Dienstag, 19. März 2024

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Nach dem Anschlag von Manchester
Eine Stadt sucht die Normalität

Noch sind sie allgegenwärtig: Bis auf die Zähne bewaffnete Polizisten, teils unterstützt von Soldaten, patrouillieren überall im Land an sensiblen Punkten. Es gilt zwar nicht mehr die höchste Terrorwarnstufe, die Gefahr ist jedoch alles andere als gebannt. Gesucht wird Normalität, überall im Land, vor allem aber in Manchester.

Von Burkhard Birke | 29.05.2017
    Zwei Polizisten in leuchtgelben Warnwesten stehen hinter Absperrband auf einer Straße mit englischen Reihenhäusern aus Backstein. Im Hintergrund weitere Polizisten und ein Polizeiauto.
    Polizisten sperren am 28.05.2017 eine Straße im Stadtviertel Moss Side in Manchester (Großbritannien). Ein 25-jähriger Mann ist im Zusammenhang mit dem Terroranschlag von Manchester festgenommen worden. (Pat Hurst / PA Wire / dpa)
    Tausende haben dort am Halbmarathon teilgenommen oder zugeschaut. Wie schon bei der Mahnwache Anfang der Woche gab der Dichter Tony Walsh den Ton an.
    "Tut etwas, damit es weniger Hass gibt, tut etwas aus Leid und Mut, tut etwas für jemanden, der Euch wichtig ist, für jemanden, den Ihr verloren habt."
    "Wir laufen hier für Manchester, um zu zeigen, dass wir keine Angst haben und nicht bereit sind, aufzugeben."
    Es ist der vielbeschworenen Manchester-Geist der Versöhnung, des Widerstandes.
    "Ich war nervös – mein Mann ist mitgelaufen, ich habe Kinder, aber ich bin gekommen."
    Die Angst verfliegt nicht so leicht. Richtig tiefe Wunden hat der Verlust der 22 Todesopfer bei deren Angehörigen gerissen.
    Namen aller Opfer wurden aufgezählt
    Sämtliche Namen der Opfer wurden beim Gottesdienst in der Kathedrale aufgezählt.
    Nicht zu vergessen sind natürlich die 116 Verletzten, von denen mehr als die Hälfte immer noch mit teils schweren Blessuren in Kliniken liegt. Berge an Blumen, Ballons, Kondolenzkarten türmen sich unter der Statue am St. Ann’s Platz im Zentrum Manchesters. Kerzen brennen – Als Ventil für Anteilnahme und Trauer wird St. Ann’s wohl noch eine geraume Weile eine Art Wallfahrtsort bleiben.
    Nicht bleiben sollen die ca. 1000 bewaffneten Soldaten im Straßenbild Großbritanniens: Premierministerin May hatte angekündigt, dass sie nach dem heutigen Feiertag Zug um Zug in die Kasernen zurückkehren sollen.
    Unterdessen läuft die Fahndung weiter auf Hochtouren.
    In Old Trafford in Manchester wurde ein Verdächtiger aus einem Auto heraus verhaftet, in Moss Side im Süden der Stadt wurden weitere drei Personen festgenommen, nur um kurz darauf wieder freigelassen zu werden. Der Unmut der Anwohner wächst: Sie fühlen sich unter Generalverdacht gestellt. 12 Personen befinden sich zurzeit in Polizeigewahrsam.
    Allmählich fügt sich das Puzzle zusammen: Salman Abedi kam über Istanbul und Düsseldorf fünf Tage vor dem Anschlag aus Libyen. Dort leben seine Eltern und sein jüngerer Bruder Hashim. Der soll einen Anschlag auf den deutschen UN Libyengesandten Kobler geplant haben. Abedi hatte eine Wohnung im Zentrum offensichtlich als Bombenbaulabor angemietet. Bereits vor fünf Jahren war er als Radikaler gemeldet worden.
    Ein bewaffneter Polizist steht nach dem Anschlag in Manchester nahe des Tatorts.
    Ein bewaffneter Polizist steht nach dem Anschlag in Manchester nahe des Tatorts. (dpa-Bildfunk / AP / Kirsty Wigglesworth)
    Die Geheimdienste würden noch prüfen – man solle jetzt keine voreiligen Schlüsse ziehen rechtfertigte sich Innenministerin Amber Rudd.
    Schließlich gäbe es die Hotline und das Prevent –Programm gegen Radikalisierung, weil man sich des Ausmaßes des Problems bewusst sei.
    Mehr Geld für Terrorabwehr
    23.000 potentielle Terroristen werden angeblich gezählt: darunter 3000 akute Fälle. 500 von ihnen werden intensiv observiert. Die Mittel für die Antiterroraktivitäten wurden zwar aufgestockt und künftig soll es auch neues Personal geben. In England und Wales haben die Tories jedoch in den letzten Jahren unter anderem 19.000 Polizisten abgebaut.
    "Wir wollen 10.000 Polizisten auf lokaler Ebene, 3000 Feuerwehrleute, 3000 Gefängniswärter, 1000 Sicherheitsbeamte und 500 Grenzschützer zusätzlich einstellen."
    Versprach indes Diane Abbott, die innenpolitische Sprecherin von Labour. Sie will damit punkten: Am 8. Juni wird ein neues Unterhaus gewählt und der Vorsprung der Tories ist zuletzt stark geschrumpft.