie man mit solch einem Schock umgehen soll:
    "Silvester am Brandenburger Tor ist für mich gestorben. Ich werde jetzt mein Verhalten stark ändern. Die Statistik spricht für uns - wenn es uns trifft, dann haben wir Pech gehabt, dann ist das leider so. Ich glaube, es wäre ein falsches Signal, jetzt Weihnachtsmärkte oder andere Veranstaltungen abzusagen. Also ich habe Angst. Und es jetzt auch eine sehr emotionale Situation. Ich bin auch schockiert. Aber - irgendwie muss es ja auch weitergehen."