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Nach dem Brexit
Finanzplatz Luxemburg hofft auf Londons Banken

Wohin wandert das Geschäft, wenn sich der Finanzplatz London im Nachgang zum Brexit neu sortiert? Paris, Amsterdam, Dublin und Frankfurt haben den roten Teppich ausgerollt. Das kleine Luxemburg tritt bisher eher leise auf, macht sich aber ebenfalls Hoffnungen.

Von Tonia Koch | 06.07.2016
    Teilansicht der Festungsmauer in Luxemburg Stadt
    In Luxemburg sind 143 Banken und tausende Fondsgesellschaften ansässig. (picture alliance / dpa / Klaus Nowottnick)
    Nur einen Tag, nachdem die Briten für den Brexit gestimmt hatten, titelte eine große deutsche Zeitung: Der Gewinner heißt Frankfurt. Soweit sei man noch lange nicht, sagt der Direktor der luxemburgischen Bankenvereinigung Serge de Cillia:
    "Wer jetzt die Gewinner sind, das muss man sehen. Ich stelle nur fest, dass verschiedene - und da gehören die Frankfurter und die Pariser Kollegen dazu -, ziemlich aggressiv unterwegs sind, schon teilweise vor dem Referendum, und schon jetzt dabei sind, alle möglichen rotenTeppiche auszurollen, dass möglichst viele Banken und Finanzdienstleister von der Insel weg zum Kontinent kommen."
    Selbst im Parlament waren die Frankfurter Werbemaßnahmen, eine Hotline für Umzugswillige und warme Worte des hessischen Ministerpräsidenten Thema.
    "Glaubt ihr wirklich, dass die großen Londoner Finanzinstitute dorthin schauen, wo am lautesten geschrien wird?", beruhigte der Vorsitzende der Liberalen, Eugène Berger, seine Parlamentskollegen. "Oder dass eine große Bank wie Goldman Sachs nun völlig panisch bei der neu eingerichteten Frankfurter Hotline anruft und fragt, was sie denn jetzt machen soll?"
    Banken und Finanzdienstleister - heißt es auf Luxemburger Terrain - hätten sich bereits seit der Ankündigung des Referendums mit der Frage beschäftigt, wie sie den Zugang zum europäischen Markt sicher stellen, sollte Großbritannien nicht mehr zur EU gehören.
    "Die meisten Häuser sind auf Schnuppertour gegangen und haben geschaut, was bietet jener Finanzplatz, was bietet ein anderer Finanzplatz."
    Geldhäuser mit Lizenz
    Das Großherzogtum bietet 143 Banken und tausende Fondsgesellschaften. Alle Geldhäuser verfügen über den sogenannten europäischen Pass, das heißt über eine Lizenz, von Luxemburg aus Geldgeschäfte in allen anderen EU-Staaten abzuwickeln. Und wer bereits jetzt auf beiden Plätzen präsent ist, in Luxemburg und in London, der könne Teile seines Geschäftes vergleichsweise einfach verlagern. Aufwändiger sei dies allerdings für Finanzinstitute, die sich auf London als Tor zu Europa konzentriert hätten, sagt Serge de Cillia.
    "Dann transferiert man nicht einfach hoppla mal einen Sitz einer Bank so einfach von London nach Luxemburg, nach Frankfurt, Paris oder nach Mailand. Dann muss man eine Banklizenz beantragen, die wird geprüft von den nationalen Aufsichtsbehörden zuerst und dann landet das bei der EZB und die hat dann das letzte Wort für die Erteilung der Lizenz, und das kann natürlich dauern."
    Sorgen, dass die auf dem Sprung befindliche Finanzwelt das kleine Luxemburg am Ende nicht finden könnte, macht sich niemand. Nicht einmal die Geografiekenntnisse des amerikanischen Präsidentschaftskandidaten Donald Trump, der den Nachbarn Belgien für ein nettes Städtchen hält, schrecken die Strategen des Finanzplatzes. Tom Theobald ist einer von ihnen. Die Regierung hat ihn beauftragt, für seine weitere Entwicklung zu sorgen und auch er weiß natürlich, dass Luxemburg noch viel kleiner ist als Belgien, aber:
    "Die Leute, die in Finanzkreisen arbeiten, die kennen Luxemburg. Wir sind jetzt nach dem letzten GFCI-Ranking der Finanzplatz Nr. 1 in der Eurozone und Nr. 2 in der EU nach London."
    Womit das Großherzogtum punkten kann
    Das Großherzogtum hat gemessen an diesem Index, der von weltweiten Experten erstellt wird, die Nase vorn vor Frankfurt. Und auch an anderer Stelle glauben die Luxemburger punkten zu können. Mit ihrer Mehrsprachigkeit zum Beispiel. Mindestens drei Sprachen gehören zur Grundausstattung eines Luxemburgers, vier sind die Regel. Und die seit Jahren anhaltende internationale Zuwanderung in den Arbeitsmarkt hilft, glaubt Theobald.
    "Wenn eine amerikanische Bank in Deutschland, Frankreich, Italien, Portugal oder Großbritannien verkaufen will, macht es Sinn, das aus Luxemburg zu machen, weil die Leute auch hier sind, die diese Sprache sprechen und die ganzen Regelwerke in den einzelnen Ländern auch kennen."
    Infrastrukturell müsste das Land sicherlich noch ein wenig nachrüsten, der Immobilienmarkt aber sei - auch ohne Wolkenkrater - auf der Höhe der Zeit, sagt der Makler Ton Eggen:
    "Bei den Büromieten ist man nicht mehr weit von London weg, aber die Auslastung ist mindestens genauso gut wie in London."
    Vielleicht gibt es am Ende aber nur wenig zu erben, weil London alles daran setzen wird, seine Stellung als internationaler Finanzplatz zu wahren.